Andreas Eschbach - NSA (ab 01.04.2019)

  • Jedenfalls widerspricht Hitlers Politik und sein Regime für die Familie Scholz bestimmt viel zu sehr dem christlichen Wertegefüge, als dass sie ihn unterstützen. Hoffe ich jedenfalls, es muss ja auch noch ein paar andere als die folgsame Horde geben...

    Deshalb auch "Drei Liter". Aber welche Möglichkeiten, sich dem Regime zu entziehen, hat denn der Einzelne? Klar jeder muss für sich entscheiden, für sich moralische Grenzen setzen, für sich die Konsequenzen verantworten. Aber wie würde ich entscheiden, wenn ich z. B. einen Sitz im Reichstag hätte und mir vor der anstehen Wahl deutlich gemacht wird, wen ich zu wählen habe, weil sonst meine Familie einen unangenehmen Besuch erhält? Oder wenn z. B. beim Nachbarn, mit dem ich eigentlich gut auskomme, sogar einen freundschaftlichen Umgang pflege, wenn bei ihm die Tür eingetreten wird und er mit seiner Familie aus dem Haus gezerrt wird? Oder wenn z. B. immer die Gefahr besteht, dass mich mein Nachbar, mein Kind denunziert, weil ich etwas vermeintlich lästerndes über Hitler gesagt habe oder einfach nur im Weg stehe? Warum gibt es nur so wenig (dokumentierte) Fälle von Zivilcourage? Warum werden diese Bücher dann so gepuscht, um zu zeigen, es waren nicht alle so? Wenn man(n) sagen könnte, die sitzen alle in Berlin und hier, wo ich wohne, lässt es sich noch gut leben, ohne dieses ganze Nationalgedöns, dann wäre es vielleicht einfacher. Klar, die Frage bleibt immer, wie war es als normaler Deutscher im Nationalsozialismus, wie fühlte es sich an? Wie war es in der ehemaligen DDR? Wie lebte es sich unter Stalin? Wie fühlte sich da normales Leben an? Mich schreckt immer noch dieses Bild von den Menschen in Wien, die zugeschaut haben, wie Juden mit einer Wurzelbürste den Gehweg schrubben mussten. Alle stehen drum herum, auch Nachbarn und tun nichts. Oder wenn (vor der Machtergreifung) über Eugen erzählt wird, wie sich das Marschieren angefühlt hat, wie es die Zuschauer verunsichert, ihnen Unbehagen bereitet. Und dieses Zuschauerverhalten sehe ich heute auch noch, wenn ein Obdachloser in einem Bankvorraum verstirbt, ein Mann in einer U-Bahn-Station verprügelt wird. Ja, nicht alle. Es gibt auch einige, die den Notruf absetzen. Aber eben auch die gezückten Handys, deren Videos dann später im Netz kursieren. Jetzt gibt es bei Eschbach aber noch das NSA, d. h. abweichendes sogar widerständiges Verhalten kann schneller gesichtet werden. So wie sich die Story im Buch bisher entwickelt hat, muss das "echte" historische Ende des Zweiten Weltkrieges in Frage gestellt werden. Aber wie sähe ein davon abweichendes Ende aus? Zwischenzeitlich habe ich bei dem Thema Überwachung sogar an Orwells 1984 denken müssen. Dort gab es einen Protagonisten, der das System hinterfragt hat und sich davon abwenden wollte.

    Ich musste bei folgenden Sätzen zu dem Thema auch so lachen, S. 146: "Er hatte nur so viel verstanden, dass es dabei um eine Abfrage aus der Tabelle der Einwohner ging, aber alles danach war ihm zu kompliziert gewesen. Weiberkram eben. Für einen Mann so undurchschaubar wie der Inhalt einer Damenhandtasche."

