Garth Risk Hallberg - City on Fire / City on Fire

  • Verlagstext

    Von Garth Risk Hallberg - der neuen Stimme der amerikanischen Gegenwartsliteratur – der große, überwältigende Roman über New York City

    New York City, Neujahr 1977. Ein Schneesturm zieht über die Stadt, Feuerwerk erleuchtet den Himmel und im Central Park fallen Schüsse. Die Ereignisse der Nacht bringen eine Gruppe unvergesslicher Figuren zusammen: Die schwerreichen Erben William und Regan Hamilton-Sweeney, Mercer, der am großen amerikanischen Roman schreibt, die Punk-Kids Sam und Charlie aus der Vorstadt, den besessenen Magazin-Reporter Richard und den Cop Larry. Sie alle leben und lieben hier, in der großen Stadt, die bankrott und gefährlich ist und zugleich vor Energie platzt. Als dann am 13. Juli 1977 die Lichter ausgehen, gerät New York City in den Ausnahmezustand – und nach dem Stromausfall ist kein Leben wie zuvor. Ein großer Roman über Liebe, Betrug und Vergebung, über Kunst, Wahrheit und Rock’n’Roll mitten in New York City - kunstvoll, überbordend, außergewöhnlich.


    Der Autor

    Garth Risk Hallberg lebt mit seiner Familie in Brooklyn. Er zählt zu den „Best New American Voices“, seine Erzählungen und Essays sind in zahlreichen Magazinen und Zeitungen erschienen. Sein Buch “Ein Naturführer der amerikanischen Familie“ (2007) war für den Believer Book Award nominiert. „City on Fire“ ist sein erster Roman und wird in 18 Ländern erscheinen.


    Inhalt

    In der Silvesternacht des Jahres 1976 wird im New Yorker Central Park eine junge Frau durch Schüsse schwer verletzt. Der Vorfall ereignet sich in Sichtweite einer der besten Wohn- und Geschäftslagen der Stadt am Central Park West. Um den Fall zu klären, müssen Samanthas Verbindungen zu anderen Personen entwirrt werden – aber niemand in dieser Geschichte hält alle Fäden in der Hand. Als einer der ersten Helfer erreicht Mercer Goodmann den Tatort, ein junger schwarzer Lehrer aus dem ländlichen Georgia, der vor kurzem erst frisch nach New York gezogen ist. Mercers Zeugenaussage bringt ihn in Schwierigkeiten; denn was hätte ein Afroamerikaner im Smoking dort nachts im Park zu suchen? Mercer lebt mit William Hamilton-Sweeney III. zusammen, einer schillernden Figur aus eben der wohlhabenden Unternehmer-Dynastie, die in dieser Nacht gegenüber dem Central Park feierte. William hat sich als homosexueller Punk-Musiker und Künstler diverser Kunstrichtungen bereits früh ausgeklinkt aus der für ihn vorgezeichneten Laufbahn im Familien-Konzern. Auch seine Schwester Regan hat sich von ihrer Familie abgewandt, abgesichert durch ein sicheres finanzielles Polster aus dem Erbe ihrer Mutter und arbeitet dennoch als Angestellte im Konzern. Der Spagat, sich nicht nur von der Familie loszusagen, sondern auch finanziell auf eigenen Beinen zu stehen, ist Regan noch nicht gelungen.


    Zur Jahreswende ist endgültig klar geworden, dass der alte William II. Hamilton-S. der Führung der Geschäfte schon länger nicht mehr gewachsen ist. Ein Prozess gegen den Patriarchen wegen Insiderhandel steht bevor. Offensichtlich hätte längst ein Familienmitglied Williams (in zweiter Ehe) angeheiratetem Schwager und Geschäftspartner Amory Gould genauer auf die Finger sehen müssen. Regan und William scheinen beide dazu nicht bereit. Besonders Regan ist zu intelligent, um über ihren Ehemann und ihre Familie so wenig zu wissen, wie sie sich vormacht. Mehrere Figuren in dieser Geschichte begehen viel zu gutgläubig diesen fatalen Fehler.


    Zwischen dem schweren Schneesturm in New York zum Jahreswechsel und dem legendären Stromausfall im Sommer 1977 eskalieren die Ereignisse in der bankrotten Stadt – öffentlich und privat. Regans Sohn Will, 1977 noch ein Kind, wird in der Folge der Geschehnisse als Erwachsener nach Los Angeles ziehen, um den größtmöglichen Abstand zwischen sich und den Hamilton-S.-Lamplighter-Clan zu legen.


