Antoine Laurain - Ein Tropfen vom Glück / Millésime 54

  • Midnight in Paris


    Dieser Roman von Antoine Laurain versprach von Anfang an vergnüglich zu werden. Ungewöhnlich sind die Handlungselemente in der Tat: Ufo-Sichtungen, Zeitreisen, Familiengeheimnisse, Liebesgeschichten, und eine Prise Melodram. Dazu eine Handvoll skurriler bis liebenswerter Charaktere, die im heutigen Paris aufeinander treffen. Man durfte gespannt sein, wie diese Elemente verwoben werden. Herausgekommen ist ein ausgesprochen unterhaltsames Buch, das ich aber dennoch nicht – ganz – als den „großen Wurf“ bezeichnen würde.


    Zu Beginn des Buches konnte ich mir gar keinen Reim darauf machen, was mich erwarten würde. In den 50er Jahren wird verschiedentlich im ländlichen Frankreich über Ufo-Sichtungen berichtet. Unter anderem von Pierre Chauvain, einem Winzer, der schließlich in den 70ern spurlos verschwindet. Dann ein Schwenk ins heutige Paris. Nacheinander werden die Hauptfiguren eingeführt, die alle im selben Haus wohnen: der ein wenig spießige Verwalter, ein junger Barmann, der heimlich in die Restauratorin aus dem Erdgeschoss verliebt ist, und ein amerikanischer Tourist, der eine Wohnung im 3. Stock vorübergehend gemietet hat. Diese vier trinken nach einer Mieterversammlung (und einem versuchten Einbruch) gemeinsam eine Flasche Wein, die aus dem Jahr 1954 stammt – eben dem Jahr der Ufo-Sichtung vom Beginn. Am nächsten Morgen wachen sie auf, und alles ist anders…


    Zu diesem Zeitpunkt war aber bereits ein Drittel des Buches vorüber, und ich fragte mich, was wohl noch kommen mochte. Jeder der Vier wird geschildert, wie er in seinen Tag startet, und wie er (oder sie) so langsam entdeckt, dass er in der Vergangenheit gelandet ist. Das ist teilweise lustig, teilweise auch dramatisch. Alle Vier treffen zusammen, und beratschlagen, was zu tun sei. Der Barmann hat schließlich den rettenden Einfall, einen Ufologen aufzusuchen – dessen Buch allerdings erst in der Zukunft erscheinen wird. Der Ufologe rät, an den Ursprung zurückzukehren – zu der Ufo-Sichtung, die am nächsten Tag stattfinden „wird“. Den letzten Abend im Paris des Jahres 54 verbringen die Vier gemeinsam – und hier werden noch einmal etliche nette und überraschende Elemente vom Autor aufgefahren. Man trifft berühmte Persönlichkeiten, oder man hat endlich Gelegenheit, diversen Strängen der eigenen Familiengeschichte nachzugehen. Am nächsten Tag ähnelt die Handlung dann sehr dem Konzept „Zurück in die Zukunft“, was nur noch wenig Überraschungen bot. Doch der Zeitsprung zurück gelingt, und man erwacht im Jahr 2017 mit einem leichten Jetlag, zu einer ein wenig zuckersüß veränderten Gegenwart.


    Das Buch ist für mich atmosphärisch in drei Teile zerfallen. Die Einleitung, das erste Drittel, hatte den Charme einer Screwball- Komödie. Wie die Figuren eingeführt werden, ist wirklich allerliebst. Jeder hat so seine Macken – der Barmann ist idealistisch und schüchtern, der Hausverwalter versnobt, die Restauratorin ist eine „Gothic-Braut“, und der Amerikaner ist ein wenig tollpatischig, aber herzlich (er unternimmt die Reise stellvertretend für seine im Koma liegende Frau).


    Das mittlere Drittel hat mich dann tatsächlich an den Woody-Allen-Film „Midnight in Paris“ erinnert. Man trifft berühmte Persönlichkeiten, und lernt sie ein wenig näher kennen. Cocteau, Godard, Truffaut. Edith Piaf und Jean Gabin. Salvador Dalí. Das war zwar alles liebenswert, aber hier sehe ich auch eine Schwäche des Buches. Denn das Treffen mit den Berühmtheiten ändert nicht eben viel. Dass Julien und Magalie sich lieben, wusste man auch schon vorher; da hätte es den „Rat“ der Piaf nicht gebraucht. Viel spannender hätte ich es gefunden, wenn der Besuch unserer Zeitreisenden in der Vergangenheit (!) etwas geändert hätte. Wenn man zum Beispiel erfahren hätte, dass ein Chanson oder ein Film (oder was auch immer) durch einen nie geklärten „Besuch“ von vier Fremden zustande kam. So bleibt dieser Teil des Buches nett, aber weitestegehend folgenlos.


    Und wie bereits gesagt, der „Endspurt“ des Buches gemahnt dann wirklich an den berühmten Film mit Michael J. Fox. Es gibt ein Paradoxon, das es zu vermeiden gilt, und der verschwundene Großvater taucht auch wieder auf. Er muss ebenso heil zurück befördert werden, darf sich selbst im Jahr 54 aber nicht begegnen. Man kennt das.


    Das mag kritisch klingen – aber letztlich habe ich die Lektüre wirklich genossen. An einem einzigen Tag hatte ich das Buch durchgelesen. 5 Sterne mag ich aber dennoch nicht geben. Das liegt wie gesagt an der leichten „Verflachung“ im Mittelteil, und auch an den ein wenig übertriebenen Elementen, die „nicht hätten sein müssen“. Der Hausverwalter deckt ganz per Zufall während der Zeitreise ein Familiengeheimnis auf, das sich schon fast wie eine Räuberpistole liest. Und der Amerikaner betet um ein Wunder für seine Frau… A propos Amerikaner. Hier hätte ich gerne die französische Originalversion des Buches gelesen. Denn der Amerikaner spricht offenbar ein gebrochenes Französisch, was seine liebenswerte Verpeiltheit unterstreichen soll. Nur ist das in der Übersetzung nicht so wirklich gelungen. Das gebrochene Deutsch, das hier gewählt wurde, ist bei uns leider mit ganz anderen kulturellen Stereotypen besetzt; verfehlt also seinen Zweck. Hier hätte ich vielleicht lieber diese Stellen unübersetzt gelassen, und Fußnoten eingefügt.


    Mein Fazit: das Buch ist als gehobene Unterhaltung durchaus zu empfehlen, da der Autor seine Figuren mit Herzblut schildert, und unzweifelhaft auch das Paris der 50er liebt. Es hat mir nur an der „Botschaft“ des Buches und an der Stringenz der Handlung gemangelt.

    "Ein Mensch, der Ideale hat/
    Der hüte sich, sie zu erreichen!/
    Sonst wird er eines Tags anstatt/
    Sich selber andern Menschen gleichen."
    (Erich Kästner) :):)

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Antoine Laurain - Ein Tropfen vom Glück“ zu „Antoine Laurain - Ein Tropfen vom Glück / Millésime 54“ geändert.
  • Oh, wie ich sehe, hat man das Cover unverändert gelassen... eine sehr gute Idee! Mir gefällt es jedenfalls richtig gut.

    "Ein Mensch, der Ideale hat/
    Der hüte sich, sie zu erreichen!/
    Sonst wird er eines Tags anstatt/
    Sich selber andern Menschen gleichen."
    (Erich Kästner) :):)


  • Mitreißend - Absolut Empfehlenswert

    Wow - selten gibt es einen Roman, den ich innerhalb weniger Stunden verschlinge; das Buch beiseite legen? Nicht möglich.


    Vier Nachbarn in Paris gehen nach dem Trinken einer Flasche Wein aus dem Jahr 1954 auf eine Zeitreise in das Jahr 1954. Sie erkennen ihre Stadt nicht wieder. Das Paris der fünfziger Jahre wartet mit Überraschungen auf die vier. Für alle vier wird die Zeitreise zu einer Gelegenheit, sich über ihre Gefühle klar zu werden. Doch was können sie daraus für ihre Zukunft mitnehmen?


    Eine tolle unterhaltsame wie wundervolle Geschichte, in die man leicht eintaucht und schnell in das Geschehen eingebunden wird. Paris im Jahr 1954 ist definitiv interessant - die Stadt kommt einem beim Lesen so richtig Nahe.

    Ich persönlich habe generell eine Vorliebe für Zeitreisegeschichten und diese konnte mich absolut überzeugen. Von mir gibt es eine Leseempfehlung.

  • Nach dem Schrecken eines Einbruchs verbringen vier Leute im September 2017 zusammen einen fröhlichen Abend. Da gibt es Magalie Lecoeur, eine Restauratorin, und Julien Chauveau, ein Barmann, beide Ende 20. Und da sind außerdem Hubert Larnaudie, ein Immobilienmakler, und der US-amerikanische Tourist Bob Brown. Alle vier genießen eine Flasche Château Saint-Antoine aus dem Jahr 1954, doch nach dem Abend folgt am nächsten Morgen ein erstaunliches Erwachen. Sie wurden in das Jahr des Weines zurückversetzt und finden sich plötzlich im Paris der 1950er wieder, das mit einigen Überraschungen aufwartet. Während sie erst die Erfahrung auskosten, stellt sich allmählich eine wichtige Frage: Wie kommen sie zurück in die Zukunft?


    „Ein Tropfen vom Glück“ ist ein Roman von Antoine Laurain.


    Meine Meinung:

    Der Roman ist eingeteilt in etliche Kapitel mit einer angenehmen Länge. Erzählt wird abwechselnd aus der Sicht der vier Protagonisten. Dieser Aufbau funktioniert sehr gut.


    Der Schreibstil ist unspektakulär, aber flüssig, süffig und anschaulich. Der Einstieg in die Geschichte fiel mir leicht.


    Die vier Protagonisten sind recht unterschiedlich, aber durchweg reizvolle Charaktere. Vor allem Magalie, Julien und Bob waren mir schon nach wenigen Seiten sympathisch. Ihre Gedanken und Gefühle lassen sich gut nachvollziehen. Die Personen wirken liebenswert und realitätsnah.


    Die Idee der Zeitreise hat meine Aufmerksamkeit auf den Roman gezogen. Auch das Setting, das Paris der 1950er-Jahre, ist sehr ansprechend.

    Inhaltlich kann die Geschichte mehrere Überraschungen bieten. Die Lektüre ist kurzweilig, was nicht nur an der eher geringen Seitenzahl liegt. Dafür sorgen auch sowohl humorvolle als auch bewegende Passagen. Im Großen und Ganzen habe ich die Handlung zudem als schlüssig empfunden. Allerdings schöpft der Roman das Potenzial einer Zeitreise nicht ganz aus.


    Das nostalgisch anmutende, hübsch gestaltete Cover passt gut zu den 1950er-Jahren. Der deutsche Titel klingt etwas kitschiger als das französische Original („Millésime 54“), was ich aber okay finde.


    Mein Fazit:

    „Ein Tropfen vom Glück“ von Antoine Laurain ist ein unterhaltsamer Roman mit einer charmanten Grundidee. Die Geschichte mit Wohlfühlatmosphäre hat mir schöne Lesestunden bereitet.


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