Amy Liptrot - Nachtlichter / The Outrun

  • Kurzmeinung

    Nilu
    Man erhält tiefe Einblicke in die Seele u. den Leidensweg der Erzählerin. Dazu Natur pur!
  • Kurzmeinung

    tom leo
    Thematisch gut, sprachlich, (auf Französisch gelesen?!) für mich weniger überzeugend.
  • Verlagstext

    Die ursprüngliche Kraft einer einzigartigen Landschaft lässt alte Wunden heilen: Mit Anfang dreißig spült das Leben Amy Liptrot zurück an den Ort ihrer Kindheit - die Orkney Islands, im dünn besiedelten Schottland wohl die abgelegenste Region. Hier schwimmt die britische Journalistin morgens im eiskalten Meer, verbringt ihre Tage als Vogelwärterin auf den Spuren von Orkneys Flora und Fauna und ihre Nächte auf der Suche nach den »Merry Dancers«, den Nordlichtern, die irgendwo im Dunkeln strahlen. Und hier beginnt sie nach zehn Jahren Alkoholsucht wieder Boden unter den Füßen zu gewinnen. Mit entwaffnender Ehrlichkeit erzählt Amy Liptrot von ihrer Kindheit, ihrem Aufbruch in die Stadt, nach Edinburgh, weiter nach London. Vom wilden Leben, dem Alkohol, dem Absturz. Vom Entzug und der Rückkehr zu ihren Wurzeln auf Orkney, wo sie der Natur und sich selbst mit neuen Augen begegnet.


    Die Autorin

    Amy Liptrot ist auf den Orkneyinseln aufgewachsen. Als Journalistin schreibt sie für verschiedene britische Magazine. Das Memoir NACHTLICHTER, ihr erstes Buch, begeisterte Leser wie Presse gleichermaßen, stand wochenlang auf den britishen Bestsellerlisten und wurde u.a. mit dem Wainwright Prize for Best Nature and Travel Writing sowie dem PEN Ackerley Prize für autobiografisches Schreiben ausgezeichnet.


    Inhalt

    Amy Liptrots Mutter kann ihrem Mann noch ihre neugeborene Tochter zeigen, bevor er von der Hauptinsel der Orkneys aufs schottische Festland in eine psychiatrische Klinik ausgeflogen wird. Der verstörende Prolog zu Liptrods biografischem Roman zeigt, zwischen welchen Extremen die Autorin aufgewachsen ist. Ihre Eltern stammten nicht von den Orkneys und wagten dennoch eine Existenzgründung als Schafzüchter in der Nähe des Steinzeitdorfs Skara Brae. Amy und ihr jüngerer Bruder verlebten eine idyllische Kindheit zwischen einer extrem religiösen Mutter und einem seit seiner Jugend manisch-depressiven Vater, die spätestens mit Amys Pubertät ein abruptes Ende findet. Amys Traum von Komfort, Glamour und einem Leben in der Großstadt endet in Alkoholabhängigkeit mitten in der Londoner Künstler- und Musikerszene. Früh ahnt sie, dass diese Szene ihr Verderben sein wird.


    Nach einer anstrengenden ambulanten Therapie kehrt Liptrot schließlich auf die Inseln zurück, um mit einer selbst verordneten Prüfung in Einsamkeit ihrer Sucht zu trotzen. Anfangs zählt sie die Tage, die sie ohne Alkohol übersteht. Erst die heimatlichen Inseln lassen Liptrot die Gemeinsamkeit von Manie und Sucht in ihrer Familienbiografie erkennen. Die Arbeit auf der Farm vermittelt Amy wieder Selbstachtung; schließlich hat sie Erfahrung darin, seit die Kinder in Krankheitsphasen des Vaters gemeinsam mit der Mutter den Hof managten. Eine befristete Arbeit als Vogelforscherin zeigt Amy als überraschend kompetente Expertin in Geschichte und Ökologie der Inselgruppe, der ich von diesem Punkt an leidenschaftlich wünschte, dass sie auf den Inseln eine Lebensgrundlage finden würde. Die titelgebenden Nachtlichter sind leuchtende Nachtwolken (NLC), ein neu entdecktes meteorologisches Phänomen, mit dem Amy sich auf der Insel befasst.


