Reni Eddo-Lodge - Warum ich nicht länger mit Weissen über Hautfarbe spreche / Why I'm no longer talking to White People about race

  • Kurzmeinung

    Cordi
    Wichtiges Thema, regt zum Nachdenken an. Die Sprecherin war allerdings nicht meins.
  • Kurzmeinung

    Enigmae
    komplex, fundiert, Augen öffnend und sehr gut recherchiert
  • Buchtipps zum Thema

  • Klappentext von der Verlagsseite

    »Dieses Buch verlangte danach, geschrieben zu werden. Es ist die Art von Buch, die eine Zukunft einfordert, in der wir solche Bücher nicht mehr brauchen. Essenziell.« Marlon James, Gewinner des Man Booker Prize 2015

    Viel zu lange wurde Rassismus als reines Problem rechter Extremisten definiert. Doch die subtileren, nicht weniger gefährlichen Vorurteile finden sich dort, wo man am wenigsten mit ihnen rechnen würde – im Herzen der achtbaren Gesellschaft.

    »Reni Eddo-Lodges Buch ist ein Geschenk, weil es klar und deutlich beschreibt, was struktureller Rassismus ist und warum Weiß-Sein in unseren Gesellschaften ein Privileg ist. «

    Laura Freisberg, BR-Kulturwelt, 31.01.2019

    Was bedeutet es, in einer Welt, in der Weißsein als die selbstverständliche Norm gilt, nicht weiß zu sein? Reni Eddo-Lodge spürt den historischen Wurzeln der Vorurteile nach, und zeigt unmissverständlich, dass die Ungleichbehandlung Weißer und Nicht-Weißer unseren Systemen seit Generationen eingeschrieben ist. Ob in Politik oder Popkultur – nicht nur in der europaweiten Angst vor Immigration, sondern auch in aufwogenden Protestwellen gegen eine schwarze Hermine oder einen dunkelhäutigen Stormtrooper wird klar: Diskriminierende Tendenzen werden nicht nur von offenen Rassisten, sondern auch von vermeintlich toleranten Menschen praktiziert. Um die Ungerechtigkeiten des strukturellen Rassismus herauszustellen und zu bekämpfen, müssen darum People of Color und Weiße gleichermaßen aktiv werden – »Es gibt keine Gerechtigkeit, es gibt nur uns.«

    Autoreninfo von der Verlagsseite:

    Reni Eddo-Lodge, geboren 1989 in London, ist preisgekrönte Journalistin und Bloggerin. Sie schreibt unter anderem für »The Guardian«, »The New York Times« sowie »The Independent« und spricht regelmäßig öffentlich über gesellschaftliche Themen wie systeminhärenten Rassismus oder schwarzen Feminismus.

    Erster Satz:

    Am 22. Februar 2014 veröffentlichte ich einen Post auf meinem Blog.


    Aufbau:


    Die Titelschrfit von "Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche" ist in den Farben Weiß und Schwarz gehalten. Wobei man die Wörter "mit Weißen" auf dem weißen Hintergrund kaum erkennt.

    Das Buch ist eingeteilt in acht Kapiteln, denen einen Vorwort vorangestellt ist. Außerdem gibt es Anmerkungen, eine Bibliographie, Dank und Register.

    Meinung:

    Reni Eddo-Lodge ist mit ihrem Buch "Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche" nicht erst seit ihrer Podcast-Reihe "About Race" in aller Munde. Endlich ist das Buch nun auch in Deutsch erschienen und es hat mir so einige nachdenkliche Momente beschert.

    Eddo-Lodge ist ein hartes und deutliches Buch. Zeigt es doch den existierenden strukturellen Rassismus in Großbritannien auf. Wer jetzt denkt, das ficht mich nicht an, der irrt sich. Struktureller Rassismus gibt es in jeder Gesellschaft auch in Deutschland. Auch hier werden People of Color (PoC) und Black and Minority Ethnic (BME) benachteiligt.

    Ich bin mir meiner weißen Hautfarbe bewusst und auch, dass ich dadurch Vorteile habe. Vorteile, die mir zugestanden werden, weil ich gerade mit dieser Hautfarbe geboren worden bin, hier in der westlichen Welt. Die anderen nicht zugestanden werden, obwohl sie hier geboren, aufgewachsen und gelernt haben. Alles nur, weil sie nicht weiß sind. Weiß sein ist ein Privileg, aber ein ungerechtes. Auch das müssen wir uns eingestehen.

    Umso erschreckender finde ich, dass Eddo-Lodge, die von Geburt an Britin ist und sich auch als solche sieht, durch ihre Hautfarbe ausgegrenzt wird. Am Sonntag gab es in "ttt - Titel, Thesen, Temperamente" einen Beitrag zu diesem Buch. Ich verlinke ihn mal hier.

    Sie bezieht sich allerdings in ihrem Werk auf Großbritannien und zeigt vom historischen Abriss bis heute auf wie PoC benachteiligt werden. Nicht immer mit offenem Rassismus, sondern auch unterschwellig durch White-priviledge Personen, sei es im Bildungswesen, in der Arbeitswelt oder in der Gesundheitsfürsorge. Es ist erschreckend, wie sehr weiße Menschen bevorzugt werden, allein wegen ihrer Hautfarbe. Noch schlimmer finde ich, dass darüber hinweggesehen wird, dass wir weiße Menschen, egal ob Mann oder Frau, strukturell und institutionell einen immerwährenden Vorteil genießen und wir uns dessen, nicht bewusst sind und uns auch allzuoft schwerfällt zu verstehen, was BME erleben und erleiden müssen.

