Stephan Thome - Gott der Barbaren

  • Kurzmeinung

    Mojoh
    Toller historischer Roman mit einer seltenen Objektivität. Interessante Geschichte.
  • Kurzmeinung

    Squirrel
    Absolute Leseempfehlung, ein gelungenes Buch, dass ohne Vorurteile diese grausame Zeit von allen Seiten beleuchtet
  • Überblick

    Taiping-Aufstand (1851–1864)

    Opium-Kriege (1839–1842), (1856–1860)

    James Bruce, 8. Earl of Elgin und 12. Earl of Kincardine (* 20. Juli 1811, London; † 20. November 1863, Indien), britischer Kolonialbeamter und Diplomat

    Zeng Guofan (Pinyin Zēng Guófān, * 21. November 1811, Hunan,† 12. März 1872, Nanjing), hoher chinesischer Beamter der Qing-Dynastie

    Hong Xiuquan (1814–64), Anführer des Taiping-Aufstands

    Philipp Johann Neukamp/Fei Lipu, fiktive Figur, Teilnehmer der Revolution von 1848


    Inhalt

    Philipp Johann Neukamp will dort leben, wo keine Fürsten herrschen. Als robuster Kerl mit einem Talent für fremde Sprachen wird er in Deutschland von Karl Gützlaff als Missionar angeworben. Die Missionsgesellschaft hat nur 15 Mitglieder, so dass sich ein vorsichtiger Zeitgenosse fragen würde, ob man Gützlaff Spendengelder anvertrauen sollte. 1850 bricht Philipp per Schiff nach China auf. Englisch lernt er durch Zuhören an Bord, Chinesisch-Unterricht erhält er in Singapur, zumindest glaubt er das, bis er auf seinen sonderbaren Dialekt angesprochen wird. Als Philipp in Hongkong ankommt, ist Gützlaff tot und der junge Deutsche braucht einen neuen Job. Aus Philipp wird Fei Lipu, die fiktive Figur eines durchtriebenen Abenteurers, neben den historischen Figuren Lord Elgin (James Bruce) und General Zeng Guofan. Anpassungsfähig wie er ist, weiß Fei zwar noch nicht, wie er zwischen den verschiedenen chinesischen Dialekten Menschen zum Christentum missionieren soll, ihm ist allerdings klar, dass sie bereits Götter und eine Religion haben und es besser ist, nichts zu kritisieren, was sie wertschätzen.


    1837 nimmt der junger Chinese Hong Xiuquan an der landesweiten Beamtenprüfung teil, dem einzigen Weg, auf dem er durch Bildung und Fleiß Karriere machen könnte. Hong scheitert, erleidet einen Zusammenbruch und anschließend eine Vision, er wäre ein Bruder Jesu. Unter Einfluss eines Missionars und von christlichen Traktaten soll er eine Sekte mit über 20 000 Mitgliedern gegründet haben. Ursache des Taiping-Aufstands (1851–1864) und sein Antrieb waren u. a. ethnische Konflikte um die Yao und die Hakka.


    Lord Elgin wurde nach mehreren anderen Stationen 1857 zum Sonderkommissar in China ernannt, kurz nach Beginn des Zweiten Opiumkrieges. Als Vergeltung für die Hinrichtung englischer und französischer Gesandter befiehlt Elgin eine Strafexpedition, bei der der Sommerpalast des Chinesischen Kaisers ausgeraubt und niedergebrannt wird. Als Sohn des wegen seiner Kunstraubzüge schon zu Lebzeiten umstrittenen 7. Lords Elgin (1766-1841) muss der 8. Lord Elgin sich von seinen Landsleuten Hohn und Spott wegen seiner barbarischen Aktion gefallen lassen. Elgins Vorfahr ist als Kunsträuber bis heute so verrufen, dass es mir schwer fiel, seinen Sohn nicht ebenfalls als gierigen Ignoranten zu sehen. Wie historische Ereignisse die Einstellung späterer Generationen prägen, lässt sich hier wunderbar studieren.


