Bart Moeyaert - Hinter der Milchstrasse / De Melkweg

  • Verlagstext

    Oskar, sein Bruder Bossie und ihre Freundin Geesje treffen sich jeden Tag auf der Steinmauer zwischen der Milchstraße und dem Schrotthändler. Hier sitzen sie und warten, dass etwas passiert. Weil meistens wenig passiert, denken sie sich Geschichten aus: über die alte Dame z. B., die immer um sechs mit ihrem Pudel spazieren geht. So vergessen sie, dass sie selbst Probleme haben. Bis Bossie eine Wette vorschlägt, die die schmale Grenze zwischen Fantasie und Realität einreißt und Gefühle an die Oberfläche bringt, über die lange geschwiegen wurde. In seinem neuen Kinderbuch erzählt Bart Moeyaert mit beeindruckender Intensität von Ängsten, Gefühlen und Hoffnungen.


    Der Autor

    Bart Moeyaert, 1964 in Brügge geboren, zählt zu den großen europäischen Kinder- und Jugendbuchautoren der Gegenwart. Sein Debüt veröffentlichte er 1983, mit nur 19 Jahren. In seinem Heimatland Belgien vielfach ausgezeichnet, erhielt er für seinen Roman Bloße Hände 1998 auch den Deutschen Jugendliteraturpreis. Weitere internationale und nationale Preise folgten, u. a. 2006 für sein Kinderbuch Brüder (LUCHS von der ZEIT und Radio Bremen) und 2009 für seine Geschichtensammlung Mut für drei (nominiert für den Deutschen Jugendliteraturpreis). 2012 war Moeyaert bereits zum vierten Mal für den Hans Christian Andersen-Preis nominiert, den »kleinen Nobelpreis«, der alle zwei Jahre auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendliteratur vergeben wird. Für den Astrid Lindgren Memorial Award war er bereits neun Mal nominiert. Bart Moeyaerts Werk wurde in 20 Sprachen übersetzt. Der Autor lebt seit 2006 in Antwerpen und unterrichtet Creative Writing an der dortigen Royal Art School. Er schreibt außerdem Drehbücher und Theaterstücke und übersetzt aus dem Deutschen, Englischen und Französischen.

    Bei Hanser sind zuletzt Brüder (2006), Mut für drei (2008), Du bist da, du bist fort (2010) und Wer ist hier der Chef? (2012) erschienen. 2013 folgte Hinter der Milchstraße, dessen Originalausgabe 2012 mit dem Beukenleeuw für das beste niederländische Kinderbuch 2012 ausgezeichnet wurde.


    Inhalt

    In der Milchstrasse liegt hinter einer Mauer eine Schrotthandlung. Oskar und Bossie treffen sich in den Ferien hier mit ihrer Freundin Geesje und stellen sich in Gedanken vor, an der Mauer stände ihr Clubhaus. Die drei Kinder leben in einer heute ungewöhnlichen Welt ohne Termindruck, baumeln gemeinsam mit der Seele und hängen ihren Gedanken nach. Die Mutter der Brüder ist schon seit Wochen verreist, um den Wirrwarr in ihrem Kopf zu sortieren, der schriftstellernde Vater macht einen in seine eigenen Angelegenheiten versponnenen Eindruck. Regelmäßig führt eine alte Frau in roten Stiefeln ihren Hund aus an der Mauer in der Milchstrasse entlang, auf der die Kinder beinebaumelnd sitzen. Weil sie alt ist und Stiefel trägt, nennen die Kinder sie Nancy Sinatra, die auch alt ist und über Stiefel gesungen hat. Sie wetten, wer wohl zuerst sterben wird, Nancy oder ihr Hund. Die alte Frau kommt so regelmäßig, dass einige Bewohner der Straße die Tageszeit an der Frau mit den Stiefeln messen. Eines Tages bleibt Nancy Sinatra aus. Eine Person, deren Namen man nicht kennt, kann man kaum suchen. Geesje, deren Tante unheilbar an Krebs erkrankt ist, hat die rettende Idee. Die Kinder könnten Nancy Sinatra im Krankenhaus suchen. Die Umsetzung erweist sich schwieriger als gedacht; denn im Krankenhaus gibt es viele sehr alte Patienten.


    Oskar, der jüngere der beiden Brüder, wird von Gedanken geplagt, die er nur schwer aushalten kann. Zum Beispiel fürchtet Oskar, er könnte in der Mitte der Nacht verschwinden. In diesen Ferien wird Bossie klar, dass er gern mehr Distanz zu Oskar hätte, Brüder müssen sich seiner Ansicht nach nicht ständig auf der Pelle hocken. Dennoch erzählt Bossie seinem Bruder wunderbar phantasievolle Geschichten, wenn der nicht schlafen kann. Auch Geesje braucht das Verständnis der Jungs, sie möchte nicht länger Witzeleien über ihr Schielen hören. Die unbegrenzte Muße in diesem Sommer regt die drei Freunde zu sehr philosophischen Gedanken an über Leben und Sterben, über ihre Ängste und über das, was Menschen glücklich machen könnte.


    Aus dem Spott über Nancy Sinatra und ihren Hund Jeckyll wird viel zu schnell Ernst, als Geesjes Tante stirbt und Geesje eine ganze Nacht um sie weinen muss. Die Kinder überlegen sogar, ob ihre Lästerei über Nancys mögliches Sterben am Tod der Tante Schuld sein könnte.


    Fazit

    Bart Moeyart, der mit 19 Jahren bereits sein erstes Buch schrieb und mit zahlreichen Literaturpreisen ausgezeichnet wurde, findet wunderschöne Worte für das, was in diesen Kinderköpfen vorgeht.


    Zitat

    "Ich saß nur mit dem halben Hinterteil auf dem Stuhl. Mein Bein deutete in Richtung Tür und mein Kinn in Richtung Uhr über der Tür. In Gedanken stand ich schon draußen. Ich sagte: "Ich bin eigentlich schon zu spät."
    "Gehst du ohne Bossie nach draußen?", sagte er [Oskars Vater].
    "Ja", sagte ich.
    "Habt Ihr Streit?"
    "Nein", sagte ich.
    Es war das soundsovielte Mal, dass er das wissen wollte, und es war seine soundsovielte Frage hintereinander. Es wurde gefährlich. Er sah meinen Augen an, dass ich log, aber er fragte nicht nach der Wahrheit
    ." (S. 71)


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    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Meinung

    Oskar und Bossies sind Brüder. Sie haben Langeweile und sitzen mit ihrer Freundin Geesje auf der Mauer. Sie denken sich Geschichten aus. Nancy Sinatra und ihr Dackel (im Klappentext ist von einem Pudel die Rede) gehen jeden Tag um die gleiche Zeit spazieren. Eines Tages machen die Drei eine Wette.


    Ich kann die Geschichte nicht nachvollziehen. Drei Kinder sitzen auf der Mauer und beobachten die Leute. Der Dialog zwischen den Kindern hat mir sehr gut gefallen. Es hat eine Weile gedauert, bis ich merkte, daß dies alles der Fantasie entsprungen ist. Bis eines Tages etwas geschieht.


    Das Buch jongliert zwischen Wahrheit und Fantasie. So genau habe ich die Ereignisse im Krankenhaus nicht verstanden.


    Oskar, Bossie und Geesje haben jeweils einen Verlust zu verarbeiten.


    So ganz hat mich der Autor damit nicht erreicht.


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