    Ja, ein wunderbarer Satz. Aber wir sollten uns klar machen, dass wir ein Produkt der heutigen Gesellschaft mit (der sogenannten) Gleichberechtigung von Frau und Mann (und divers) sind. Wir nehmen diesen Satz heute ganz anders wahr als es vielleicht Menschen zu Eugens Zeit getan hätten, unabhängig davon ob Fiktion oder historische Realität. Seit wann gibt es das Frauenwahlrecht? Seit wann dürfen Frauen sich bilden, studieren? Seit wann dürfen Frauen eigenes(!!!) Geld verdienen? Seit wann werden Frauen in Führungspositionen akzeptiert (wenn es nicht gerade die Queen ist)? Seit wann sind Frauen gleichberechtigt? Auf dem Papier und im Leben?

    Mordsgefährlich im wahrsten Wortsinn. Eugen ist mit Sicherheit einer, der über Leichen geht, dem traue ich alles zu. Und jetzt will er auch noch Programmieren lernen...

    Ich brenne förmlich darauf, dass den einer einbremst.

    Ob er eingebremst wird? Da werden im NSA zwei Figuren aufgebaut mit gleichen Programmier-Fähigkeiten im Amt, aber unterschiedlicher Persönlichkeit. Ich denke es wird auf einem "Kampf" zwischen Eugen und Helene hinauslaufen, wobei Eugen mit seiner Skrupellosigkeit hier klar im Vorteil ist. Und in der "Maifest-Szene" habe ich mich gefragt, ob der Student, in den sie sich verliebt hat, nicht Helenes "Archillesferse" wird.


    Ich denke, nach der Vorstellung und Platzierung der beiden Hauptprotagonisten im NSA wird es spannend werden.


    Wenn ich Glück habe, komme ich heute zum Lesen der aktuellen "hundert Wochenseiten". Bin gespannt. Ich lese gerade so viel, wie seit Jahren nicht mehr. Aber irgendwie hänge ich bei all meinen Themen hinterher. Vielleicht gelingt mir am Samstag einiges, da meine Holde arbeiten muss. Dann mal schöne Feiertage und viel Spaß mit Familie und Lesen.

  • Hallo Ihr Lieben,

    es ist ganz schrecklich, ich bin so viel draussen mit meinem Radl unterwegs, ich komme nicht zum Lesen :pale:

    Ich habe noch ca. 50 Seiten vor mir, die schaffe ich hoffentlich bis Sonntag, aber größere Beiträge sind diese Woche von mir vermutlich nicht zu erwarten, sorry :(.

    Sonnige Grüße und noch einen schönen Feiertag, ich geh jetzt weiterlesen ...

  • 3. Woche: Kapitel 18 - 26


    :huhu: ich glaube, Ihr seid alle im Osternest versteckt :loool:


    Ich habe tatsächlich heute den dritten Abschnitt geschafft - wieder eine sehr spannende und ereignisreiche Etappe, die mir viele Interpretationen und Gedanken geschenkt hat. Leider habe ich bis jetzt nicht hinbekommen, das auch schriftlich festzuhalten, so dass dies nur ein kurzer Abriss meiner Impressionene ist.


    Beeindruckt hat mich das Ende des Abschnitts - tatsächlich ist wie vermutet Familie Scholz aufgrund des tief verankerten Glaubens aktiv im Widerstand tätig - passenderweise als Helfende und Obhut gewährende. Und tatsächlich kristallisiert sich wie schon ganz zu Beginn des Romans vermutet Arthur als der Mann in Helenes Leben heraus. Ich erwarte "heiße" Stunden im Heu :wink:.


    Für mich waren in dieser Etappe neben den krass dramatischen Ereignissen wie z. B. der Kriegsbeginn und der Verlust von Helenes Bruders auch viele komische Elemente enthalten. Insbesondere die wiederkehrenden Kuppeleien von Helenes Eltern oder auch Lettkes Versuch mit Elena Krolls Standardwerk das Programmieren zu lernen.

