Jeannette Lander - Überbleibsel

  • Zum Inhalt:


    Jeannette Lander, 1931 als Kind polnisch-jüdischer Einwanderer in New York geboren, hat in diesem Roman eine Protagonistin mit einer Geschichte entwickelt, bei der schwer zu entscheiden ist, welche Elemente erfunden und welche Landers eigener Biografie entnommen sind.


    Die Ich-Erzählerin, mit einer klassischen jiddischen Mamme gesegnet, lernt schon als kleines Mädchen die Sinnlichkeit des Kochens und die Wertschätzung für ein achtsam und liebevoll zubereitetes Mahl kennen, selbst wenn dieses, wie bei armen Leuten oft der Fall, aus Resten – Überbleibseln – zusammengestellt wird. Autobiografisch-anekdotenhaft, aber natürlich literarisch ausgestaltet (weshalb ich es hier der Belletristik zugeordnet habe), stets voller Wärme entführt Lander die Leserinnen und Leser in die kulinarische Welt einer Kindheit in New York und Atlanta sowie der aus Warschau stammenden Mutter, deren Kochweisheiten sich die Heldin des Romans zu eigen gemacht hat, nun in ihrer modernen Berliner Küche nicht immer ganz koscher zelebriert und an ihren Freundeskreis, ihre Kinder und natürlich ihre Leserschaft weitergibt. Es geht also durchaus um Rezepte, aber vielmehr um die Geschichten hinter diesen Rezepten und um eine Einstellung zum Kochen, die diesen Vorgang nicht nur auf das Zerkleinern und Erhitzen von Lebensmitteln reduziert, sondern zu einer ganzheitlichen Lebensauffassung ausgestaltet.



    Meine Meinung:


    Ich habe auch beim mittlerweile vierten oder fünften Lesedurchgang immer noch glücklich-motiviert zwischen einfachsten und hochkomplizierten Rezepten und Menüfolgen geschwelgt, vor allem aber in Jeannette Landers warmherziger und oft selbstironisch zwinkernder Lebensphilosophie des (manchmal übertrieben) lustvollen Umgangs mit der Beschaffung von Lebensmitteln, ihrer Zubereitung und ihrem Genuss, gern gemeinsam mit lieben FreundInnen oder der Familie.


    Das Buch ist mir erstmals bei einer Lesung der Autorin auf der Leipziger Buchmesse begegnet, als ich selbst - eine junge Studentin, die daheim nichtmal in die Nähe des streng von der Großmutter bewachten Herdes konnte - das Kochen gerade für mich entdecken durfte.


    Eine Weisheit der jiddischen Mamme hat mein Kochverhalten bis heute entscheidend geprägt, was die Ordnungsliebe in der Küche während des Kochens betrifft:
    „(...) muss man die Devise von meiner Mama beherzigen, die da lautet: ‚Gleich.‘ Gleich sollte ich alles tun, nicht nachher, nicht später, nicht einmal bald, sondern gleich. ‚Bist di fartig mit a Leffele, wasch ub un leg aweg. Gleich.‘ – ‚Host di abgeschubt die Mährelach, werf die Schubselach aweg un wisch ub die Tisch. Gleich.‘ – ‚Az es fällt eppes arub, nemm a Besele un kehr es zisammen. Gleich.‘“ (Seite 144)

    So sieht man auch im Hause Sarange immer, wer gerade kocht, mein Mann oder ich. :lol:


    Leider ist dieses wunderschöne Buch nur noch antiquarisch erhältlich.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :montag: Jane Austen - Stolz und Vorurteil (Reread)

    :montag: Sally Coulthard - Am Anfang war das Huhn