Robert Stallman - Der Nachkomme / The Beast / The Book of the Beast

  • Der Autor (nach Wikipedia): Robert Lester Stallman war ein am 6. Januar 1930 in Kankakee, Illinois, geborener Schriftsteller, Literaturkritiker und Anglist. Er ist bekannt für „Werwelt“ (OT: Book of the Beast), eine zwischen Horror und Science-Fiction einzuordnene Romantrilogie, die in Deutschland als Fantasy vermarktet wurde. Nachdem ihr erster Band „Der Findling“ (OT: The Orphan) erschienen ist, verstarb Stallman am 1. August 1980 in Kalamazoo, Michigan, an Krebs. Von Nebula-Gewinner Charles L. Grant stammt der für Werbezwecke verwendete Ausspruch, Werwelt sei „ein zukünftiges Kleinod der modernen Fantasy“.


    Klappentext (Goldmann-TB 23813): Das Tier ohne Namen trifft auf einen Gefährten... Nachts, hoch in den Bergen – das Scharren und Schleifen ihrer todbringenden Klauen auf hartem Fels, der donnernde Widerhall ihrer Schreie im Talkessel. Tiere ohne Namen auf der Suche nach dem Anderen... Er hatte das Leben eines jungen Mannes geführt, während das Tier in seinem Inneren ihn nur gebracuhte und verbrauchte... Sie hatte als Frau gelebt, war zu ihm gereist, um ihn zum letzten Schritt seiner seltsamen Existenz aufzufordern. Durch ein gemeinsames Ziel verbunden suchten die nach den Grenzen ihres Wagemuts, nach der letzten tollköhnen Tag, die hoch auf einsamem Gipfel getan werden musste – eins zu werden... oder unter einer tosenden Woge des Schicksals das Ende zu finden.


    Der Roman „The Beast“ erschien im Original zuerst 1982 bei Pocket Books in New York. Diese Ausgabe umfasst 192 Seiten. Spätere Ausgaben führen den Roman manchmal auch als "The Book of the Beast", was eigentlich der Name der gesamten Trilogie ist. 1982 erschien die deutsche Übersetzung von Mechtild Sandberg als „Werwelt, Drittes Buch: Der Nachkomme“ als Goldmann-Taschenbuch 23813 in München. Diese Ausgabe umfasst 250 Seiten. Sie verwendet die Umschlagillustration von Don Maitz der amerikanischen Erstauflage. 1986 erschien die Trilogie als Goldmann-Taschenbuch 23900 gesammelt in dem Band „Werwelt“.


    Der Vorgängerband „Der Gefangene“ folgte den weiteren Wegen des „Tieres ohne Namen“ und führte eine ganz neue, dritte Person ein, die das Tier als menschliche Erscheinungsform auswählte, Barry Golden, dessen Geschichte aber familiär mit den Ereignissen und Personen des ersten Bandes „Der Findling“ eng verbunden war. Im zweiten Band überwog dann die Stimme des Tieres als Ich-Erzähler der Geschehnisse. Im dritten Band „Der Nachkomme“ sind dagegen vor allem die Menschen Träger der Handlung und das Tier tritt kaum als Ich-Erzähler in Erscheinung. Außerdem wird ein ganz neuer Strang mit dem tödlich an Krebs erkrankten Mittvierziger George Beaumont, genannt Bo, begonnen, der die aussichtslose Behandlung im Krankenhaus abbricht und fern seiner Heimat (und fern seiner Ehe mit Marie Louise, die nach dem Unfalltod des Sohnes Charles in Scherben liegt) in der Kleinstadt Malden nahe Boston nach Wunderheilung sucht: Dort wird er auf geheimnisvolle Weise von der jungen Frau Lilliam, genannt Lilly, gepflegt, die offensichtlich – ebenso wie Barry – mit einem eigenen „Tier ohne Namen“ verbunden ist, einem in ihrem Fall blauhäutigen Biest, das aus reiner Menschenfreundlichkeit Todkranke und Sterbende heilt, was teilweise viel Zeit und Ruhe bedarf. Lillys Tier ist offensichtlich weiter entwickelt als Barrys Tier und ist sich bereits über seinen Lebensinhalt und Lebenssinn bewusst. Gleichzeitig folgt man auch in einem zweiten Strang Barry auf einer Recherchereise zusammen mit einem jungen Indianer mitten hinein in Navajo-Land, wo er für eine Reportage Informationen zusammentragen will, die sich mit der plötzlichen Hinwendung der Navajos zum Genuss des „Rauschkaktusses“ Peyote befassen soll, wovon sie bisher immer die Finger gelassen haben. Worauf dieser völlig separat wirkende Handlungsstrang hinauslaufen wird, ist lange Zeit völlig im Unklaren. :shock:


    Insofern fühlt sich der dritte Band über weite Strecken wie ganz von den vorigen Geschehnissen losgelöst an: Die eine bekannte Figur (Barry) treiben ganz andere Themen um als bisher (Drogen / Indianer), die andere bekannte Figur (Barrys Tier) tritt kaum in Erscheinung, während man sich an ein völlig neues Set an Figuren gewöhnen muss (Bo und Lilly). Für den Leser ergibt sich daraus eine ständig anwachsende Grundspannung, wann sich denn endlich die Verbindungen zu dem in den Vorgängerromanen erschlossenen großen Ganzen ergeben – oder man springt ab und findet die neuen Abenteuer langweilig. :wink:


    Mit dem Ende des zweiten Bandes haben die Entwicklungen eine neue Stufe erreicht, die mit dem schrittweisen „Erwachsenwerden“ des Tieres ohnes Namen zu tun hat: Es genügt sich nicht mehr selbst, es genießt nicht mehr die schutzbietende Einsamkeit, sondern fühlt sich einsam. Es wünscht sich Wesensverwandte. Er träumt von Liebe. Im Hintergrund steht wohl die körperliche-seelische Entwicklung, die seine Paarung vorbereitet. Aber dazu muss es erst einmal weitere Vertreter seiner Art finden.:-,


    Der neue Strang um den sterbenskranken Krebspatientin Bo führt als neues Thema den Tod ein – und wie es die ganzheitliche Pflege von Lillys „Tieres ohne Namen“ schafft, den Tod zu überwinden. Was schon sehr traurig ist, wenn man sich vor Augen führt, dass Robert Stallman, als er dieses Buch schrieb, selber unheilbar an Krebs erkrankt war. Da erträumt sich ein Autor einen anderen Ausgang... :cry:


    Bo hat außerdem mehrere außerkörperliche Erfahrungen, in denen er seinen Körper verlässt und wie als abgespaltener, ätherischer Teil seines Wesens auf die Suche nach Lilly geht, nachdem sie spurlos verschwunden ist; eine Suche, die Bo beinahe in das Reich der Toten gelockt hätte. Ist Lilly etwa gestorben? Oder ist Bo – ohne es zu wissen – dem Geheimnis um die menschlichen Bewusstseinspartner der „Tiere ohne Namen“ auf der Spur: Handelt es sich um bereits verstorbene Menschen, die durch die Kraft des Tieres als Träger seines Bewusstseins auf Erden aus einem Zwischenreich zwischen Dies- und Jenseits hervorgeholt wurden, wo sie sich kurz nach ihrem Ableben oder weil ihre Nachkommen noch so sehr an ihnen hängen noch befinden? Jedenfalls wird bald auch klar, was Bos Geschichte mit den Ereignissen des ersten Bandes der Trilogie zu tun hat ...


    Bo informiert sich in esoterischer Fachliteratur über außerkörperliche Erfahrungen und stößt auch auf das anthroposophische Konzept des Astralleibes (Rudolf Steiner wird explizit erwähnt), einer Hülle um die Seele, die den Menschen über seinen Tod hinaus überdauert, und mittels dessen Kundige auf Seelenreise gehen können. Bei seiner Suche nach Lilly führt es Bo, der als Goldschmied arbeitet, zunächst nach St. Louis. Da er sich beginnt, für Indianerschmuck zu interessieren, verschlägt es ihn alsbald nach Arizona in ein Wüstenkaff im Indianerreservat.


    Langsam wird es offensichtlich, wie beide Handlungstränge zusammenspielen: Auch Barrys Reise zu den Navajos, bei denen er mehr über den rituellen Gebrauch des Peyote-Kaktusses zu erfahren hofft, hat mit körperlosen Reisen zu tun, die durch das psychotrope Rauschmittel Mescalin hervorgerufen werden. Außerdem steht Barrys Tier telepathisch ja mit Barrys Stieftochter Mina in Kontakt, begünstigt durch bestimmte Wetterkonstellationen bzw. Mondphasen, wo ebenfalls der Raum „zwischen zwei Seelen“ kurzgeschlossen wird. Etliche Aspekte der Handlung drängen in die gleiche Richtung.


    Der Astralleib wird dabei nicht als Erklärung für das Wesen der Tiere ohne Namen ins Rennen geführt, aber er eröffnet einen Gedankenraum für lauter vergleichbare Phänomene rund um das menschliche Bewusstein, um die Beschaffenheit der Seele und des Geistes, um widerstreitende Gefühle im Inneren und um Kräfte, größer als man selbst, um „zwei Seelen wohnen in meiner Brust“ und um das Werden einer ganzheitlichen Identität, eines erwachsenen, vielgestaltigen, abgewogenen Bewusstseins, aber auch um eine Weltanschauung bzw. um eine Gewissheit, die den Tod überwindet.


    Was die "Tiere ohne Namen" sind oder wo sie herkommen, steht dabei im Grunde außerhalb des Interesses. Sie sind einfach da, Urgewalten der Natur, und so müssen (und können) die Menschen, die in der Lage sind, sie zu spüren, mit ihnen umgehen. Ihre genaut Herkunft aufzudröseln wäre fast so langweilig wie zu klären, wieso es eigentlich Berglöwen und Bären gibt. Kann man machen, muss man aber nicht.:wink:


    An den drei Romanen der Werwelt-Trilogie gefällt mir, dass jeder Band bei dem durch die Vorgeschichte erreichten Plateau ganz neu ansetzt und unter den nun veränderten Vorzeichen die nächste Stufe einer Entwicklung ausleuchtet. Wenn der letzte Band der Trilogie den Leser auch lange hinhält und eher interessant als spannend seine Geschichte entfaltet, überzeugt mich der Abschluss der großen Geschichte doch sehr: Auf reiner Handlungsseite bekommt der Leser ein sehr melodramatisches Ende mit einer kaum zu fällenden schweren Entscheidung präsentiert, auf der lebensanschaulichen Seite öffnet Stallman seine Sinnsuche immer weiter von inneren, psychologischen Zwickmühlen (Band 1) über soziale Auseinandersetzungen durch widerstreitende Gefühlslagen oder gesellschaftliche Denkweisen (Band 2) bis hin zu einer den einzelnen Menschen in einem kosmischen Bewusstsein verankernden Perspektive (Band 3). Allumfassender kann man sich des menschlichen Bewussteins bzw. des menschlichen Daseins mit den Mitteln der Fantasyliteratur wohl kaum annehmen. Eine die Beschränkungen des Geistes durchdringende, sehr spannende, ungewöhnliche und in allen drei Bänden durchdachte Geschichte.:thumleft:

    White "Die Erkundung von Selborne" (103/397)

    Manner "Das Mädchen auf der Himmelsbrücke" (54/151)


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  • Der Roman „The Beast“ erschien im Original zuerst 1982 bei Pocket Books in New York. Diese Ausgabe umfasst 192 Seiten.

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  • Dieser deutsche Sammelband im Goldmann-Verlag, unter dem Titel "Werwelt" 1986 erschienen, enthält alle drei Bände der Trilogie, also auch Band 3 "Der Nachkomme".:)

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  • Der Roman „The Beast“ wurde auf Englisch auch unter dem Titel "The Book of the Beast" veröffentlicht, so wie hier 1982 bei Granada Books. Diese Ausgabe umfasst 224 Seiten. Aber was sich der Verlag bei diesem reißerschen, "handlungsungebundenen" Umschlagbild gedacht hat?!:loool:

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  • The Book of the Beast

    Das ist der Sammelband im Original :lol: steht hier: The Book of the Beast (omnibus) (1982)
    https://www.fantasticfiction.com/s/robert-stallman/

    Also die von mir angehängte Ausgabe ist tatsächlich nur der dritte Band, vom Umfang her etwas mehr als 200 Seiten, der eigentlich nur "The Beast" heißt. Schau zum Beispiel hier bei Goodreads. Damit es allen Käufern klar ist, läuft diese Ausgabe des dritten Bandes auch unter "The Book of the Beast: The Final Book" (zum Beispiel im Worldcat.org). So ist es auch in roten Buchstaben direkt unter den Titel mit auf den Vorderumschlag gedruckt: The Final Book. Langer Rede, kurzer Sinn: Den dritten Band gibt es im Original tatsächlich unter zwei Titeln, einmal "The Beast", einmal unter "The Book of the Beast". :winken:


    Dafür finde ich nirgends eine englischsprachige Omnibus-Ausgabe. :scratch: Ich vermute schon fast, die Liste bei Fantasticfiction.com listet den Alternativtitel des dritten Bandes fälschlicherweise als Sammelband. Weil er sich so anhört, als wäre es einer.:-k Auch in dem Fantasticfiction-Eintrag zu dem "Omnibus" steht: "Concludes the trilogy which started with The Orphan and included The Captive." Dort steht nicht: Contains the entire trilogy. Ein Sammelband dreier Romane hätte auch nicht nur 224 Seiten.

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