    Für mich ein echter Brüller auf Seite 219: "Lettke starrte die Zeilen an, versuchte zu verstehen, was damit gemeint war, wie das, was er las zusammenhing, aber es gelang ihm nicht. ... Aber wieso die Klammern? Und wieso so? Sein Gehirn fühlte sich an wie blockiert, verstopft von lauter Blumenerde, Make-up oder Handcreme." :totlach:


    Dennoch überwiegt in meiner Emotionslage nach wie vor die Beklemmung durch den Krieg und die allgegenwärtige sich steigernde Überwachung, Datenspeicherung und -auswertung Dies wird für mein Empfinden auch auf der persönlichen Ebene anschaulich gespiegelt, z. B. durch Helenes phasenweise Verzweiflung über ihr Mauerblümchendasein "'Marie - es ist Krieg!', schluchzte Helene. 'Die Männer sterben weg. Bald wird es nicht mehr für jede Frau einen geben.'' Und die, die da sind, werden durch Überwachung aller Gespräche, SS und Gestapo vermutlich auch nicht zahlreicher. Hier interessant auch der Lausch-Fernseher, erinnert mich an Alexa, Staubsaugerroboter und ähnliche "Helfer" in unserer Zeit...


    Ich freue mich mit besonderer Spannung darauf, wie Eschbach den Erzählstrang über die Vernetzung der Neurologie mit der Komputertechnik weiterführend wird - KI in der Nazi-Zeit, eine echte Horrorvorstellung...ich denke, er wird dieses Thema sicher auch ausbauen.


    Ich wünsche Euch noch schöne Ostern, süße Eier und viele sonnige Genussstunden :anstossen:

  • ich glaube, Ihr seid alle im Osternest versteckt :loool:

    Huhu, so ungefähr, waren doch etwas ereignisreicher die letzten Tage. :pale: Ich hänge gerade noch im Abschnitt von der letzten Woche :ergeben:und schaffe es derzeit nur stückchenweise nachzulesen. Wenn ihr weitermachen wollt, hole ich sicherlich am Wochenende auf :uups: und werde dann auch eure Beiträge kommentieren. :)

    Liebe Grüße,
    Tine


    :study: Ken Follett - Die Waffen des Lichts

    :study: Taylor Jenkins Reid - Daisy Jones & The Six

  • Studentine , habe ich mir schon gedacht, dass einige zeitlich drinhängen. So rege wie die Posts waren, wirst Du nicht die Einzige sein. Bei mir war es ähnlich, deshalb gab es auch nur meine wirren Impressionen von oben:wink:.


    Mir wird es nächstes Wochenende so gehen, da werd ich zu nix kommen, das gibt´s halt. Ich hoffe, Du hattest es trotzdem schön und auch ein bißchen erholsam und wünsche Dir eine schöne Restwoche.

  • ich glaube, Ihr seid alle im Osternest versteckt

    Na ja fast. Habe mir arbeitgebergerecht eine fiebrige Auszeit genommen, was mir meine Zeitplanung fürs Lesen torpediert hat, da ich nicht den Kopf hatte, etwas zu lesen. Wollte noch reichlich recherchieren, bevor ich einen Kommentar von mir gebe. Schließlich hat Herr Eschbach wieder viele kleine historische Facetten in den letzten Leseabschnitt gebracht.

    Lettkes Versuch mit Elena Krolls Standardwerk das Programmieren zu lernen.

    Für mich ein echter Brüller auf Seite 219: "Lettke starrte die Zeilen an, versuchte zu verstehen, was damit gemeint war, wie das, was er las zusammenhing, aber es gelang ihm nicht. ... Aber wieso die Klammern? Und wieso so? Sein Gehirn fühlte sich an wie blockiert, verstopft von lauter Blumenerde, Make-up oder Handcreme."

