Yu Hua - Schreie im Regen / Zai xiyu zhong huhan

  • Verlagstext

    »Schreie im Regen« zeichnet ein meisterhaftes Porträt eines vergessenen, verdrängten Chinas vor dem großen Aufschwung.

    Sun Guanglin wächst auf in einem kleinen chinesischen Bauerndorf. Es sind die 60er-Jahre, vom Aufschwung ist noch nichts zu spüren. Er ist ein Außenseiter, wird von der Dorfgemeinschaft wie von der Familie misstrauisch beäugt, und so verlegt er sich auf das Beobachten. Von seinem Lieblingsplatz am Teich aus sieht er, wie sein großer Bruder den Mädchen nachstellt und sein roher Bauernvater die Mutter schikaniert. Doch selbst im alltäglichen Elend Sun Guanglins blitzen Glanzlichter kindlichen Glücks und erstaunlicher Komik auf. Auf der Schwelle zur chinesischen Moderne finden sich zwischen Stadt und Land überraschende, flüchtige Momente der Geborgenheit.

    Der Autor

    Yu Hua ist während der Kulturrevolution aufgewachsen und hat fünf Jahre als Zahnarzt praktiziert, bevor er Schriftsteller wurde. Die Darstellung der gesellschaftlichen Wirklichkeit in ›Schreie im Regen‹, Yu Huas ersten Roman, brach alle Tabus und war bei seinem Erscheinen in China eine Sensation. Seitdem ist er einer der wichtigsten Gegenwartsautoren Chinas. Auf Deutsch sind von ihm erschienen ›Leben‹ (1998), der von Zhang Yimou verfilmt wurde, ›Der Mann, der sein Blut verkaufte‹ (2000), der Welterfolg ›Brüder‹ (2009), der Essayband ›China in zehn Wörtern‹ (2012) und zuletzt ›Die sieben letzten Tage‹ (2017). Yu Hua wurde 1960 in der ostchinesischen Provinz Zhejiang geboren und lebt in Peking.


    Inhalt

    Sun Guanglin wächst in den 60ern mit zwei Brüdern im kleinen Reisbauerndorf Nanmen auf. Die Brüder vereint ihr mittlerer Name Guang, Guangping ist der ältere der drei, Guangming der Jüngste. Völlig überraschend für Guanglin wird er eines Tages von einem dunkel gekleideten Fremden aus dem Dorf abgeholt, für den er in der Stadt im Haushalt arbeiten und der ihn dort zur Schule schicken wird. Guanglin wird gesagt, seine Eltern hätten ihn verschenkt. Fünf Jahre später kehrt der Junge in sein Dorf zurück, in dem er sich von nun an fremd wie ein adoptiertes Kind fühlt. Im Rückblick lässt sich vermuten, dass Guanglins Eltern ihr Kind als Arbeitskraft an den Mann aus der Stadt verkauft haben.


    Guanglin erzählt aus seiner Kindheit mit dem Blick eines sensiblen Sechsjährigen, der vermutlich viele Erlebnisse noch nicht einordnen konnte. Der Rückzugsort des Jungen ist der Dorfteich, von dem er vieles beobachtet, das nicht für Kinderaugen und -ohren bestimmt ist. Es entsteht vor allem das Bild eines neidzerfressenen, gierigen und lüsternen Vaters. Völlig gegensätzlich zu seinen Erlebnissen beobachtet Guanglin bei der neu aus der Stadt zugezogenen Familie Su, dass Eltern und Kinder auch ein inniges, vertrauensvolles Verhältnis zueinander haben können. Das Bild des Vaters Su, der fröhlich klingelnd mit seinen Söhnen vorn und hinten auf dem Dienstfahrrad des Krankenhauses herumkurvt, wird fortan Guanglins Traum von Familie sein. Leser der Gegenwart werden in dieser Szene die bescheidenen Lebensverhältnisse bemerken: Dr Su hat kein eigenes Fahrrad, beim Umzug schiebt Su die Hälfte des Hausstands seiner Familie selbst im Karren. Obwohl der ältere Bruder Guangping stets die Führerrolle beansprucht hat, scheint ihm das im Rückblick nicht für ein erfolgreiches Leben genügt zu haben, während Guanglin für alle überraschend die Aufnahmeprüfung für die Universität in Beijing schaffen wird.


    Yu Huas Roman einer harten Kindheit wird von Sun Guanglin in der Ichperspektive erzählt, in die allmählich der veränderte Blick des erwachsenen Erzählers einfließt. Guanglin berichtet, er wertet nicht. Das Entsetzen über seine lieblose, trostlose Kindheit entsteht dabei allein in der Vorstellung des Lesers. Verfasst wurde „Schreie im Regen“ 1991 und zunächst in einer Zeitschrift veröffentlicht. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung stand China am Anfang einer bemerkenswerten technischen und gesellschaftlichen Veränderung, die im Vergleich zu Europa praktisch eine Generation übersprungen hat. Ein Sprung wie aus der einfachen Hütte ohne Zwischenstufe direkt in die Hochhauswohnung mit Klimaanlage. Den Rückentext des Romans, Yu Hua würde hier von einem vergessenen China erzählen, kann ich so nicht unterstützen. Kinder von Wanderarbeiten in den Städten und Kinder in abgelegenen Dörfern wachsen bis heute in bescheidensten Verhältnissen auf – und die Erlebnisse der wie Guanglin in den 60ern geborenen Eltern haben die folgende Generation entscheidend geprägt.


    Fazit

    Ein hartes Schicksal, für das Leser bereit sein sollten.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Buchdoktor

    Hat den Titel des Themas von „Yu Hua - Schreie im Regen / Zai xiyu zhong huhan / 呼喊與細雨 R“ zu „Yu Hua - Schreie im Regen / Zai xiyu zhong huhan / 呼喊與細雨“ geändert.
  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Yu Hua - Schreie im Regen / Zai xiyu zhong huhan / 呼喊與細雨“ zu „Yu Hua - Schreie im Regen / Zai xiyu zhong huhan“ geändert.