Mattias Edvardsson - Die Lüge / En helt vanlig familj

  • Übersetzerin: Annika Krummacher


    Verlagstext

    Lund, Schweden: Adam, Ulrika und Stella sind eine ganz normale Familie. Adam ist Pfarrer, Ulrika Anwältin und Stella ihre rebellierende Tochter. Kurz nach ihrem 19. Geburtstag wird ein Mann erstochen aufgefunden und Stella als Mordverdächtige verhaftet. Doch woher hätte sie den undurchsichtigen und wesentlich älteren Geschäftsmann kennen sollen und vor allem, welche Gründe könnte sie gehabt haben, ihn zu töten? Jetzt müssen Adam und Ulrika sich fragen, wie gut sie ihr eigenes Kind wirklich kennen – und wie weit sie gehen würden, um es zu schützen …


    Der Autor

    Mattias Edvardsson lebt mit seiner Frau und den beiden gemeinsamen Töchtern außerhalb von Lund in Skåne, Schweden. Wenn er keine Bücher schreibt, arbeitet er als Gymnasiallehrer und unterrichtet Schwedisch und Psychologie.

    Inhalt

    Die Sandells aus dem schwedischen Lund scheinen eine harmonische Familie wie aus dem Bilderbuch zu sein. Adam arbeitet als Pfarrer und seine Frau Ulrika als Strafverteidigerin. Doch schon als sie mit ihrer Tochter Stella deren 19. Geburtstag feiern, bricht die Idylle auf. Statt Reisegeld für eine Asienreise, das Stella sich sehnlich zum Geburtstag gewünscht hat, bekommt sie eine Vespa, über die sie sich beim besten Willen nicht freuen kann. Drei Icherzähler erzählen nacheinander und in Rückblenden, wie es dazu kam, dass kurz nach der Geburtstagsfeier der Mann ums Leben kommt, zu dem Stella eine Beziehung hat. Da Stella für die Tatzeit kein Alibi vorweisen kann, wird für sie Untersuchungshaft angeordnet, bis zu den Tatortspuren Laborergebnisse vorliegen. Ebenso lange ist man als Leser auf den begrenzten Wissensstand dieser drei Icherzähler beschränkt.


    Stella war schon immer ein Papakind; ihre Mutter war häufig beruflich unterwegs. Bereits im Kindergarten fällt Stellas mangelnde Impulskontrolle auf; mit 15 lässt sie keine Gelegenheit aus, ihre Eltern zu provozieren. Dass sie in Notwehr oder Wut einen Menschen töten kann, scheint nicht abwegig. Einzig ihre Freundin Amina scheint bisher einen mäßigenden Einfluss auf Stella zu haben. Die Mädels spielten seit frühester Kindheit in einer Handballmannschaft, die die beiden Väter trainieren. Adam Sandells Bericht ist durchzogen von Enttäuschung und Reue darüber, dass in Stellas Leben einiges schief gelaufen ist und die Sandells nicht die perfekten Eltern waren, die sie vermutlich gern sein wollten. Adam legt sehr viel Wert darauf, was andere Menschen über ihn und seine Familie denken. Er verfolgt daher sein Ziel, Stella zu entlasten, völlig unbeeindruckt davon, zu welchen Ermittlungs-Ergebnissen die Polizei kommen könnte. Für Stella war es sicher nicht einfach, den hohen moralischen Ansprüchen eines Pfarrers zu genügen. Ihre eigene Darstellung weckt zunehmend Zweifel am Bild, das Adam bisher von seiner Tochter und seiner Familie zeichnete. Zu leicht durchschaubar wirkt anfangs sein Motiv, um jeden Preis das Ansehen seiner Angehörigen reinzuwaschen. Viel interessanter scheint dagegen die Persönlichkeit des ermordeten Chris zu sein, die Frage, welche Rolle Amina in der Sache spielt – und was die Anwältin in der Familie zu sagen hat. Zweifel gibt es nicht nur an Adam, sondern auch an der einzigen Zeugin, die das Mordopfer zuletzt sah und am Opfer selbst, einem wohlhabenden Geschäftsmann, der über 10 Jahre älter war als Stella. Ulrika, die Anwältin und Mutter der Verdächtigen, kommt erst im dritten Abschnitt zu Wort.


    Fazit

    Im Fall des ermordeten Chris wird kräftig gelogen. Lügner müssten stets damit rechnen, dass sie selbst belogen oder von anderen durchschaut werden. Die Frage, wer hier lügt, sorgt in dem - unschuldig als „Roman“ bezeichneten - raffinierten Psychogramm einer Familie für Spannung. Ich blättere in Büchern sehr selten zu den letzten Seiten, um zu erfahren, wie es wirklich gewesen ist – hier fiel es mir sehr schwer, der Versuchung zu widerstehen.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: --

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Das Original

    Hardcover, 455 pages

    Published June 2018 by Bokförlaget Forum

    Original Title: En helt vanlig familj
    ISBN13 9789137152455
    Edition Language: Swedish

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: --

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • "Eine ganz gewöhnliche Familie". - Schade, dass Buchtitel in den deutschen Übersetzungen oft so künstlich dramatisiert werden - und damit nicht selten den Bezug zum Buch verlieren, da denke ich z.B. an Stieg Larsson... :roll: Hier scheint es ja zumindest auch zu passen mit der Lüge.


    Das Buch ist sofort auf die Merkliste geflutscht, danke für die Rezi! :winken:


    Hast du es auch in deine Pfarrhaus-Liste eingepflegt? :lol:

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Dietrich Krusche (Hg.) - Haiku (Reread)

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • ...

    Hast du es auch in deine Pfarrhaus-Liste eingepflegt? :lol:

    :mrgreen: Es hat mich an die anderen Pfarrhäuser erinnert - und so kam es zu der Liste ...

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: --

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Schauplatz Lund in Schweden

    Ausgangspunkt ist, daß ein 32jähriger Geschäftsmann kurz nach Mitternacht erstochen wurde. Er hatte einige Feinde in seinem Umfeld und war mit der nur 19jährigen Stella befreundet. Sie wird des Mordes verdächtigt und in Untersuchungshaft genommen, jetzt steht sie vor Gericht.


    Im Folgenden wird die Geschichte aus drei verschiedenen Perspektiven aufgerollt. Zuerst erläutert der Vater, ein Pfarrer, dann die Tochter Stella, ein rebellischer Teenie und am Ende Mutter Ulrika, eine Rechtsanwältin jeweils ihre Sicht der Dinge. Dies geschieht vor allem unter den Gesichtspunkten ihrer Vergangenheit und ihrer Beziehung zueinander, dann der Geschehnisse am und um den Mordtag, über die intensive Freundschaft mit Amina, Stellas Freundin seit Kindertagen, sowie Details aus der eigenen Gefühlswelt. Und hier merkt man, wie unterschiedlich die Wahrnehmung selbst innerhalb einer Familie sein kann.


    Im Epilog erfährt der Leser die endgültige Wahrheit und damit auch, wer wann gelogen hat, um die Familie zu erhalten.



    Dieser Krimi hat mich von Beginn an in seinen Bann gezogen. Es wird jede Person sehr menschlich, authentisch, intensiv, facettenreich und mit Tiefgang geschildert. Man glaubt jedem Einzelnen seine Äußerungen. Gleichzeitig werden Zweifel gesät an den Aussagen der Anderen, aber es ist auch jeder bemüht, unter allen Umständen den Anderen und die Familie zu schützen.


    Es war für mich ein absolut spannendes Leseerlebnis.

    Von mir gibt es auf jeden Fall eine Leseempfehlung!


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Wenn du es jetzt auch noch so lobst, rutscht es in meiner Merkliste gleich ganz weit nach oben. :winken:

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  • Ilary Definitiv. :lol:

    Zwei meiner Onleihen haben das Hörbuch, verfügbar Mitte 2020... Also, falls du in Erwägung ziehen solltest, mir das Buch zu leihen, würde ich mich nur pro forma ein wenig zieren. :lol:

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    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • Dann muss ich jetzt doch bis 2020 warten... *schluchz* :lol:  :friends:

    Vielleicht legt sich irgendeine "meiner" Büchereien ja noch das eBook zu. Oder ich muss das Buch tatsächlich kaufen - dabei will ich eigentlich keine weiteren Krimis mehr in unsere aus allen Nähten platzende Bücherwand stopfen... :roll: :-k Na, mal schauen.