    Dem stimme ich zu. Einfach der Brüller. Aber Herr Eschbach nutzt die historischen Fakten wirklich gut. In Amerika wurde während des Krieges der ENIAC entwickelt. Der bis dato schnellste und größte Rechner der Welt. Programmiert wurde er von sechs Mathematikerinnen, indem sie temporäre Kabelverbindungen umsteckten. (Heute sind diese Schaltungen alle miniaturisiert auf dem Prozessor.) Sie waren auch die Einzigen, die verstanden haben, wie das funkltioniert. Also hat Herr Eschbach hier wunderbare "weibliche Denkweisen" vorgeschoben, um Eugen das Programmierenlernen zu verleiden. Für mich stellt sich die Frage, da hier mit Helene und Eugen zwei Kontrahenten aufgebaut werden, wie sich ein späteres Aufeinandertreffen wohl gestaltet. Wird Eugen etwas gegen Helene in der Hand haben und sie erpressen, um ihre Programmierkenntnisse für seine eigenen widerlichen Zwecke zu nutzen? Oder deckt Helene irgendwelche Machenschaften von Eugen auf?


    Muss hier abbrechen. Melde mich später wieder.

  • Wird Eugen etwas gegen Helene in der Hand haben und sie erpressen, um ihre Programmierkenntnisse für seine eigenen widerlichen Zwecke zu nutzen? Oder deckt Helene irgendwelche Machenschaften von Eugen auf?

    Das ist genau die Frage, beides ist denkbar - Spannend!!! Eugen ist ja nicht der Einzige der das System für sich zu nuztzen weiß, wie wir mittlerweile wissen.

    In diesem Zusammenhang fand ich meine eigenen Empfindungen herausfordernd. Da Helene menschenfreundliche Ziele verfolgt, war es für mich o.k., dass sie das System für ihre eigenen Abfragen nutzt - sogar amüsant, wie sie ihre Köchin beim Sex belauscht :)

    Ganz im Gegensatz zu Eugens Spionage, die mir dermaßen zuwider ist...:puker:

    Objektiv betrachtet besteht kein Unterschied, es hat lediglich was von "Der Zweck heiligt die Mittel".

  • 3. Woche Kap. 18 - Kap. 26

    Noch immer im Stress, aber ein paar eher Zusammenhanglose Gedanken zur letzten Woche auch von mir.:wink:


    Um das Wochenfazit gleich mal vorweg zu nehmen: Das Buch gefällt mir noch immer sehr. Nach dem eher "globalen" Start pendelt es sich jetzt langsam auf eine eher persönliche Ebene von Helen und Eugen ein, ohne das das große drum herum aber verloren geht. Hier fand ich dieses mal den Wochenauftakt mit dem hochaktuellen Thema wie in den (in dem Fall Amerikanischen) Medien Meinung gemacht wird sehr spannend. Vom eher plumpen Journalisten kaufen bis hin über den Einsatz von Fake Accounts mit eigenen Identitäten und schreibstielen war da viel unschönes dabei. :shock:


    Was mir dieses mal aufgefallen ist, ist das einige Passagen erstaunlich schnell gehen. Im Weltgeschehen hat gefühlt gerade erst der Krieg begonnen, schon steht man bei Stalingrad bzw. Japan greift Pearl Harbor an :shock:. In Helens Leben dachte ich das der Weg hin zum NSA etwas werden würde das ausschweifender erklärt wird - Aber nein, Schulabschluss - Jobangebot, kurzes Gespräch, innerhalb von 2 Minuten Hörbuch war sie beim NSA:-s. Das hat mich nicht wirklich gestört, ich hatte nur etwas anderes erwartet. Ihr Werdegang innerhalb der NSA zum geheimen Projekt hin war wiederum sehr gut beschrieben. Noch besser beschrieben war dann der letzte Abschnitt in der ihre mittlerweile desertierte Kneipenbekanntschaft vor der Tür steht. Auch wenn es für meinen Geschmack etwas zuviel Zufall war (Der erste Abend in ihrem Leben alleine im Haus, gerade da erscheint er, gerade da schaut sie aus dem Fenster und denkt völlig irrational das es ihr Bruder sei :roll:), die Suche nach einem Versteck und die Lösung fand ich gut und lässt genügend Raum für spannende Situationen. Ich denke mal die Beziehung zwischen den beiden wird einer der Hauptbestandteile des Restbuches sein.