    Für mich waren die Kapitel aufrüttelnd und berührend, oft musste ich das Buch zur Seite legen um das gelesene verarbeiten zu können. Dabei beziehe ich mich nun nicht nur auf den historischen Fakten teil, sondern auch die Beispiele, die Eddo-Lodge immer wieder anführt, sei es die Hetzjagd gegen einen schwarzen Jugendlichen und die Verurteilung der Täter erst nach zwanzig Jahren, wie die Medien über Rassismus berichten oder Staat Taten vertuschte, sondern auch wie Feminismus und gesellschaftlicher Stand mit Rassismus zusammenspielen. Erschreckend und sehr deutlich.

    Fazit

    "Warum ich nicht länger mit Weißen über Hautfarbe spreche" ist ein wichtiges Buch, ein sehr wichtiges. Es rüttelt auf und regt einen zum Nachdenken über das eigene Leben und über die eigenen Privilegien an.


    Bewertung:

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    Liebe Grüße von der buechereule :winken:


    Im Lesesessel


    Kein Schiff trägt uns besser in ferne Länder als ein Buch!
    (Emily Dickinson)



    2024: 010/03.045 SuB: 4.302

    (P/E/H: 2.267/1.957/78)

  • Liebe Grüße von der buechereule :winken:


    Im Lesesessel


    Kein Schiff trägt uns besser in ferne Länder als ein Buch!
    (Emily Dickinson)



    2024: 010/03.045 SuB: 4.302

    (P/E/H: 2.267/1.957/78)

  • Inhalt
    2018, 2 Jahre nach der Volksabstimmung über den Brexit Großbritanniens, legte die 1989 geborene Reni Eddo-Lodge im englischen Original eine eloquente Schrift gegen den Alleinvertretungsanspruch weißer Feministinnen vor. Sie erläutert zunächst die Urangst der Briten als ehemalige Kolonialmacht, von Farbigen in eine Minderheitsposition gedrängt zu werden. Nach einer von ihr zitierten Berechnung würden weiße Briten (derzeit 80% der Bevölkerung) spätestens im Jahr 2066 in der Minderheit sein. Eine Hochrechnung, wie viele sog. Ankerbabys in England von Migrantinnen aus der EU geboren werden und welche Unsummen damit zu sparen wären, wenn die Geburt kleiner EU-Bürger auf britischem Boden verhindert würden, hat rassistische Positionen in Großbritannien gesellschaftsfähig gemacht. Eddos Ankündigung nicht mehr - mit Weißen - über Hautfarbe zu diskutieren, basiert auf der Überzeugung, dass ihre Generation, gebildet und angepasst, nicht britischer sein könnte, diese Tatsache in den Medien jedoch noch immer nicht nachvollzogen sei. Sie befasst sich mit Stereotypen, mit falschen/diskriminierenden Lobessprüchen wie „für ein schwarzes Mädchen bist du aber hübsch/erfolgreich/eloquent“, mit strukturellem Rassismus wie der Bewertung farbiger Personen vor Gericht, den Wohnverhältnissen und dem höheren Armutsrisiko farbiger Briten. Ein zentrales Thema Eddo-Loges ist die Übernahme feministischer genderbezogener Positionen durch weiße Akademikerinnen. Schließlich kratzt die Autorin kurz die „Rückseite“ von Kritik an rassistischen Einstellungen an, nämlich die Selbstzensur, die Polizei und Behörden sich auferlegen, um nicht als Rassisten bezeichnet zu werden. Dieses Thema erfordert sicher mehr als nur Appelle; ich finde es viel zu kurz abgehandelt.


    Die entscheidende Frage ist hier für mich, was ich aus einem explizit auf britische Verhältnisse bezogenen Aufruf profitieren kann. Eddo-Lodges preisgekrönter Text erläutert u. a. den Zusammenhang von sozialer Schicht, Lebensverhältnissen und Hautfarbe. Er bezieht sich auch auf die - aus deutscher Perspektive ungewöhnliche - Selbsteinstufung von Briten in Klassen. Die Autorin selbst betrachtet sich als Anglistin und Journalistin als „Arbeiterin im Dienstleistungsbereich“. Ein entsprechendes Klassenbewusstsein kennen wir in Deutschland nicht, hier erodiert die klassische Arbeiterschicht seit langem, deshalb halte ich Eddo-Lodges Statements für kaum übertragbar. Die Interpretation empirischer Daten fällt im Buch für meine Ansprüche zu schmal aus. Wenn z. B. je nach Herkunft 30-65% farbiger Erwachsener in schlecht bezahlten Jobs arbeiten und die 65% die pakistanische Community betreffen, würde ich gern wissen, wie dieser eklatante Unterschied zustande kommt. Da ich mich mit Strukturkrisen in Großbritannien und mit muslimischen Parallelgesellschaften generell intensiv beschäftigt habe, war mir Eddo-Lodges Darstellung in diesem Bereich wirtschaftshistorisch und die Religion betreffend zu knapp und zu einseitig.


    Fazit
    Durch den verengten Focus einer Geisteswissenschaftlerin und die speziell britischen Verhältnisse halte ich das Buch eher für deutsche Leser mit Landeskenntnissen für interessant.


    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5:


    (10.5.2019)

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Toibin - Long Island

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow