Philippe Besson - Hör auf zu lügen / Arrête avec tes mensonges

  • Verlagstext

    Philippe ist 17 Jahre alt und ein Außenseiter. Als hochbegabter Sohn des Schuldirektors, der wenig Kontakt zu den Mitschülern hat, lebt er in einem französischen Provinznest. Er fühlt sich von seinem Klassenkameraden Thomas, einem geheimnisvollen und charismatischen Winzersohn, angezogen und ist ganz verblüfft, als dieser sein Interesse erwidert. Thomas wird seine erste und große Liebe. Eine Liebe, die nur im Verborgenen gelebt werden darf und die für Thomas tragisch endet, weil er, geprägt durch die ländlichen Konventionen, seine sexuelle Identität sein Leben lang verleugnen wird. Ein authentischer und tief berührender Roman über Liebe und Identitätsfindung.


    Der Autor

    Philippe Besson wurde 1967 in Barbezieux, einem Dorf in der Charente, geboren. 1989 ging er nach Paris, wo er zunächst als Jurist und Dozent für Sozialrecht arbeitete. 2001 erschien in Frankreich sein erster Roman »Zeit der Abwesenheit« (dt. 2008). Fortan veröffentlichte er fast jährlich einen neuen Roman. »Hör auf zu lügen« basiert auf seiner eigenen Lebensgeschichte und wird derzeit in zehn Sprachen übersetzt.


    Inhalt

    Mit 11 Jahren wusste Philippe, dass er Jungen liebte. Ein Mann wird nicht durch äußere Einflüsse homosexuell, er ist es von Jugend an. Der Junge wächst als Sohn eines Dorfschullehrers in der Charente auf; sein Vater unterrichtet alle 7 Schuljahre gemeinsam in einem Klassenraum. Schon früh werden Philippe soziale Grenzen aufgezeigt. Dass er bei der Weinlese hilft wie alle Kinder, schickt sich für den Sohn des Dorfschullehrers nicht. Vermutlich traut ihm auch niemand die körperliche Arbeit zu. Flexibler reagiert die Bäuerin, bei der er die Milch holt. Sie lässt ihn melken und lobt sein Talent dafür. Kurzsichtig und unsportlich, steht Philippe dem Spott seiner Mitschüler hilflos gegenüber. Er ist ein phantasievolles Kind, dessen Geschichten seine Mutter als kindliche Lügen einordnet. 6 Jahre später wird der Musterschüler in der Mathematik-Klasse seines Gymnasiums das Abitur ablegen. Lernen garantiert Aufstieg und ist damit der Weg direkt zum Glück; anders kennt der 17-Jährige es nicht. Aus einer Mathe-Klasse führt der Weg direkt zu den französischen Eliteschulen, den Grandes Écoles. Ein normales Studium oder eine Ausbildung als Lehrer wirkt im Vergleich dazu wie ein Versagen.


    Seinen ersten erotischen Blick wirft Philippe auf Thomas aus seiner Parallelklasse, eine unmögliche Liebe, davon ist er überzeugt. Doch Thomas bahnt - höchst konspirativ - Wege für ihre Beziehung. Nicht allein ihre Homosexualität lässt ihre Liebesbeziehung unmöglich erscheinen, stärker noch steht den Jungen ihre gegensätzliche Herkunft im Weg. Philippe wird für immer fortgehen aus dem Dorf, sich dem vorgezeichneten Weg beugen – und Thomas weiß das bereits jetzt. Für ihn gibt es darüber nichts zu diskutieren. Er wird als einziger Sohn den elterlichen Weinbau einmal fortführen und sich der Verpflichtung gegenüber seiner Familie und deren Religion beugen. Einer Verpflichtung, die er in seiner Liebesbeziehung entschieden ablehnt.


    23 Jahre später ist Philippe erfolgreicher Autor und in Bordeaux zu einer Signierstunde unterwegs, als er meint, Thomas Ebenbild zu entdeckt. Weitere Jahre später sucht der junge Mann mit der verstörenden Ähnlichkeit zu Philippes großer Liebe Kontakt zu Philippe und konfrontiert ihn mit den Lügen seines Erwachsenlebens.


    Fazit

    Philippe Besson schreibt sich als Erwachsener rückblickend die Geschichte seiner ungelebten großen Liebe von der Seele. Ein intensiver, berührender und verstörender Text, in dem ich Atempausen benötigte, um das Geschehene zu verarbeiten. Beeindruckt hat mich in erster Linie die Entschiedenheit des jungen Philippe, mit der er seine sexuelle Orientierung erlebt, verstört die Verstrickung der beiden Jungen in vorgezeichnete Lebenswege, die keine Kompromisse zulassen.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Weber - Bannmeilen (Paris)

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Meine Meinung: Ein gutes, ein interessantes Buch, sehr dramatisch, aber irgendwie auch ein bisschen zu spät. Das Drama funktioniert natürlich auch heute noch, aber nach dem Film 'Brokeback Mountain' ist das Buch 2017 (Copyright) bzw. 2018 im deutschsprachigen Raum ein wenig spät für dieses Drama. Die biografische Erzählung spielt ca. in den 1966er Jahren bis 2016, aber mittlerweile ist durch das Zeitalter des Internets einiges mehr möglich, so dass diese Art von Biografie bzw. Problematik in den Hintergrund rückt. Zwar spielt die Einstellung der Eltern noch immer eine große Rolle, aber die Jugend heutzutage hat definitiv mehr Möglichkeiten zum treffen, zum verständigen, zum flirten und sich kennenzulernen. Die Geschichte ist trotzdem interessant, traurig, nachvollziehbar aber auch zeitlich nicht mehr ganz passend und aktuell.


