Bina Shah - Die Geschichte der schweigenden Frauen / Before She Sleeps

  • Green City in einer fernen Zukunft. Der Ausbruch eines Virus hat ein großes Ungleichgewicht zwischen Männern und Frauen geschaffen. Um die Gesellschaft zu erhalten, macht der Staat es zur Pflicht für die Frauen, ihr Leben völlig in den Dienst der Reproduktion zu stellen. Sie gehen nicht mehr arbeiten und haben mehrere Gatten, mit denen sie so viele Kinder wie möglich produzieren. Es ist ein hartes und grausames Leben, das diese Frauen führen, aber unter ihnen gibt es auch Rebellinnen, die sich gegen die Obrigkeit auf ihre eigene Weise zur Wehr setzen.

    "Die Geschichte der schweigenden Frauen" wird aus unterschiedlichen Perspektiven von einem allwissenden Erzähler geschildert. Protagonistin ist Sabine, die nach dem Freitod ihrer Mutter noch als Schulmädchen aus dem System ausbricht und Zuflucht in der so genannten Panah findet. Die Panah ist eine Art Frauenhaus, in der all diejenigen aufgenommen werden, die nicht nur Gattin und Mutter sein wollen. Wie Prostituierte bieten sie sich reichen Klienten an. Jedoch geht es dabei nicht um Sex, sondern um etwas, das viele Männer sich aktuell nicht mehr erlauben können: Intimität und Zuneigung, ohne Körperlichkeit.

    Bina Shah erzählt in bildlichen, oft poetischen, aber auch grausam realistischen Worten aus ihrer dystopischen Welt, die sich in gewisser Weise auch auf unsere Gesellschaft übertragen lässt. Was geschieht, wenn Frauen nicht mehr länger Herrin über ihren Körper und ihre Gefühle sein dürfen? Und was wird aus Männern, die in einer solchen Welt aufwachsen? All das sind Fragen, mit denen sich der Roman beschäftigt.

    Die Charaktere sind durchweg interessant, haben aber auch ihre Ecken und Kanten. Jede und jeder von ihnen hat seine ganz eigenen Geheimnisse und Dämonen. Da ist zum Beispiel Lin, die wie eine Bordellchefin über "ihre" Frauen wacht. Die ihnen strenge Regeln auferlegt, aber auch alles tun würde, um sie zu beschützen. Oder Julian, ein junger Arzt, der sich nicht damit abfinden kann, dass er nur diejenigen retten soll, die das System für wertvoll erachtet. Sie alle wachsen einem im Verlauf der Handlung ans Herz, so dass man sie gerne noch eine Weile weiter begleiten möchte.

    Für meinen Geschmack hätte der Roman gerne noch 200 Seiten länger sein können; Bina Shah selbst schreibt in ihrem Nachwort, dass "Die Geschichte der schweigenden Frauen" ursprünglich nur ein einziges Kapitel hatte, nämlich das erste. Später dann baute sie diese Episode zu einem ganzen Roman aus. So hat die Handlung auch tatsächlich etwas Episodenhaftes - nicht, dass etwas Konkretes fehlen würde, aber dennoch erlebt der Leser nur einen kleinen Ausschnitt einer dystopischen Welt, die so erschreckend und faszinierend zugleich ist.

    Fazit: ein besonderer kleiner Roman, der am liebsten nicht enden soll :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Bina Shah - Die Geschichte der schweigenden Frauen“ zu „Bina Shah - Die Geschichte der schweigenden Frauen / Before She Sleeps“ geändert.
  • Düstere Geschichte, die zum Nachdenken anregt


    Als ich mich mit der Inhaltsangabe auseinandersetzte und mit dem Lesen begann, war ich sehr gespannt auf eine Dystopie, die laut Ankündigung in der Nachfolge anderer düsterer Werke im Stil von "The Handmaid's Tale" stehen sollte. Und ich war gespannt darauf, wie eine solche fiktive Welt innerhalb von etwas mehr als 300 Seiten (329 Seiten genau) überzeugend entwickelt werden sollte, ohne dabei entscheidende Fragen offen zu lassen oder das Ende zu schnell herbeiführen sollte.

    Die Handlung ist schnell erzählt: In Green City lebt eine, durch einen Atomkrieg extrem ausgedünnte, Bevölkerung mit Männerüberschuss, die durch extreme und persönlichkeitseinschränkende Regeln versucht, ein Aussterben der Menschheit zu verhindern. Frauen müssen sich daher mit mehreren Männern verheiraten lassen, um schnell und regelmäßig für Nachwuchs zu sorgen.
    Ein Frauenkollektiv schließt sich demgegenüber heimlich zusammen, um dem zu fröhnen, was inmitten der rechtlich vorgeschriebenen Reproduktionsbestrebungen immer mehr in den Hintergrund getreten ist: Geborgenheit. Alles immer mit dem Risiko, erwischt und hart bestraft zu werden...