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

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    :montag: Dietrich Krusche (Hg.) - Haiku (Reread)

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  • Dann muss ich jetzt doch bis 2020 warten... *schluchz*

    Du musst nicht weinen. Ich kann Dir mein ebook abtreten, wenn Du möchtest. Ich lese es kein zweites Mal.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Dann muss ich jetzt doch bis 2020 warten... *schluchz*

    Du musst nicht weinen. Ich kann Dir mein ebook abtreten, wenn Du möchtest. Ich lese es kein zweites Mal.

    Das ist echt lieb. :friends: Aber ich Dödeline habe neulich einen Spoiler gelesen und weiß jetzt wohl, wer's war... :roll: Schicke dir gleich 'ne PN.

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Dietrich Krusche (Hg.) - Haiku (Reread)

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  • Dödeline habe neulich einen Spoiler gelesen und weiß jetzt wohl, wer's wa

    Der Spoiler war wohl von mir im Thread "An welchem Ort..." und war nur eine Vermutung - davon lebt ja ein Krimi!

    Und ja, da bist Du selber schuld, wenn Du Spoiler liest :):winken:.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich sag's ja, Dödeline. Habe das Buch mit einem anderen verwechselt und dachte, es wäre egal. :pale:  :lol:

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

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    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Dietrich Krusche (Hg.) - Haiku (Reread)

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)





  • Mein Leseeindruck:

    Mir hat einiges gut gefallen, anderes nicht.


    Der Roman ist spannend, da gebe ich meinen Vorschreibern Recht. Der Autor versteht es einfach, seine Cliffhanger gezielt einzusetzen und den Leser bei der Stange zu halten.


    Die Aufteilung der Geschichte auf drei Ich-Erzähler hat den Vorteil, dass der Leser drei unterschiedliche Perspektiven einnehmen kann.

    Jede der Personen erzählt zudem in Rückblenden von der Vorgeschichte und der eigenen Biografie, und dabei werden
    gelegentlich auch dieselben Ereignisse beleuchtet, aber sie erscheinen in einem anderen Licht. Das kann reizvoll sein. Aber diese Aufteilung und Erzählweise hat den Nachteil, dass es zu Wiederholungen und Längen kommt. Zu diesen Wiederholungen und Längen trägt auch der etwas larmoyante Vater kräftig bei, der ständig, auch mit Bibelzitaten, die Verpflichtung zur Sicherung der Familie wiederholt.

    Darüber hinaus hat sich mir auch nicht erschlossen, was die Bemühungen um eine erneute Schwangerschaft mit der Gesamthandlung zu tun haben, sie tragen zur Charakterisierung der Figuren nichts bei und sind ansonsten einfach nur Füllwerk.


    Gut gefallen hat mir auch die Auswahl der Berufe, die der Erzähler den Eltern zuweist, weil beide Elternteile damit gegen ihr berufliches Prinzip der Wahrhaftigkeit verstoßen müssen, um die Tochter zu retten - wobei man das bei einem Rechtsanwalt ja vielleicht aus persönlichen Erfahrungen heraus bezweifeln kann, bei einem Pfarrer aber sicherlich nicht.


    Durch die Perspektivenwechsel gelingt es dem Autor, seinen Leser ständig auf eine andere Fährte zu locken. Wer lügt, wer sagt die Wahrheit? Und so lügen sie alle bzw. verschweigen etwas, um einen bestimmten Eindruck zu erwecken. Und um nach außen hin ihre Familie zu sichern. Man fragt sich allerdings ob diese Familienidylle, die einen Mord umschließt, nicht allzu trügerisch ist. Wie kommt eine Familie mit einer solchen Tat klar, mit dem ständigen Lügen und Verschweigen?


    Sprachlich fand ich das Buch nicht immer geglückt. Zu häufig werden mir die Augen von jemanden „zu Diamanten“ (S. 325 u. a. O.) oder leuchten in der Dunkelheit (geht das bei Menschenaugen?). Die Protagonistin steigt „funkelnd wie eine eben angezündete Wunderkerze“ (S. 328) aus der Dusche, und ein andermal ist ihre „Haut zum Bersten gespannt“ und jede ihrer Körperzellen „ist von Wut durchbohrt“ (S. 518). Die Freundin hat einen „zerschmetterten Blick“ (S. 519) – wie muss ich mir das vorstellen?


    Und last not least: Das Cover passt nicht zum Inhalt, der Roman spielt in der Stadt.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).