Bela B Felsenheimer - Scharnow

  • Zum Autor:

    Bela B Felsenheimer, mit bürgerlichem Namen Dirk Felsenheimer, ist den meisten als Schlagzeuger der Band Die Ärzte bekannt.

    Felsenheimer kann aber noch mehr, s.

    https://de.wikipedia.org/wiki/Bela_B


    Klappentext (Quelle: amazon):

    In Scharnow, einem Dorf nördlich von Berlin, liegt der Hund begraben. Scheinbar. Tatsächlich wird hier aber gerade die Welt gewendet: Schützen liegen auf der Lauer, um die Agenten einer Universalmacht zu vernichten, mordlustige Bücher richten blutige Verheerung an und mittendrin hat ein Pakt der Glücklichen plötzlich kein Bier mehr. Wenn sich dann ein syrischer Praktikant für ein Mangamädchen starkmacht, kann auch die Liebe nicht weit sein.

    Sein erster Roman, aber nicht sein erstes Hörbuch: Bela B ist als Sprecher genauso begabt wie als Schlagzeuger.


    Mein Lese- und Höreindruck:

    Bela B Felsenheimer kann erzählen – unbestritten! Er beobachtet sein Umfeld und sammelt kuriose Erlebnisse, die er ursprünglich in einer Sammlung von Kurzgeschichten literarisch verarbeiten wollte. Herausgekommen ist dieser Roman, der sich keinem Genre zuordnen lässt, sondern sich munter von einer Episode zur andern bewegt.


    Eine Zusammenfassung des Inhalts ist kaum möglich. Der Autor entwirft mehrere Handlungsstränge, die er mehr oder weniger verknüpft; einen stringenten Plot darf man also nicht erwarten.


    Eine Unzahl an Personen bevölkert den Roman, und das fünfeinhalbseitige Personenverzeichnis zu Beginn ist wohl eher als Witz gedacht. Ich habe kein einziges Mal nachschlagen müssen, die Personen sind alle klar konturiert und können nicht verwechselt werden.

    Die Personen sind, bis auf wenige Ausnahmen, alle recht durchgeknallt und jeder, auf seine eigene Weise, ein Außenseiter. Da ist zum Beispiel der verkannte Superheld, der eine Krebsdiagnose erfährt und fliegend Schornsteine zertrümmert. Oder der Polizist, der sich mit den Dieben verbrüdert in der gemeinsamen Liebe zu Kannibalenfilmen. Oder die Aussteigergruppe „Pakt“, die den örtlichen Klein-Discounter überfällt – nackt, um eine Identifizierung zu erschweren. Oder die verlassene Ehefrau, deren Hündin Cloudy die Schwester von Obamas Hund Bo ist und daher einem "politischen" Attentat zum Opfer fallen muss, so wie auch Gregor Gysis ehemalige Katze.

    Dann gibt es da noch das schwule Eichhörnchenpaar, ein gewalttätiges Buch, Verschwörungstheoretiker und außerirdische Weltenlenker, telepathische Tiere, und und und.

    Überbordend und phantasievoll werden hier Abstrusitäten aneinandergereiht, Tragisches wird mit Komischem vermengt, und sogar eine junge Liebe, schüchtern und zärtlich, darf aufkeimen.

    Diese Fülle an Personen wird vom Erzähler rein assoziativ miteinander verschränkt, indem er sich von einer Episode zur nächsten treiben lässt, sodass schließlich ein dichtes Beziehungsgeflecht entsteht.


    Aber in einem erweist sich der Erzähler als eher altmodisch und der alten Schule verpflichtet: Er stabilisiert seine Erzählung mit präzisen Zeitangaben (der Tag danach, 3 Tage danach, 14 Tage später). Ein weiterer Faktor beruhigt die Erzählung: die Fülle von Einzelhandlungen spielt in nur einem Ort, und zwar in Scharnow, einem fiktiven Ort im Brandenburgischen, in dem angeblich nichts passiert und in Wirklichkeit doch so viel passiert.


    Das Ganze wird präsentiert in einer leichtfüßigen Sprache, locker, mit Sprachwitz und Sinn für Ironie.

    Und beim Hörbuch zeigt es sich, dass der Autor auch wunderbar lesen kann.


    Trotzdem: das Buch endet schließlich mit einer Art Himmelfahrt (gibt es sie doch, diese außerirdischen Weltenlenker?), und spätestens dann überlegt der Leser, ob dieses Feuerwerk an Chaos, Abstrusität, Originalität und Witz, an Assoziationskunst und Ironie einen Roman auf Dauer tragen kann.


    Fazit: ein unterhaltsamer, kurzweiliger, witziger und spritziger Roman. Das ist es dann allerdings auch.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:





    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).