    Fazit: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    :study: 13 Gebote (Mortimer Müller) 274 / 426 Seiten

    :study: Einfach Mensch sein (Sy Montgomery) 0 / 208 Seiten


    SUB: 857

  • Meine Meinung: Ein gutes, ein interessantes Buch, sehr dramatisch, aber irgendwie auch ein bisschen zu spät. Das Drama funktioniert natürlich auch heute noch, aber nach dem Film 'Brokeback Mountain' ist das Buch 2017 (Copyright) bzw. 2018 im deutschsprachigen Raum ein wenig spät für dieses Drama. Die biografische Erzählung spielt ca. in den 1966er Jahren bis 2016, aber mittlerweile ist durch das Zeitalter des Internets einiges mehr möglich, so dass diese Art von Biografie bzw. Problematik in den Hintergrund rückt. Zwar spielt die Einstellung der Eltern noch immer eine große Rolle, aber die Jugend heutzutage hat definitiv mehr Möglichkeiten zum treffen, zum verständigen, zum flirten und sich kennenzulernen. Die Geschichte ist trotzdem interessant, traurig, nachvollziehbar aber auch zeitlich nicht mehr ganz passend und aktuell.


    Fazit: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:

    Es geht ja nicht nur um die sexuelle Orientierung, sondern ebenso um die Gesellschaftsschicht und neuerdings wieder um Religion. Sich für Partnerin/Partner von der Herkunftsfamilie loszusagen, scheint mir inzwischen vielfach schwieriger als z. B. vor 50 Jahren. Daher finde ich die Thematik des Romans keineswegs veraltet. Ich habe noch nie so oft gehört wie gerade jetzt, dass Paare sich bei der Partnerwahl der Gesellschaftsschicht, Weltanschauung oder Religion ihrer Eltern beugen, weil sie ohne deren finanzielle und babysitterische Unterstützung allein nicht klarkommen. Ich hätte mir damals, ehrlich gesagt, nicht einfallen lassen, die Religion meines Partners nach Wunsch meiner Eltern zu wählen ...

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Weber - Bannmeilen (Paris)

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Ich hätte mir damals, ehrlich gesagt, nicht einfallen lassen, die Religion meines Partners nach Wunsch meiner Eltern zu wählen ...

    Ich auch nicht ... und ich finde es furchtbar, wenn Eltern so manipulativ sind und Unterstützung, die sie "normalerweise" zu leisten bereit gewesen wären, verweigern, wenn ihnen irgendwas an der Partnerwahl nicht passt.

  • Es geht ja nicht nur um die sexuelle Orientierung, sondern ebenso um die Gesellschaftsschicht und neuerdings wieder um Religion. Sich für Partnerin/Partner von der Herkunftsfamilie loszusagen, scheint mir inzwischen vielfach schwieriger als z. B. vor 50 Jahren. Daher finde ich die Thematik des Romans keineswegs veraltet.

    In erster Linie geht es ja schon um die sexuelle Orientierung, um Menschen zu treffen, die gleich lieben und zu der Zeit war es auch absolut okay, aber 2021 ist das halt nicht mehr ganz so kompliziert, da ist man dann auf einer der großen Datingportale für gleichgeschlechtliche Liebe und schreibt das man aus dem Umkreis oder Dorf so und so kommt und vermutlich sieht man dann auch, dass auch andere daher kommen. Also die erste Kontaktaufnahme ist definitiv sehr viel leichter als damals um 1960. Heutzutage gibt es zweifelsohne andere Probleme, wie Gesellschaftsschicht, Religion, Politik, persönliche Dinge oder Laster etc. ... meine Kritik trifft schon zu und dadurch, dass das Buch nach dem Film Brokeback Mountain rauskam ist das Thema auch nicht wirklich neu. Insgesamt haben sich die Problematiken definitiv aber verschoben. Die erste Kontaktaufnahme, Flirten und Treffen mit anderen desselben Geschlechts ist völlig unkompliziert und bekommen viele Eltern gar nicht mit. Zweifelsohne gibt es trotzdem noch Differenzen mit den Eltern, aber auch da hat sich vieles in den letzten Jahren verändert und der Schwerpunkt des Buches ist halt in diesem Fall die Kontaktaufnahme.

    :study: 13 Gebote (Mortimer Müller) 274 / 426 Seiten

    :study: Einfach Mensch sein (Sy Montgomery) 0 / 208 Seiten


    SUB: 857