Tomas Bannerhed - Die Raben / Korparna

  • Verlagstext

    Ist es Irrsinn, die Einsamkeit der Wälder zu suchen?

    Småland in den 70er Jahren: Vögel sind Klas' Leidenschaft, er ist ein Vogelbeobachter. Ihr Flug ist für ihn wie eine Verheißung von Freiheit, tage- und nächtelang hält er nach ihnen Ausschau, lauscht ihren Rufen. Klas liebt die Vögel, weil er so wenigstens für kurze Zeit der schweren Feldarbeit und seinem schwierigen, zunehmend irrer werdenden Vater entfliehen kann. Klas soll später einmal den Hof übernehmen. Aber seine Träume sehen anders aus. Er sucht die Einsamkeit der Wälder und begeistert sich für die Eleganz von Raben. Spricht das für seinen eigenen Irrsinn?


    Der Autor

    Tomas Bannerhed wuchs in Uråsa, einem Dorf in der Provinz von Småland in Südschweden auf. Heute lebt er in Stockholm. Bannerhed wurde für „Die Raben“ u.a. mit dem Carl-von-Linné-Preis ausgezeichnet sowie mit dem renommierten August-Preis. Das Buch stand monatelang auf der Bestsellerliste.


    Inhalt

    Klas lebt für die Vogelwelt um sein schwedisches 200-Seelen-Dorf herum. Mit dem Fernglas des Vogelkundlers beobachtet er manchmal auch die übrige Welt und hat ein zwanghaftes Verhältnis zu Zahlen. Die Familie bewirtschaftet einen Bauernhof mit Großvieh und kennt keine Freizeit. Wenigstens einmal zusammen zum Schwimmen gehen, wenn die Heuernte eingebracht ist, wünscht sich die Mutter. Stärker als unter dem Angebundensein auf dem Hof leidet die Familie unter der psychischen Erkrankung des Vaters. Der Mann befasst sich manisch mit unnützen Dingen, schläft im Heizungskeller, hört Stimmen und scheint der Verantwortung für den Hof nicht mehr gewachsen. Die Raben aus dem deutschen Buchtitel stehen für die Stimmen, die nur der Vater hören kann. Klas' schlimmster Alptraum ist die Vorstellung, mit dem Vater allein sein zu müssen. Schon immer war der Vater ein Sonderling, seine akribische Wetterbeobachtung ähnelt verdächtig Klas' Fixierung auf die Vogelwelt.


    Klas erzählt aus der Ichperspektive von seiner schwierigen Situation. Zu jung für eine so weitreichende Entscheidung, wollte er den Hof nie übernehmen, wagte bisher nur nicht, dem schwierigen Vater die Wahrheit zu sagen. Dennoch spürt er durch die Krankheit des Vaters die Verantwortung auf sich lasten, dass der Hof nur zu halten ist, wenn er den Vater ersetzt. Diese Ängste des Zwölfjährigen sind unrealistischer als andere. Klas ist noch ein Kind und die Mutter führt den Hof mit einem erwachsenen Helfer weiter, als der Vater in die Psychiatrie eingewiesen wird. Doch die Ängste des Jungen um die eigene psychische Gesundheit sind mehr als realistisch. Der Großvater väterlicherseits war bereits ein schwieriger Mann und seine Todesumstände sollten der Familie zu denken geben. Wenn die psychische Krankheit des Vaters durch den Klinikaufenthalt nun amtlich wird, folgt für mich als Leser daraus, dass auch der Sohn eine Veranlagung dazu haben könnte. Ob er sich die Tatsache vollständig eingestehen kann, ist mir aus der beschränkten Ichperspektive eines jungen Sonderlings nicht deutlich geworden. Vor ihm zieht sich zunächst ein unendlich langer, heißer Sommer, in dem er sich zum ersten Mal für ein Mädchen interessieren wird.


    Fazit

    Die Zerrissenheit des Jungen spiegelt sich sprachlich in der Sprunghaftigkeit schneller Schnitte. Neben den faszinierenden Naturbeschreibungen beeindrucken in Bannerheds preisgekröntem Roman die verschiedenen Emotionsebenen, durch die sein jugendlicher Held sich zur Einsicht kämpft, dass auch er einmal wie der Großvater und der Vater sein wird.


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