Eric Plamondon – Taqawan

  • Kurzmeinung

    Jean van der Vlugt
    Eindrücklicher, beklemmender Noir-Polar über Rassismus gegenüber Indigenen in Kanada. Beiläufiger Schrecken!
  • Original : Französisch/Quebec, 2017


    INHALT :

    Am 11.Juni 1981 landen 300 Sicherheitspolizisten im Ristigouche-Reservat (Osten Quebecs/Kanada) und konfiszieren die Netze der dort ansäßigen Mi’kmaq, einem indianischen Volk, das nahezu ausschließlich von der Jagd und dem Fischfang lebt. Aufruhr, Widerstand, Unterdrückung – Kanada lebt seinen toten Winkel, eine vertuschte und absurde Realität.


    In diesen Umständen verschwindet eine Heranwachsende, legt ein Forstbeamter sein Amt aus Protest nieder, kommt ein alter Indianer aus seinen Wäldern und seiner Einsamkeit heraus und erlebt eine zu Gast weilende junge französische Lehrerin das Land in seiner Widersprüchlichkeit.


    Wie geht man gleich dem laichenden Lachs (= Taqawan) zur Quelle ???


    BEMERKUNGEN :

    Obige etwas seltsame Beschreibung gibt mehr oder weniger den Rahmen und die lineare Erzählung an. Im Grunde geht es um eine verdrängte Realität und eine empörende Ungerechtigkeit : diesem auf immer kleineres Gelände eingeschränkt lebende Volk der Mi’kmag (siehe auch : https://de.wikipedia.org/wiki/Mi%E2%80%99kmaq ) wird eine Lachsfischfangquota zugemutet von ein paar Tonnen, während gleichzeitig Hobby-, Sport-, und Betriebsschiffe Hunderte Tonnen ohne jedwede Beschränkung herausfischen. In 67 Mini-Kapiteln von 1 – 7 Seiten Länge entfacht sich drumherum eine Geschichte des Kampfes, der Ungerechtigkeiten, von zerbrechenden Träumen. Und eingesät in diese sich entwickelnde chronologisch erzählte Geschichte sind dann Sprengsel, Facetten von Träumen, Mythen, Legenden, Traditionen, geschichtlichen Fakten, politischen Gegebenheiten, Stories vom Fischfang usw, der Gegenwart und der Vergangenheit.


    Das alles macht den Text nicht etwa sperrig, sondern reich : man hat im besten Sinne des Wortes den Eindruck, etwas zu lernen. Die angeschlagene Sprache ist teils nüchtern, ohne Artefakt, einfach. Der Gesamteindruck hält eventuell besonders den besonderen Aufbau zurück ?


    Das alles hat mir sehr gefallen. Ich will diesen Autor gerne mal im Auge behalten.


    Aus einem Interview mit dem Autor (Quelle siehe : https://quelesen.com/2016/12/1…rview-mit-eric-plamondon/ ), eigentlich ältere Bücher betreffend, aber eben auch passend für die Vorgehensweise bei Taqawan (Spoiler um die Rezi zu kürzen, nicht weil hier ein Geheimnis offenbart wird) :



    AUTOR :

    Eric Plamondon ist ein 1969 im Quebec geborener Schriftsteller. 1992 beendete er, nach angefangenen Studien des Ingenieurswesens und der Wirtschaft, in Laval das Journalistik-Studium. Anschließen war er an der Uni in Montréalund 1995 an jener von Toronto, wo er eine Masterarbeit ablegte zum Verhältnis von Wissenschaft und Literatur in Moby Dick. 1996 folgte er seiner Freundin (und bis heute noch Partnerin) nach Bordeaux/Frankreich. Er erhielt schon verschiedene Preise für seine Bücher, so auch dieses hier vorgestellte !



    Broché: 220 pages

    Editeur : QUIDAM EDITEUR (4 janvier 2018)

    Langue : Français

    ISBN-10: 2374910784

    ISBN-13: 978-2374910789

  • Also, es gibt auch mal gute Nachrichten von der Herausgeberlandschaft! Nun wurde dieser interessante Roman (stilistisch schon was Besonderes) auf Deutsch übersetzt, und erschien vor einem Monat unter demselben Titel!


    Als Océane an ihrem fünfzehnten Geburtstag von der Schule nach Hause kommt, wird sie Augenzeugin einer brutalen Razzia. Es ist der 11. Juni 1981. Die Polizei beschlagnahmt die Fischernetze der Mi'gmaq, die seit Jahrtausenden vom Lachsfang leben. Viele werden verhaftet, es gibt Tote. Québec, ganz Kanada ist in Aufruhr. Kurz darauf findet der Ranger Leclerc ein indigenes Mädchen, das mehrfach vergewaltigt wurde. Zusammen mit dem Mi'gmaq William versucht er die Tat aufzuklären. Dabei kommen sie einem Netzwerk auf die Spur, in das auch die Polizei verstrickt ist. Taqawan, so nennen die Mi'gmaq den Lachs, der zum ersten Mal in den Fluss seiner Geburt zurückkehrt. Auch Éric Plamondon begibt sich zu den Ursprüngen: Er verwebt die Geschichte der Kolonisation Ostkanadas mit den Legenden der Mi'gmaq und ihrem Ringen um Eigenständigkeit. Ein packender Roman noir und ein faszinierender Einblick in die Lebenswelt dieser First Nation.

  • Vielen Dank, ist direkt auf die Merkliste gewandert! :winken:

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    :study: I. L. Callis - Doch das Messer sieht man nicht

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)