    Dann jetzt mal völlig zusammenhanglos zu meinen sonstigen Notizen:

    Amüsant fand ich dieses mal Eugen und sein Programmierhandbuch (Wie auch schon von euch oft erwähnt, ein echter Knaller :totlach: – auch die Aufmachung mit Schmetterlingen etc… :drunken:) und die seltsamen Verkupplungsversuche der Eltern, mit den kleinen Randbemerkungen (In der SS sind nur Männer die Männer lieben :wink:)


    Innerhalb der Handlung muss ich erstmal meine Meinung zu Helens Vater revidieren. Fand ich ihn anfangs noch sympathisch, muss ich sagen das ich seine systemkonformen Aussagen mittlerweile wirklich furchtbar finde:wuetend:. Interessant fand ich die Zufallsbegegnung von Helen mit dem Bekannten ihres Vaters, den sie öfter im NSA sieh, dieser aber leugnete dort gewesen zu sein.


    Außerdem bin ich an einer Stelle wieder beim Verwenden mancher Ausdrücke durcheinander gekommen. Wenn ich es richtig gehört und notiert habe wird der aktuelle Krieg laut Buch von vielen "Der erste Weltkrieg" genannt - Wenige Seiten nach dieser Aussage wird in einem Zusammenhang den ich vergessen habe von dem Krieg von 1914-1917 das Wort "Weltkrieg" verwendet - Nur eine Randnotiz, aber das hat mich verwirrt. :ergeben:


    Letzter Punkt, eigentlich der der mich derzeit mit am meisten interessiert und mich zum weiter lesen motiviert: Bisher gibt es zwar Komputer, es gibt alle möglichen Änderungen der Lebensumstände, der Grundsätzliche Kriegsverlauf ist aber identisch mit der Realität. Ich bin gespannt ob das so bleibt oder ob und wie sich die Geschichte ändert....


    Zu Eugen habe ich jetzt nichts geschrieben - Er bleibt aber ein Arsch :evil:- Mit diesen Worten schließe ich mal meinen Text :winken:

  • Was mich immer wieder fasziniert an diesem Buch, ist die Leichtigkeit mit der Herr Eschbach so ganz nebenbei historische Fakten einbringt (oder sie umdeutet, wenn nötig), dass man(n) schnell darüber hinwegliest, weil man(n) sich eher auf den Handlungsablauf und seine Protagonisten konzentriert, eben auf Helene und (den widerlichen) Eugen. Gräbt man(n) aber nach den historischen Fakten, werden viele Handlungsweisen von Helene oder sogar Eugen noch konsequenter oder logischer in die Handlung an sich verwoben. Und die Überprüfung der Fakten bietet auf der anderen Seite eine wunderbare Möglichkeit, sich mit den Rahmenthemen "Nationalsozialismus" oder "Digitalisierung der Welt" oder "Überwachung" auseinanderzusetzen (z. B. für den Schulunterricht in Geschichte, Ethik, Sozialkunde, evtl. Deutsch, evtl. Informatik, evtl. Physik). (Allerdings gerät die Abarbeitung im Schulunterricht möglicherweise schnell in ein "Pflichtwissen" anstatt bei einem "freien Meinungsaustausch" zu bleiben.) Es sind diese vielen Kleinigkeiten aus der Welt der Vergangenheit, die das ganze sehr lebendig macht.