    Prinzipiell also ein sehr düsterer und aufrüttelnder Inhalt, der den politisch informierten Menschen hinsichtlich der Unterdrückung der Frau auch an das ein oder andere reale Beispiel unserer Gegenwart denken lässt. Und genau dies ist es, was die Autorin vermutlich mit ihrem Buch zu erreichen versucht - und in meinem Fall auch geschafft hat. Denn obwohl die Protagonistin Sabine und auch die anderen Figuren für mich auch jetzt noch nicht wirklich greif- und nahbar sind, hat mich das Buch zum Nachdenken gebracht und die abwechslungsreiche, ohne unnötige Längen auskommende Erzählweise hat mich überzeugt und stellenweise auch gefesselt - auch wenn das Ende tatsächlich etwas schnell und plötzlich kam.
    Alles in allem aber Daumen hoch!

  • Diese Dystopie führt uns nach Green City, die Hauptstadt von Südwest-Asien. Auf den ersten Blick sieht alles paradiesisch aus, aber die Wirklichkeit ist anders. Das Verhältnis von Männern und Frauen ist nicht ausgewogen. Krieg und vorgeburtliche Geschlechtsauswahl haben die Anzahl Frauen gesenkt und nun gibt es auch noch einen Virus, der für Frauen tödlich ist. Daher wurde diese Metropole errichtet, in der die Frauen zu Gebärmaschinen für Männer werden. Für das Leben in dieser Stadt gibt es eine Menge Regeln und strenge staatliche Kontrollen. Es darf keine persönlichen Beziehungen zwischen Männern und Frauen geben, aber einige Frauen widersetzen sich diesem System. Sie bieten spezielle Dienste an: Intimität ohne Sex. Sollten sie entdeckt werden, droht ihnen die Todesstrafe.

    Es ist eine düstere Geschichte, die sich mit der bestimmenden Dominanz von Männern über Frauen beschäftigt. Auch wenn es sich um eine Dystopie handelt, so braucht man sich nur in der Welt umzuschauen und wird feststellen, dass es doch sehr realistisch ist.

    Der Schreibstil ist sehr gut zu lesen. Die Spannung, die anfangs noch da war, ging aber leider im Laufe der Geschichte etwas verloren.

    Es sind menschenunwürdige Zustände, welche die Frau hier hinnehmen sollen. Menschen sind keine Maschinen, sie haben Gefühle und Wünsche. Sie wollen entscheiden und nicht nur blind folgen.

    Werden die Frauen mit ihrem Widerstand Erfolg haben? Oder werden es wieder die Männer sein, die bestimmen, wo es lang geht?

    Das Buch ist erschreckend und macht nachdenklich.

  • Klappentext:

    In der modernen Metropole Green City, der Hauptstadt von Südwest-Asien, ist das Verhältnis von Männern und Frauen aufgrund von vorgeburtlicher Geschlechtsauswahl, Krieg und Krankheit extrem unausgewogen. Mithilfe von Gewalt und Technologie hält die Regierung die Bevölkerung unter Kontrolle, und Frauen sind verpflichtet, mehrere Ehemänner zu haben, um so viel Nachwuchs wie möglich mit diesen zu zeugen.

    Doch es gibt Frauen, die Widerstand leisten, Frauen, die sich im Untergrund zu einem Kollektiv zusammengeschlossen haben, Frauen, die sich weigern, Teil dieses Systems zu sein. In ihren nächtlichen Diensten bieten sie etwas an, das sich niemand erkaufen kann: Intimität ohne Sex.


    Autorin:

    Bina Shah studierte am Wellesley College und der Harvard Graduate School of Education. Heute lebt sie in Karachi, Pakistan, wo sie als Journalistin arbeitet. Regelmäßig erscheinen ihre Artikel über die pakistanische Gesellschaft, Politik und Frauenrechte in der "International New York Times". Außerdem schreibt sie Romane in englischer Sprache. Bisher sind vier Romane und zwei Kurzgeschichtenbände erschienen.


    Allgemeines:

    Erscheinungsdatum: 5. April 2019

    Seitenanzahl: 336

    Verlag: Golkonda

    Originaltitel: Before She Sleeps


    Eigene Meinung:

    Das Buch wird mit Margarete Atwoods “Report der Magd/ Die Geschichte der Dienerin” verglichen. Denn wie auch in Atwoods Roman ist die Freiheit der Frauen beschnitten und sie werden als Gebärmaschine genutzt.

