Klappentext:
Endlich wird der aufstrebende wissenschaftliche Assistent Fitz auf eine der LSD-Partys seines Professors Leary in Harvard eingeladen. Er erhofft sich davon einen wichtigen Karriereschritt, merkt aber bald, dass Learys Ziele weniger medizinischer Natur sind; es geht dem Psychologen um eine Revolution des Bewusstseins und eine von sozialen Zwängen losgelöste Lebensform. Fitz wird mitgerissen von dieser Vision, mit Frau und Sohn schließt er sich der Leary-Truppe an: Sie leben in Mexiko, später in der berühmten Kommune in Millbrook, mit Drogen und sexuellen Ausschweifungen ohne Ende. Ein kreischend greller Trip an die Grenzen des Bewusstseins und darüber hinaus. - Von der Hanser-Verlagsseite kopiert
Zum Autor:
T. Coraghessan Boyle, 1948 in Peekskill, N.Y., geboren, ist der Autor von insgesamt 27 Romanen und Erzählungen, die in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden. Bis 2012 lehrte er Creative Writing an der University of Southern California in Los Angeles. Bei Hanser erschienen zuletzt Das wilde Kind (Erzählung, 2010), Wenn das Schlachten vorbei ist (Roman, 2012), San Miguel (Roman, 2013), die Neuübersetzung von Wassermusik (Roman, 2014), Hart auf hart (Roman, 2015), die Neuübersetzung von Grün ist die Hoffnung (Roman, 2016), Die Terranauten (Roman, 2017), Good Home (Erzählungen, 2018), sowie Das Licht (Roman, 2019). - Von der Hanser-Verlagsseite kopiert
Allgemeine Informationen:
Originaltitel: Outside Looking In
Aus dem Amerikanischen übersetzt von Dirk Gunsteren
Erstmals erschienen 2019 bei Ecco, New York
Meist erzählt aus der personalen Sicht von Fitz, aber auch von Fitz’ Frau Joanie
Vorspiel: Basel 1943
Teil 1: Cambridge 1962
Teil 2: Zihuatanejo / Millbrook 1962-1963
Teil 3: Millbrook 1964
380 Seiten
Meine Meinung:
Ein schreiendes Cover – fixiert man es lange genug mit den Augen, beginnen sich die Farben zu bewegen und ineinander zu laufen. Eine perfekte Umschlaggestaltung also für dieses Buch, in dem es auch und vor allem um Täuschungen und Sinnesverwirrungen geht.
Nicht zum ersten Mal stellt Boyle einen realen Protagonisten mit fragwürdigem Renommee in den Mittelpunkt eines Romans und baut eine Gruppe realer und fiktiver Figuren um ihn herum. Der Leser kann oft nicht nachvollziehen, warum die Getreuen ihr Leben, Beruf, Familie, Zuhause hinter sich lassen und ihrem Guru folgen.
Also muss dieser eine außergewöhnlichen Gabe besitzen oder eine Aufgabe, ein Ziel bieten, für das sich alles aufzugeben lohnt. Tim ist eine schillernde Person, die die Fähigkeit hat, andere zu vereinnahmen und zwar den gesamten Stab seiner wissenschaftlichen Assistenten, die sich darum reißen, in seinen Dunstkreis zu geraten.
Literarisch betrachtet bewegt sich das Buch wieder auf dem gewohnten Boyle-Terrain, wo gruppendynamische Prozesse ablaufen und mit persönlichen Wünschen und individuellen Interessen kollidieren. In diesem Spannungsfeld entfaltete der Autor seine großen Geschichten.
Im Vergleich dazu bietet „Das Licht“ recht wenig Handlung. Nachdem die Wege vorgezeichnet sind und die Figuren ihren Platz, ihr Rauschmittel und ihre Beziehung zu Tim gefunden haben, verschwimmen die Konturen der Einzelpersonen bis auf wenige Ausnahmen im Gruppenbild. Außer dem In-den-Tag-leben und sich mit seinen Emotionen plagen, verengt sich der Gesichtskreis immer mehr und beschränkt sich am Ende nur noch auf sich selbst, die nächste Session und den nächsten Sex.
Wir Leser von heute, 50 Jahre nach den geschilderten Ereignissen und viele hundert Forschungsergebnisse später, wissen um die Gefährlichkeit von Halluzinogenen. Boyle bewegt sich mit seinem Plot nur in der Zeit der frühen 1960er, als junge Leute mit Rauschmitteln zu experimentieren begannen, diese noch nicht gesetzlich verboten waren und als man austestete, ob und welche Substanzen sich als Arzneien verwenden ließen.
Was von einem interessierten und intelligenten Geist übrig bleibt, wenn er jahrelang sein Hirn vernebelt, das zeigt Boyle am Beispiel seines Protagonisten Fitz, der seine Zukunft wegwirft, sowohl die familiäre als auch die berufliche.
Eine Handlung, die sich kaum bewegt und in der nach zwei Dritteln alles in diffusen Räuschen dahinschwebt, verlangt vom Leser Geduld. Doch es lohnt, die Durststrecken durchzuhalten, denn der Autor schafft immer wieder Passagen, die aus dem Nebel ragen und auf einmal wieder fesseln können.
Mir hat das Buch gut unterhalten, gelangweilt, geärgert … und … Mehr kann man von seiner Lektüre eigentlich nicht erwarten, oder?