    Durch den Vorfall im Park wirkt der Roman wie eine Praline, deren Füllung (= Kriminalfall) der Hülle (= Familien- und New York-Roman) zusätzlich Pfiff gibt. Allein die auf das Wichtigste verkürzte Besetzungsliste des Romans umfasst 14 Namen. Außer Mercer treten auf: Keith Lamplighter, Ehemann von Regan Hamilton und Vater der Kinder Will und Cate, Charlie, ein junger Punk aus kleinstädtischen jüdischen Verhältnissen, Carmine, ein Feuerwerker italienischer Herkunft und seine Tochter, der Journalist Richard Groskoph als Chronist der Ereignisse, die Tochter vietnamesischer Einwanderer, der ermittelnde Polizist Larry Pulaski, der längst für dienstunfähig erklärt sein müsste, und uva eine WG von Hobby-Anarchisten. Einige Figuren könnte man für vertraute US-amerikanische Stereotypen halten (der behütet aufgewachsene junge Jude, der Quoten-Afroamerikaner in einem rein weißen Szenario, der idealistische Enthüllungs-Reporter), Hallberg entwickelt seine Figuren jedoch alles andere als stereotyp und nimmt sich dabei alle Zeit der Welt. In der Charakterisierung von Figuren aus unterschiedlichsten Milieus und Altersgruppen erweist sich Hallberg in seinem üppigen Roman-Erstling als überraschend souverän.


    Eingeschoben in die Handlung sind Rückblenden bis in die 60er Jahre und Faksimiles von Briefen und Manuskripten. Die dokumentarischen Texte (ähnlich wie in Pessls "Die amerikanische Nacht") stellen Verbindungen zwischen Personen her, sie ergänzen eine zusätzliche Perspektive und verlangsamen das Lesetempo. Die Dokumente führen in eine Zeit zurück, als Autoren und Journalisten ihre Texte noch in mechanische Schreibmaschinen hämmerten - mit Flecken auf dem Papier sehr authentisch wirkend. Eins der Dokumente ist Jahre später entstanden, als der dann fast 40-jährige Will im Rahmen einer Therapie Ereignisse seiner Kindheit niederschreibt.


    Fazit

    Kernfrage des Romans war für mich neben der Aufklärung des Anschlags auf Samie die Frage, was die Figuren zu dem machte, das sie heute sind. Den Sound der 70er zwischen Farfisa und Patti Smith finde ich ausgezeichnet getroffen. Hallberg vermittelt das Lebensgefühl der Generation seiner Eltern - und, was nachfolgenden Generationen nur schwer zu erklären ist, die „grauen Jahre“ der Carter- und Reagan-Regierung. Hallberg zeigt ausführlich Privates als politisch auf, verliert dabei neben der Schicht undankbarer Erben gewaltiger Vermögenswerte jedoch nicht die arbeitende Bevölkerung aus dem Blick (Mercer, Jenny, Carmine, Larry, Richard). Carmine, der in einer bankrotten Stadt auf einmal seinen Lebensunterhalt nicht mehr mit seinem Handwerk verdienen kann, war neben Samie für mich eine wichtige Figur im Buch. Wer bei 1080 Buchseiten nicht mit der Wimper zuckt, sollte hier zugreifen.


    °°°°°°

    Zitat

    Will lehnte unterdessen grübelnd gegen einen verlassenen Teil des Zaunes, vor seinen Füßen seine Reisetasche und die seiner Schwester. Es wäre unendlich uncool gewesen, neben seiner Mutter zu sitzen, ein Eingeständnis seiner Schwierigkeiten Freunde zu finden, obwohl der einzig erdenkliche Grund, warum irgendein Kind nicht mit ihrem brillanten und warmherzigen und unheimlich sensiblen Sohn hätte befreundet sein wollen, der jetzt seine Arme kreuzförmig ausstreckte und die Hände zwischen die Gitterstäbe steckte, Neid gewesen wäre. Er sah aus wie ein Werbeplakat für Langeweile. Hinter ihm waren der Himmel, New Jersey und das Wasser ein Parfait von abnehmender Helligkeit. Er hatte recht gehabt. Er war zu alt für Spielplätze. Aber sie wollte nicht, dass sie die lange Fahrt mit der Subway oder dem Taxi nach Uptwon allein unternahmen – es schien ihr nicht sicher -, und als Keith, nachdem sie sich geweigert hatte, ihm auf halber Strecke entgegenzukommen (wieso sollte sie?), sich bereit erklärt hatte, hierherzukommen und sie abzuholen, stellte sie fest, dass sie den Gedanken nicht ertragen konnte, ihn in der neuen Wohnung zu sehen, oder auch nur im Hausflur vor der Wohnung.“ (Seite 140)


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