Die Autorin:
Dr. Melanie Metzenthin wurde 1969 in Hamburg geboren, wo sie auch heute noch lebt. Als Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie hat sie einen ganz besonderen Einblick in die Psyche ihrer Patienten, zu denen sowohl Traumatisierte als auch Straftäter gehören.
Bei der Entwicklung ihrer Romanfiguren greift sie gern auf ihre beruflichen Erfahrungen zurück.
(Quelle: amazon.de)
Zum Inhalt:
Gut Mohlenberg, 1920: In der Einrichtung für psychisch kranke Menschen kümmert die junge Medizinerin Friederike von Aalen sich liebevoll um die Patienten. Einer von ihnen ist Friederikes Mann Bernhard, der nach einer Hirnverletzung im Krieg ihre besondere Zuwendung braucht. Der schneidige Leutnant von einst erinnert sich an vieles nicht, aber mit seiner Frau verbindet ihn noch immer eine tiefe Liebe.
Da geschehen in der Gegend kurz hintereinander zwei grausame Morde. Man ist schnell bei der Hand mit den Verdächtigungen: Es muss einer der »Geisteskranken von Mohlenberg« gewesen sein! Doch Friederike würde für ihre Patienten die Hand ins Feuer legen und stellt heimlich eigene Nachforschungen an. Was weiß Walter Pietsch, der Mann mit den schlimmen Verbrennungen, den sie vor Kurzem erst eingestellt haben? Und welche Rolle spielt der hochintelligente, aber kühle Dr. Weiß? Zu spät begreift Friederike, dass sie mit ihren Fragen sich selbst und die Menschen in ihrer Nähe in große Gefahr gebracht hat…
(Quelle: amazon.de)
Meine Meinung:
Mit „Mehr als die Erinnerung“ hat Melanie Metzenthin nun den dritten Roman vorgelegt, der sich mit dem Thema der Psychiatrie zu Zeiten des (dräuenden) Nationalsozialismus mit seinen kranken Vorstellungen von „lebensunwertem“ Leben befasst.
Obwohl der aus früheren Romanen bekannte Richard Hellmer („Im Lautlosen“ und „Die Stimmlosen“) hier einen Gastauftritt hat, knüpft das Buch in der konkreten Handlung nicht weiter an diese beiden Romane an, in der Thematik aber sehr wohl. Auch in „Mehr als die Erinnerung“ begibt man sich ins Innere diverser Heil- und Pflegeanstalten für geistig Behinderte, Kriegsversehrte und angeblich hysterische junge Damen aus gutem Hause. Melanie Metzenthin, selbst Psychiaterin und in Medizin- und Psychiatriegeschichte bestens bewandert, lässt ihre Leser*innen hinter die Kulissen dieser sehr unterschiedlich geführten Anstalten blicken, wobei große Menschlichkeit und tiefste Abgründe einander gegenüberstehen. Viele Behandlungsmethoden dieser Epoche ließen mich ebenso erschaudern wie die Einblicke in den Kriegsalltag rund um Schützengräben, Senfgasangriffe, Explosionen und die physischen und psychischen Folgen der Geschehnisse für die betroffenen Soldaten.
Wie auch in „Im Lautlosen“ und „Die Stimmlosen“ wird die Handlung von einer alles überstrahlenden Liebesbeziehung geprägt, die die angehende Ärztin Friederike mit ihrem im Krieg schwer verletzten Mann Bernhard verbindet. Das Verhältnis der beiden, wie die Autorin es schildert, hat mich berührt – aber hier ist Melanie Metzenthin für meinen Geschmack ein wenig übers Ziel hinausgeschossen. Hochbrisante ethische Fragestellungen sind ihr ein Anliegen, und dass idealistisch geprägte Antworten darauf sich v.a. in der Praxis zu bewähren haben, liegt auf der Hand. Ihre Protagonistin Friederike ist mir aber gar zu sehr ein Engel, eine idealisierte Heldin, eine Heilige. Es fällt mir schwer, der Figur abzunehmen, dass sie nie oder nur höchst selten verzweifelt oder am Ende ihrer Kräfte ist, das Schicksal verflucht, ausbrechen möchte. Und wo ich der Autorin bei den beiden ersten Büchern zu dieser Thematik den gelegentlich ein wenig erhobenen moralischen Zeigefinger noch verziehen habe, wurde es mir bei diesem Roman dann doch gelegentlich zu viel des humanistisch-christlichen Pathos.
Dennoch möchte ich unterstreichen, dass ich die Thematik des Buches für außerordentlich wichtig halte und der Autorin dankbar dafür bin, dass sie sie so sachlich fundiert, spannend aufbereitet und flüssig geschrieben einem breiten Lesepublikum zugänglich macht.
Ich werde gern weitere Romane von Melanie Metzenthin, die sich in diesem thematischen Umfeld bewegen, lesen, auch wenn mich die pastellig-floralen Cover eher abschrecken. Aber wozu gibt es eBooks?
Das Buch erscheint im Mai 2019; ich durfte mich über ein Vorab-Exemplar von Netgalley freuen.