    Nach einigen kriegen und einem darauf folgenden Virus steht die Menschheit kurz vor dem Ende. Die Regierung der Green City entwickelt einen Plan und erlässt Regeln, damit der Nachschub der Menschheit gesichert ist. Frauen bringen die Kinder auf die Welt. Eine Schwangerschaft ist das höchste Gut. Treibt man ab oder gefährdet diese sonst wie, wird man bestraft. Weigert sich die Frau mehrere Ehemänner zu heiraten, wird sie bestraft. Stellt sie sich sonst wie gegen das System, wird sie bestraft. Die einzige Möglichkeit dem zu entfliehen ist Selbstmord.

    Doch es gibt einige Frauen, die gar nicht im System eintauchen und die in einer Welt voller synthetischer Drogen und Roboter, in denen die Bewohner Green Citys so stillgehalten werden, gerade den Männern Schutz und Geborgenheit anbieten.


    Mich konnte der Roman leider nicht ganz fesseln. Die Grundidee dahinter ist durchaus spannend und hat mich angesprochen. Doch die Geschichte entfaltet sich in meinen Augen zu sperrig und konzentriert sich eher auf das Geschehen um Sabine und weniger um das, was im Klappentext beschrieben wird. Es passiert in meinen Augen zuviel nach Script und man wird nicht unbedingt überrascht, was mir beizeiten schon ein wenig langweilig war. Die Charaktere sind zwar weitesgehend ausgearbeitet, dennoch fehlte mir die Tiefe und einige Motive konnte ich deswegen nicht immer nachvollziehen. Da ging mir manche Entwicklung zwischen den Protagonisten zu schnell, als dass ich das für glaubwürdig erachten konnte. Zudem bleiben gegen Ende viele Fragen offen, reizen mich allerdings jetzt auch nicht so, dass ich da lange drüber nachdenken würde.


    Fazit: Eine dystopische, Frauen unterdrückende Welt, die mir leider nichts Überraschendes geboten hat. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

  • Nach einem Atomkrieg und einem Virus, der viele Frauen tötete, ist man bemüht, die Bevölkerungszahl wieder zu steigern. Frauen werden daher mit bis zu sechs Männern verheiratet und durch Medikamente wird ihre Fruchtbarkeit gesteigert – ihr Leben wird ausschließlich zu dem einer Gattin und Mutter. Dieses Leben möchten nicht alle führen, und so gibt es eine geheime Organisation, die Panah, zu der sich junge Mädchen, bevor sie Gattinnen werden, flüchten können. Ihren Lebensunterhalt bestreiten diese Frauen damit, dass sie Männern, in der Regel solchen, die in gehobenen Positionen sind und damit einen gewissen Schutz gewährleisten können, Intimität ohne Sex bieten, sie z. B. beim Einschlafen im Arm halten.


    Eine Dystopie, von einer pakistanischen Autorin geschrieben und in Asien angesiedelt, das interessierte mich sehr, und der Start in den Roman sprach durchaus für sich. Erzählt wird aus verschiedenen Perspektiven, eine davon als Tonbandaufzeichnung. Zunächst sind es nur Frauen, später auch Männer, die zu Wort kommen.


    Leider entwickelt sich der Roman dann anders als erhofft, und im letzten Drittel habe ich wirklich nur noch den Kopf geschüttelt, mir fehlte es u. a. immer mehr an Logik, die Erzählung wird sehr langatmig, ich konnte viele Handlungen nicht mehr nachvollziehen und das Ende ist äußerst unbefriedigend. Statt einer interessanten Dystopie mit Spannung und echter Rebellion artete das Ganze u. a. zu einer blassen Liebesgeschichte aus. Ich hätte lieber, wie zu Beginn, mehr über die Frauen erfahren und ihre Beweggründe, über ihr Leben im Untergrund und über etwas, das mehr in Richtung Rebellion geht. Am Ende habe ich mich auch gefragt, warum die Frauen nicht direkt ins Nachbarland geflüchtet sind. Keiner der Charaktere kam mir wirklich nah, auch nicht Sabine, und auch ihre Charakterisierungen fand ich wenig stringent.


    Nach einem guten Start verliert der Roman zunehmend, es kommt keine Spannung auf, die Logik schwindet, die Charaktere handeln nicht nachvollziehbar, und die Geschichte driftet in eine Richtung, die mir nicht behagt. Leider kann ich nur 2 Sterne vergeben und keine Leseempfehlung.