    Liptrots Suche nach den Spuren einer belasteten Kindheit fügt eine schonungslose Alkoholiker-Biografie mit ihrer kompetenten Bestandsaufnahme zusammen vom aktuellen Leben auf einer abgelegenen Inselgruppe. In Zeiten des Internets und der Energiegewinnung aus Wasser- und Windkraft könnten nach einer Phase der Abwanderung die Inseln in Schottlands hohem Norden zukünftig wieder mehr Menschen Arbeit bieten. Die schlüssige Darstellung regionaler Traditionen und ökologischer Zusammenhänge bis zu Anekdoten über Schiffswracks und Strandgut fügen sich zum zeitgemäßen Bild eines Insellebens an Europas nordöstlichem Rand.


    Fazit

    Ganz ohne Romantisierung und Larmoyanz kann Amy Liptrots Biografie einer Inselbewohnerin Naturliebhaber, Schottlandfans und Biografienleser gleichermaßen fesseln.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Toibin - Long Island

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Das Original

    280 Seiten
    Verlag: Canongate Books Ltd.; Auflage: Main ed. (4. August 2016)
    Sprache: Englisch
    ISBN-10: 178211548X
    ISBN-13: 978-1782115489

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Toibin - Long Island

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Ich entdecke verspaetet den Fred zu einem Buch, das ich noch unuebersetzt glaubte. Meine Meinung faellt anders aus. Thematisch spricht mich das Buch theoretisch an, doch sprachlich nicht:


    Amy Liptrot gewann mit diesem Buch mehrere Preise und Anerkennung in England und schon anderswo. Sie erzaehlt wohl ihre eigene Geschichte: Kindheit auf den Orkaden-Inseln, zwischen innerem Bezug zur wilden Natur hier im hohen Norden, aber auch dem Wunsch nach anderer Weite. Frueh sucht sie das Leben in London, wo ihre schon fruehe Alkoholabhaengigkeit immer groessere Ausmasse annimmt. Dieser innere Zerfall zieht sich ueber viele Seiten. Dann sucht sie Hilfe bei den AA und einem Entzugsprogramm. All das in der Vergangenheit erzaehlt, und fuer mich merkwuerdig distanziert. Als ob es mich nicht wirklich anruehrt... Es mag aber sein, dass es daran liegt, dass ich das Buch auf Franzoesisch las? Oder nicht genuegend gestrafft wurde?


    Die Erzaehlzeit wechselt ins Praesenz als sie auf die Orkaden zurueckkehrt. Heilwerden an und in der Natur? Rueckkehr zum... Wesentlichen? Alte Themen, die derzeit oefter auftauchen. Doch nach dem ersten Drittel lege ich das Buch beiseite.


    Es mag andere interessieren...

  • Mir hat das Buch gut gefallen. :)


    Zwar liegt das Leben, wie es die Autorin in London geführt hat, mir fern wie nur irgendwas - und zum Glück wurden diese Kapitel ja auch bald zugunsten des Orkney-Abschnitts beendet und nur noch in Rückblenden aufgegriffen. Aber ich muss sagen, dass ich die Beschreibung des Weges, den die Autorin zurücklegen musste, um nach der Alkoholsucht (wieder) ihre Umgebung und ihr eigenes Selbst wahrnehmen und würdigen zu können, gern mitverfolgt habe. Selten habe ich so scharf und ungeschönt analysiert bekommen, und dabei auch noch flüssig zu lesen, was die Sucht in alkoholkranken Menschen emotional genau macht, welchen Trugbildern man da nachjagt und wie es sich anfühlt, wenn man sich einen Weg aus der Sucht heraus erkämpft. Das wird bei mir sicher noch länger nachhallen.

