Kristin Marja Baldursdóttir - Das Echo dieser Tage / Svartalogn

  • Verlagstext

    Ein altes Haus in den Westfjorden und ein neuer Anfang -

    "Das Echo dieser Tage" ist das meistverkaufte Buch in Island.

    Ganz überraschend erhält Flora das Angebot, ein altes Haus in den Westfjorden zu renovieren. Bei ihrer Ankunft dort schneit es so heftig, dass die Landschaft, das Haus und das Dorf ganz unwirklich aussehen. Sie glaubt sich am Ende der Welt. Als sie die Organistin und drei Frauen aus der Fischfabrik kennenlernt, gründen sie einen Chor. Alle hier haben ihre eigene Geschichte zu erzählen, allen hat das Leben zum Teil übel mitgespielt. Mit dem Gesang und ihrer neuen Arbeit kehrt Floras Lebenswille zurück, und damit auch ihre Lebensfreude, ihr Wille zum Weitermachen. Ein starkes, ein berührendes Buch über Lebenswege, die so oft völlig anders verlaufen als geplant, die zum Innehalten zwingen und zum Neudenken anregen. Nach "Die Eismalerin" und "Sommerreigen" erscheint endlich der neue Roman einer der prominentesten Autorinnen Islands.


    Die Autorin

    Kristín Marja Baldursdóttir ist eine der renommiertesten Schriftstellerinnen Islands und eine langjährige Autorin des Krüger Verlags. Seit ihrem ersten Buch "Möwengelächter" hat sie sich eine feste Lesergemeinde in Deutschland erobert, ihr biographischer Roman "Die Eismalerin" wurde hymnisch in der Presse besprochen. Sie erhielt für ihr Schaffen die höchste Auszeichnung des Landes, den "Order of the Falcon". Die Autorin lebt mit ihrer Familie in Reykjavík.


    Inhalt

    Die Isländerin Flóra verliert nach 30 Jahren im Betrieb ihren Job, weil ihre Firma sich ein jüngeres Image geben will und weil ihr männlicher Kollege scharf auf genau diesen Job war. Flóra büßt mit ihrer Arbeit schlagartig alle Kontakte zu anderen Menschen ein. Ihre Tochter lebt in Australien, ihr Sohn ist in Reykjavik mit seinem eigenen Leben beschäftigt. Schon lange vorher ausgebrannt und desillusioniert, erzählt Flóra aus der Ichperspektive vom Tiefpunkt ihres Lebens, an dem sie sich plötzlich wiederfindet. Als die Schwiegermutter ihres Sohnes anbietet, Flóra könnte in ihrem Elternhaus in den Westfjorden wohnen und im Gegenzug das Haus streichen, verspricht diese Aufgabe einen Aufschub in dem Schlamassel. Erst im nächsten Sommer würde das Haus wieder an Touristen vermietet werden und Flóra könnte bis dahin ihre eigene Wohnung untervermieten. Trotz der vernünftigen Regelung wird sie jedoch den Eindruck nicht los, dass ihre Kinder sie abschieben wollen.


    Flora kommt im drohenden Schneesturm in den Westfjorden an. Der Winter steht vor der Tür; morgens wird es erst gegen 11Uhr hell. Als Städterin ist Flora überrascht von der absoluten Dunkelheit, die hier oben herrscht. Während sie das Haus in Besitz nimmt, wird deutlich, dass Flóra eine Frau von Grundsätzen ist. „Das ging natürlich nicht“, sagt sie sich und schaufelt im nahenden Schneesturm schnell noch den Fußweg frei. Flóra hat in ihrem Leben immer Aufträge ausgeführt, sich an Regeln gehalten und getan, was Männer von ihr erwarteten. Entscheidungen getroffen und Verantwortung dafür übernommen hatten jedoch stets andere. So hatte Flóra ihren trinkenden Mann ertragen; erst ihr Sohn hatte den Vater rausgeworfen und für sie eine eigene Wohnung gesucht. Menschen wie Flóra fühlen sich leicht ausgenutzt und kriegen aus dieser Situation heraus nur schwer die Kurve.


    Flóra fühlt sich im Nordwesten Islands anfangs wie eine Einwanderin aus einem fremden Land, und im Winter scheint hier niemand freiwillig vor die Tür zu gehen. Doch als der Chor dringend Frauenstimmen braucht (sie ist offenbar in den einzigen Ort der Welt geraten, in dem der Chor Frauenstimmen sucht), setzt die Organistin Petra Flóra dankbar dafür ein, drei Arbeiterinnen der Fischfabrik die isländische Aussprache beizubringen. Die Frauen stammen aus Polen, Spanien und Ungarn, so dass sich vor Flóra drei verschiedene Schicksale und drei unterschiedliche Gesangstalente entfalten. Unter Petras Fuchtel scheint Flóra bald wieder in die vertraute Struktur zu fallen, dass andere Pläne machen und sie die Arbeit erledigt. Neben der Planung des Chorauftritts hält das Leben für Flóra einige Aufregung bereit. Als das Leben zu ihr kommt, stellt sie überrascht fest, dass auch sie ein geschicktes Händchen fürs Organisieren hat …


    Eine Icherzählerin mit geringem Talent zur Selbstkritik stellt einige Anforderungen an die Geduld der Leser. Immer sind andere Schuld, und wenn es Flóras Mutter ist, die sich früher nach Ansicht der Tochter zu stark für ihren Beruf als Botanikerin und die Frauenrechte interessierte und zu wenig für ihr Kind. Von einer 60-Jährigen mit erwachsenen Kindern hätte ich erwartet, dass sie sich inzwischen mit ihrer Mutter versöhnt hat. Dass Schicksale anderer Menschen der Icherzählerin eine neue Sicht auf ihr Leben ermöglichen, war vorhersehbar. Flóra wirkt in ihrem Selbstmitleid und ihrer unstillbaren Suche nach Anerkennung anfangs höchst anstrengend; doch irgendwo glimmt ein Funke Humor und Selbstironie in Flóra.


    Fazit

    Ein einfaches Haus an abgelegenem Ort, die Versöhnung mit dem eigenen Altern und ein Neuanfang sind bewährte Puzzlestücke aus Frauenromanen, die sich hier zur Wende in Flóras Leben fügen. Dass eine Ortsfremde auf Frauen trifft, denen die Integration ins isländische Leben anfangs schwergemacht wird, gibt dem altbewährten Motiv vom Haus auf dem Land einen modernen Anstrich.


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    :study: -- Damasio - Gegenwind

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    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Bei diesem Buch tue ich mich schwer mit einer Beurteilung, denn es hat in meinen Augen große Stärken, aber auch einige Schwachpunkte, die mich beim Lesen oft genervt haben.

    Dass ich drangeblieben bin, lag sicher zum einen am Thema. Eine Frau im Prozess des Älterwerdens, die sich neu definieren muss, da sie aus ihren gewohnten Lebenszusammenhängen hinausgeworfen wird - das finde ich spannend zwischen all den jungen oder höchstens "mittelalten" Heldinnen und Helden, die viele Romane bevölkern. Dieses Buch enthält eine geballte Ladung Lebensweisheit, die in schöner Sprache an die Leserschaft gebracht wird. Ruhig und anschaulich erzählt, erfährt man viel vom Innenleben der Hauptfigur. Deren Gedanken und Gefühle in der speziellen Lebenssituation fand ich meist interessant und nachvollziehbar.


    Anders ging es mir mit manchen Wendungen der Handlung sowie mit einigen Dialogen (z.B. gleich anfangs rund um die Chorproben oder um den Isländischunterricht), die ich als völlig unglaubwürdig und konstruiert empfunden habe. Bei vielen Dialogen wurde dermaßen mit dem feministisch-pädagogischen Zeigefinger gewunken, dass es selbst mir als erklärter Feministin zuviel wurde. Viele Reaktionen auf Geschehnisse fand ich seltsam und unglaubwürdig. Klar, ich stecke auch nicht in allen Menschen drin und weiß nicht, wie sie ticken, aber es war mir einfach zu oft der Fall, dass ich kopfschüttelnd das Buch beiseitegelegt und gedacht habe: "Das kann doch jetzt nicht sein!" Ich habe das Buch allerdings gerade auch deshalb weitergelesen, weil ich mich über die Ecken und Kanten mancher Figuren geärgert habe, gleichzeitig aber auch darüber nachdenken musste, ob es ähnliche Leute nicht vielleicht doch auch in meinem Umfeld gibt.

    Und wie lange kann man eigentlich an einem Haus streichen!?


    Dann jedoch hat das Thema des Buches mich immer wieder zur Lektüre zurückgezogen. Es ist einfach eine interessante Lebensphase, in der viele Menschen es hinbekommen müssen, sich neu zu definieren, während andere Menschen (z.B. solche ohne Kinder oder solche, die sich nicht so stark über den Job definieren) schon immer gewohnt waren, auch mal auf sich selbst zurückgeworfen zu sein, ohne dann gleich in ein tiefes Loch zu fallen. Mich hat interessiert, wie die Prota diese Herausforderung meistern wird. Ob sie es schaffen wird, sich von dem inneren Zwang zu lösen, dass man gebraucht werden muss (von den Kindern, dem Arbeitgeber, der Gesellschaft...), um wertvoll zu sein. Ob sie es am Ende geschafft hat? Da bin ich mir gar nicht so sicher... :lol:


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

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