    Im Umfeld von General Zeng Guofan entwickelte sich aus meiner Sicht das interessante Thema, wie Zeng strategisches Denken lernte und wie er selbst seine Fähigkeiten weitergeben wird.


    Die Begegnung dieser Männer führt immer wieder zur Frage, ob eine Kultur einer anderen überlegen sein kann und welcher Weg moralisch akzeptabel wäre, für die eigene Kultur oder Religion zu werben. Auch wenn ich mich anfangs gefragt habe, wie ich im 21. Jahrhundert von einem historischen Roman (mit fiktivem Anteil) über den Taiping-Aufstand profitieren könnte, fand ich die Begegnung der Figuren von Beginn an faszinierend. Eine wichtige Rolle spielen die Dolmetscher, die beide Sprachen beherrschen und deren Aufgabe die Vermittlung zwischen den Kulturen wäre. Niemand erkannte, dass Kulturen einen Weg finden müssen, um über Dinge zu sprechen, die im jeweils anderen Land nicht existieren. Die Europäer jedenfalls konnten bei aller Gier auf Chinas Reichtümer nicht erkennen, dass sie selbst – wie sie aussehen, wie sie sprechen, wie sie riechen - von den Chinesen für rothaarige Teufel und Barbaren gehalten werden. Wie eine Missionierung funktionieren soll, wenn einer anderen Kultur das Konzept eines einzigen Gottes unbekannt ist, konnte Philipp/Fei Lipu sich wegen dieser Spachlosigkeit vermutlich kaum überlegen. Während die Figuren sich kluge Gedanken darüber machen, was einen Barbaren ausmacht, kann man als Leser dabei seinen eigenen Gedanken nachhängen. „Die schlimmsten Barbaren sind die, die sich irrtümlich für Chinesen halten“ stellt jemand im Roman weise fest. Vielleicht macht es einen ja zum Barbaren, wenn man nicht bemerkt, dass man man allgemein menschlich betrachtet oder aus der Perspektive einer anderen Kultur barbarisch handelt.


    Fazit

    Mit der Nüchternheit eines Europäers wirft Stefan Thome zeitlose Fragen auf nach Wertschätzung fremder Kulturen, kultureller Überheblichkeit, Assimilierungsdruck oder Religion als Antrieb internationaler Konflikte. Ein Icherzähler spricht den Zuhörer direkt an, zahlreiche Briefe und Dokumente geben zusätzlich Einblick in die Denkweise jener Zeit.


    Zum Hörbuch (18 CDs), 1330 MInuten

    Das Booklet mit historischen Fotos, Karten, Zeittafel, Personenliste in Chinesisch und Umschrift und Inhaltsverzeichnis des Buches hat mir den Zugang zum Hörbuch erheblich erleichtert. Mit sonorer Stimme zeigt Johannes Steck sich hier als klug gewählte Besetzung für einen anspruchsvollen historischen Text mit zahlreichen chinesischen Orts- und Personennamen.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Mit sonorer Stimme zeigt Johannes Steck sich hier als klug gewählte Besetzung für einen anspruchsvollen historischen Text mit zahlreichen chinesischen Orts- und Personennamen.

    :thumleft:

    Vielleicht sollte ich es als Hörbuch irgendwann nochmal probieren, da bleibe ich immer länger dran, beim ebook bin ich leider abgestorben.

  • :thumleft:

    Vielleicht sollte ich es als Hörbuch irgendwann nochmal probieren, da bleibe ich immer länger dran, beim ebook bin ich leider abgestorben.


    Das Hörbuch finde ich ziemlich anstrengend, weil dir die Optik der verschiedenen Dokumente aus der Printausgabe fehlt. Ich habe mich immer gefragt, hast du nun wirklich alles gehört oder fehlt dir was ...

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Squirrel

    Hat das Label Historisch hinzugefügt.
  • Buchdoktor Hörbücher haben bei uns einen eigenen Genre-Bereich. Ich hab deine Rezension deshalb in einen eigenen Rezensionsthread umgewandelt und dorthin verschoben :wink:

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Kai Seyfarth - Entscheidung in Aleppo: Walter Rößler, Helfer der verfolgten Armenier