    Das gleiche gilt für die durchgehende Verwendung eingedeutschter Begriffe, die dann tatsächlich auch in die Zeit der Weimarer Republik und des Nationalsozialismus gepasst hätten.


    So ganz nebenbei wird der Konflikt zwischen gläubigen Christen und den "Nazis" angesprochen. Dies aber auch gleichzeitig mit einer Entwicklung der Denkweisen. Werden die "Nazis" anfangs noch als ein weiterer politischer "Rabaukenhaufen" betrachtet, die es in der Weimarer Republik viele gab und deshalb nicht wirklich ernst genommen, wechselt sich die innere Haltung bald hin zu Vorsicht und (in manchen Fällen auch) zu Widerstand. Ganz nebenbei beschrieben mit dem "Drei Liter"-Gruß, dem Hochzeitspaar Hitlers "Mein Kampf" anstelle der Bibel überreichen bis hin zu einem Versteck auf dem Aschenbrenner-Hof.


    Dann das generelle Thema "Überwachung", wenn historisch belegte Todesopfer diesmal von Helene mit Hilfe der Überwachungstechnik aufgefunden werden, wie z. B. Anne Frank und ihre Familie. Und später:


    Und dann, wie geschickt das Thema "Rassenkunde" in der Handlung eingefädelt ist. Erst lässt Herr Eschbach hier Armin zu Wort kommen, wenn in der Familie abends politisiert wird. Dann verschwindet die Familie mit Helenes erster Schulfreundin, später dann auch die Familie des Viehhändlers Stern. In Kapitel 24 wird erwähnt, dass die Juden jetzt den Judenstern tragen müssen und Deutschland nicht mehr verlassen dürfen. Der Abschnitt endet mit dem unheilvollen Satz: "Trotzdem verschwanden sie nach und nach." Aber nicht allein der Hass gegen Juden und "Nicht-Arische" wird thematisiert, sondern auch die Vorstellung des "Ariers" an sich und wie man die "Rasse schützt". Dies wird ganz nebenbei im Kapitel 19 erwähnt, als die "Amerika-Beauftragten" im NSA ein kleine Feierlichkeit vornehmen und das Projekt Lebensborn erwähnen, wo es sich nach damaliger Meinung um spezielle SS-Bordell handelte, wo gedienten SS-Offiziere arische Frauen zur Verfügung ständen. Diese Meinung war weit verbreitet und ist zum einen der Geheimhaltung und zum anderen dem Fakt verschuldet, dass Nachbarn dieser Lebensborn-Einrichtungen dort nur uniformierte Offiziere und schwangere Frauen sahen. Die Realität sah aber anders aus:

    @Lebensborn (Spiegel) / @Lebensborn (Die Welt) / @Lebensborn (MDR) / @Lebensborn-Abzeichen

    Wichtig für den Verlauf der Story ist hier zu wissen, dass Lebensborn unter anderem Abtreibungen unterbinden helfen sollte. Auch die reduzierte Frauenquote an Universitäten sollte die Frau eher ihrem Zwecke zu führen, eine Mutter für das Deutsche Reich zu sein. Weshalb Verhütungsmittel dann verboten waren für Reinrassige, während Zwangssterilisationen an "Untermenschen" durchgeführt wurden. Es wird am Rande noch erwähnt, das Helenes Vater den "Arier-Test" entwickelt hat (Kapitel 22).

  • In diesem Zusammenhang fand ich meine eigenen Empfindungen herausfordernd. Da Helene menschenfreundliche Ziele verfolgt, war es für mich o.k., dass sie das System für ihre eigenen Abfragen nutzt - sogar amüsant, wie sie ihre Köchin beim Sex belauscht :)

    Ganz im Gegensatz zu Eugens Spionage, die mir dermaßen zuwider ist... :puker:

    Objektiv betrachtet besteht kein Unterschied, es hat lediglich was von "Der Zweck heiligt die Mittel".