    Außerdem hat mir gefallen, dass die Autorin ihre Familie, ihren Exfreund und andere nahestehende Menschen nur dezent erwähnt und nicht gundsätzlich schlecht darstellt - ich denke, ihre Familie kann auch nach der Lektüre des Buches die Autorin noch mögen und braucht keine Unterlassungsklagen einzureichen. :wink:


    Und ja, die Orkneys... Nach Lars Myttings Roman "Die Birken wissen's noch" weiß ich jetzt gar nicht, ob ich zuerst die Shetlands oder zuerst die Orkneys bereisen möchte oder doch einfach beide Inselgruppen... :lol: Die langen Darstellungen über Geologie, Geschichte, Klima und Fauna der Orkneys sowie die Umbrüche in der Lebensweise ihrer BewohnerInnen habe ich mit großem Interesse und Genuss gelesen.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5: gibt es von mir, weil manche Passagen vielleicht doch ein wenig Straffung vertragen hätten und das Korrektorat bei einer Neuauflage gern ein paar Kommas an andere Stellen verschieben darf. :winken:

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • Amy Liptrot ist eine britische Journalistin und Autorin. In Nachtlichter erzählt sie von ihrer jahrelangen Alkohol- und Drogensucht und wie sie auf die Inseln ihrer Jugend zurückkehrte, um endgültig davon loszukommen.


    Amy Liptrot hat die beste Entschuldigung für ihre Sucht. Ihr Vater leidet unter Depressionen und seit sie sich erinnern kann, waren sie und ihre Geschwister Zeugen der unterschiedlichen Phasen seiner Krankheit. Aber sie versteckt sich nicht hinter ihrer Familiengeschichte. Vielmehr erzählt sie, wie sie schon als Jugendliche auf Orkney immer wieder zu viel getrunken hat. Damals war das aber nicht schlimm, weil alle Jugendlichen das ab und zu machten. Später in London konnte sie den Punkt nicht genau festlegen, an dem aus dem Trinken am Wochenende die Sucht wurde, die ihr Leben fast zerstört hätte.


    Ohnehin kann sie viele Erinnerungen aus ihrer Zeit in London nicht festlegen. Sie hat einfach keine Erinnerungen daran und dazu steht sie auch. Es g ab einen Partner, der vieles mitgemacht hat. Der hat sie verlassen, als es zu viel für ihn wurde. Selbst das hat sie wie durch einen Schleier erlebt. Zu echten Gefühlen war sie zu diesem Zeitpunkt nicht mehr fähig.


    Der Entzug ist hart, aber sie hält durch. Die Zeit danach ist härter, denn sie findet in London keinen Job, keine geeignete Wohnung und keine Freunde, die nicht in irgendeiner Weise abhängig sind. Also geht sie zurück nach Orkney und setzt sich ein Limit: wenn sie nach einem Jahr noch keinen Erfolg hat, wird sie wieder mit dem Trinken anfangen.


    Amy ersetzt Alkohol und Tabletten mit Natur und Einsamkeit. Das, was manche Menschen in die Sucht treibt, wird ihre Rettung. Sie zieht nach Papa Westray, der entlegensten Insel auf den Orkneys. Dort beobachtet sie Vögel und den Himmel und geht im Meer schwimmen. Sie ist angekommen. Oder, wie sie geschrieben hat "Ich habe Diskolichter mit Nachtlichtern vertauscht und bin immer noch von Tänzern umgeben."


    Nachtlichter hat mich gleich auf der ersten Seite abgeholt und auch nach dem Lesen lange nicht losgelassen. Am liebsten hätte ich direkt einen Flug auf die Orkneys gebucht, ich war schon viel zu lange nicht mehr dort.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: