Bruno Frank - Cervantes

  • Inhalt: Das 16. Jahrhundert bringt einen der größten Literaten Spaniens hervor: Miguel de Cervantes, bekannt als Schöpfer des Narren Don Quichotte. Doch bis diese große Gestalt der Literatur die Bühne der Welt betritt, ist Cervantes selbst Protagonist einer abenteuerlichen und bizzaren Geschichte, in der größenwahnsinnige Könige, epische Seeschlachten, Städte voller Sklaven und Zufall höchstpersönlich keine unwichtigen Rollen spielen.


    Meinung: Ist das eine Abenteuergeschichte? Ein historischer Roman? Oder eine humorvolle Biographie? Wenn ich mich für ein Genre entschieden hätte, bekäme das Buch schon nach zwanzig Seiten den Beinamen „Was für ein Blödsinn!“. Aber hier trifft Fiktion auf Fakt mit einer Prise Humor durch ganz großes schriftstellerisches Können vereinigt. Und ja, ich habe schon nach gut der Hälfte des Buches einen Blick auf Wikipedia gewagt, um mich zu vergewissern, dass das Leben des Protagonisten längst nicht so langweilig war, wie man erst vermuten sollte.


    Dabei beginnt die Geschichte gar nicht mit Cervantes selbst, sondern einem jungen Kardinal, der vom Papst beauftragt die Audienz des spanischen Königs sucht. Jener König Philipp wird mit seinen Plänen für eine Weltmacht Spanien noch häufiger auf Umwegen in den Roman und damit das Leben des Protagonisten eingreifen. Aber der Beginn steht erst einmal nur im Zeichen von christlicher Uneinigkeit – zur Einordnung: Luther ist noch nicht so lange tot – und verstorbenen Familienmitgliedern Philipps – man lese hierzu vielleicht Schillers „Don Carlos“. Wie es die Geschichte will, erreicht der Kardinal nun nicht das, was im aufgetragen wurde und was er sich erhoffte, und macht auch eine kleine Sprachdiskrepanz dafür verantwortlich. Er, ein junger und ehrgeiziger Mann, beschließt, einen Spanischlehrer zu engagieren. Natürlich handelt es sich dabei um Miguel de Cervantes, knapp über 20 Jahre, ein intelligenter, aber schüchterner Mann aus einfachen Verhältnissen.


    Allein in dieser ersten, kurzen Episode ist bereits vieles verpackt, was die Zeit ausmacht und die Menschen prägt. Gleichzeitig wird schon ein Ausblick auf den Weg des Protagonisten gegeben, denn einige Muster wiederholen sich: Es sind oft andere Menschen, die für Cervantes Fürsprache halten und ab und an auch ein utopisches Bild von ihm haben mögen. Er selbst hat etwas Heldenhaftes dadurch, dass er immer über diesen Funken an mehr Intelligenz, Erfahrung oder auch Hoffnung verfügt, aber das nicht nach außen trägt. Das ist ein sympathischer Protagonist, der seinen Umständen nicht immer entfliehen kann, was gerade im letzten Drittel ein wenig deprimierend ist.


    Ein Blick auf den Autor lohnt sich, ist Frank doch selber Soldat im ersten Weltkrieg gewesen und „Cervantes“ 1934, also nicht lange nach der nationalsozialistischen Machtübernahme in Deutschland, im Exil erschienen. Den Patriotismus zu Kriegsbeginn haben er und seine literarische Figur gemein, während beide im Grunde Pazifisten sind. Sein Roman birgt an einigen Stellen sehr deutliche Kritik am nationalsozialistischen Fanatismus und, spätestens wenn Cervantes und ein Freund „Rassenrein, rassenrein will heut‘ jeder Esel sein“ schmettern, kann man die Intention jener Worte gar nicht mehr anders verstehen.
    Als Leser merkt man, dass Frank sein Handwerk beherrscht, und lächelt deshalb auch über einige Langatmigkeiten hinweg. Gekonnt streut er zudem Perspektivverschiebungen auf den König und damit eine Öffnung hin zur weltpolitischen Situation ein.


    Fazit: In Erwartung einer kurzen, aber doch recht langweiligen Biographie, die einfach nur das Elend des 16. und 17. Jahrhunderts durchkaut, bin ich letztlich äußerst begeistert, aber es ist auch selten, dass ein Schriftsteller selbst so viel Stoff für Geschichten bietet, wie Miguel de Cervantes. Und wenn ich jetzt noch „Don Quichotte“ gelesen hätte, würde ich sicher Parallelen finden – habe ich zu meiner Schande allerdings noch (!) nicht.

    "All we have to decide is what to do with the time that is given to us."