    Das ging mir ähnlich, wobei ich mir eher Gedanken mache wo das inführt und wie das beurteilt wird. Wenn sich wie bisher der Grundsätzliche Geschichtsverlauf nicht ändert wird Deutschland irgendwann verlieren und die Sieger werden über die Personen richten. In wie weit zählt da das man manches nicht wusste, bzw. gute Absichten hatte? Damit meine ich nicht die kleineren privaten Spionagen, damit meine ich speziell das Helen im Abschnitt 4 auch bewusst wird

    Spätestens hier kann man sich mit Unwissenheit kaum rausreden. Das sie den Job wiederum natürlich aus Gewissensgründen hinwerfen kann ist auch klar. Schwierige Situtation.... Deshalb bin ich etwas beorgt was mit ihr am Ende des Buches passieren könnte....


    Lebensborn-Einrichtungen

    Da habe ich auch zwischendurch mal gegoogelt weil mir das Thema so gar nichts sagte :wink:

    Es wird am Rande noch erwähnt, das Helenes Vater den "Arier-Test" entwickelt hat (Kapitel 22).

    Ja, das hat mich auch gewundert, schließlich ist er doch eigentlich Chirurg :scratch:

  • Außerdem bin ich an einer Stelle wieder beim Verwendenmancher Ausdrücke durcheinander gekommen. Wenn ich es richtig gehört undnotiert habe wird der aktuelle Krieg laut Buch von vielen "Der ersteWeltkrieg" genannt - Wenige Seiten nach dieser Aussage wird in einem Zusammenhangden ich vergessen habe von dem Krieg von 1914-1917 das Wort "Weltkrieg"verwendet - Nur eine Randnotiz, aber das hat mich verwirrt.

    Anfangs wurde immer nur vom Weltkrieg gesprochen, wenn der Krieg 1914-1917 gemeint war. Zu diesem Zeitpunkt gab es noch die Weimarer Republik und Hitlers Machtergreifung. Erst mit der Gegenoffensive der Sowjetunion und der Kriegserklärung Hitlers gegen Amerika wird vom ersten Weltkrieg gesprochen. In Kapitel 23 spricht Herr Adamek (glaube ich) davon, dass sie jetzt einen Weltkrieg hätten, nachdem Amerika in den Krieg eingetreten war.

    Hier hat Herr Eschbach auch wieder ganz nebenbei den Namen Jeanette Rankin erwähnt. Sie war die erste Frau, die in den Kongress der Vereinigten Staaten und dort ins US-Repräsentantenhaus gewählt wurde. Und sie war eben das einzige Kongress-Mitglied, das gegen den Kriegseintritt gestimmt hat mit den Worten: „Als Frau kann ich nicht in den Krieg ziehen und lehne es ab, irgendjemand anderen dorthin zu schicken.“ (Wikipedia)

    Wenn man(n) so will vielleicht eine weitere, wenn auch nur angedeutete Gegenüberstellung von Mann und Frau, was ja Herr Eschbach schon wunderbar überspitzt thematisiert hat, als Eugen sich selbst das Programmieren beibringen wollte. Was eine herrlich Szene.

  • Ja, das hat mich auch gewundert, schließlich ist er doch eigentlich Chirurg

    Da gab es schon vorher Andeutungen, als es einen neuen Chef für das Weimarer Klinikum gab. Den Namen (@Karl Astel) hatte ich damals gegoogelt, finde aber im Buch die Textstelle nicht mehr. Jedenfalls wurde ein neuer Chef genannt, den es als historische Person tatsächlich gegeben hat, allerdings nicht in Weimar, sondern im etwa 25 Kilometer entfernten Jena. Dort war er der führende Kopf im Thema "Rassenkunde". Eben auch nur so nebenbei von Herrn Eschbach genannt. Aber wie im gesamten Buch bisher, gibt es so viele Kleinigkeiten, die für den Verlauf der Handlung nicht zwingend sind, aber über so viele Verweise, das ganze "lebendig" untermauert und gleichzeitig Diskussionsstoff außerhalb der eigentlichen Handlung bietet.

    Wenn sich wie bisher der Grundsätzliche Geschichtsverlauf nicht ändert wird Deutschland irgendwann verlieren

    Hier habe ich mir tatsächlich anfänglich die Frage gestellt, ob sich der generelle Geschichtsverlauf wiederholen wird oder ob die Komputertechnologie hier eine Änderung bewirkt. Aber mit den Rahmendaten Stalingrad und Pearl Harbour im Roman, glaube ich nicht mehr an ein alternatives Ende. Jetzt geht es wirklich um die Einzelschicksale der Protagonisten.

    Nochbesser beschrieben war dann der letzte Abschnitt in der ihre mittlerweiledesertierte Kneipenbekanntschaft vor der Tür steht. Auch wenn es für meinen Geschmacketwas zuviel Zufall war (Der erste Abend in ihrem Leben alleine im Haus, geradeda erscheint er, gerade da schaut sie aus dem Fenster und denkt völligirrational das es ihr Bruder sei :roll: )

    Das war mir am Anfang auch zu viel Zufall, aber hier schafft Herr Eschbach für mich teilweise dann doch die Kurve. Einmal wird der zeitliche Rahmen relativiert, indem Stalingrad genannt wird. Das bedeutet, dass die ungefähre Zeit von Arthurs Desertation und Flucht passt. Nur der genaue Tag ist dann "noch" Zufall. Und warum sich Arthur genau dorthin begibt, erzählt er später je selbst. Macht also "doch" Sinn. Und so gesehen ist die Beziehung Helene und Arthur genauso konsequent vorbereitet wie die Beziehung Helene und Eugen. Und es wirkt für mich überhaupt nicht konstruiert, sondern tatsächlich stimmig.


    Gedanken mache ich mir allerdings noch zum Thema "Nutzung der Daten". Schon bei ihrem ersten "Test"-Programm im NSA stellt Helene fest, wie weit die Überwachung geht. Später dann (im Roman zu Anfang vorgestellt) hilft sie dabei, die Familie Frank zu entdecken und damit zum Tode zu verurteilen. Hier fehlt mir letztendlich das "richtige Verbindung" von "menschenfreundlich" hin zum "Ausspionieren mit Todesfolge für den Gefundenen". Wo ist hier der Unterschied zwischen Helene und Eugen? Lässt sich so etwas überhaupt auseinanderhalten? Ist Befehl oder Anweisung eine Entschuldigung? Wie kommt man(n) als Einzelner aus dieser Misere? Oder muss man(n) mit den Wölfen heulen, um unentdeckt im Rudel doch Gutes tun zu können?

  • :winken: Ich winke mal kurz rein, bin leider immer noch im 3.Wochenabschnitt. :ergeben: Hoffe, dass sich ab dem Wochenende alles etwas beruhigt bei mir und ich dann wieder zu euch aufholen kann. Am Buch liegt es definitiv nicht :lechz:, sondern am Leben - wie das eben manchmal so ist.

    Liebe Grüße,
    Tine


    :study: Ken Follett - Die Waffen des Lichts

    :study: Taylor Jenkins Reid - Daisy Jones & The Six

  • Ich bin jetzt auch im Soll, muss aber noch meine Gedanken ordnen. Aber ein Boxenstopp käme mir nicht ungelegen. Muss in einer anderen Leserunde noch meine Gedanken Ordnen und den Lesestoff (ca. 200 Seiten) von dieser Woche lesen. Ist dort zwar gerade eine Flaute, aber ich will den Band drei dem End zuführen, da ab Band vier wieder mehr dabei sein werden.


    Ansonsten kann ich nur den Kopf schütteln, über Hormone und was diese mit den Menschen, Männlein wie Weiblein anstellen. Tss tss tss. :roll: