Hier komnt Enola Holmes!
Kaum zu glauben, dass es diese liebenswerte und pfiffige Serie im Original schon seit sage und schreibe sechs Bänden geben soll… Bei anderen Conan-Doyle-Spin-Offs sind die Verlage deutlich schneller gewesen. Aber seien wir als Leser froh, dass es Enola Holmes nun auf den deutschen Buchmarkt geschafft hat!
Sherlock und Mycroft Holmes haben in dieser Version also tatsächlich eine Schwester! Diese lebt abgeschieden und aus ein wenig unklaren Gründen mit ihrer Mutter allein auf einem Landgut, seit dem Tod des Vaters. Eines Tages, am Geburtstag von Enola, verschwindet Lady Holmes spurlos. Die beiden berühmten Brüder wollen die „unerzogene“ und ein wenig wild geratene Enola in ein Internat verfrachten. Doch da haben sie die Rechnung ohne Enola gemacht…
Dieses Buch, das erste der Reihe, besteht eigentlich aus zwei Büchern. Der „Fall des verschwundenen Lords“ ist da fast eine Nebensache, was dem Charme der ganzen Sache jedoch nicht abträglich ist. Zuvorderst geht es um Enola, ihren Charakter, die ganzen Umstände, und die Art ihrer Flucht, ihres „Ausbruchs“. Und wie sie zu ihrer Berufung, nämlich ebenfalls dem Aufklären von Fällen, findet. Das Buch ist also einerseits Detektivgeschichte, andererseits Abenteuerroman in bester viktorianischer Tradition, samt Verfolgungsjagden und zwielichtigen Charakteren. Insofern hat mich das Buch oft sehr an Dickens erinnert…!
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Enola selbst. Sie ist erst 14 Jahre alt, dank der eher unkonventionellen Erziehung durch ihre Mutter jedoch pfiffig, scharfsinnig und auch ein wenig stur. Was sich für eine „Dame“ ihrer Zeit gehört, mag sie wissen – hält sich jedoch nicht immer daran…! Sie fährt Fahrrad, verkleidet sich, treibt sich im Londoner East End herum, gibt sich als Witwe aus… und entwischt letztlich sogar dem berühmten Sherlock Holmes! Dabei hat Enola als Erzählerin durchaus Witz, und ein Auge für sprechende Details.
Der zeitgenössische Bezug ist sehr gut gemacht! Die Ausdrucksweise hat auch in der Übersetzung nicht gelitten, Hut ab. Es ist flüssig erzählt, jedoch angemessen viktorianisch „aufpoliert“. Es gibt Bezüge zu damaligen Geschehnissen. Wie zum Beispiel „Jack the Ripper“. Oder den „Kleinen Lord“. Und selbstverständlich wird kräftig Bezug genommen auf die klassischen Sherlock-Holmes-Geschichten! Seine Art der Deduktion. Seine Fälle. Und sogar Inspektor Lestrade kommt vor!
Die ganze Ausgabe ist außerdem sehr liebevoll gestaltet, mit schönen Zeichnungen und sehr gut lesbarer, ein wenig „antiquierter“ Schrifttype. Noch dazu sind die Kapitel gut eingeteilt, und das ganze Buch nicht zu lang. Es endet mit gut ausgesuchten „offenen Fäden“, so dass klar ersichtlich wird, dass weitere Bände folgen werden. Ich kann es wirklich nur empfehlen – für alle Fans von Conan Doyle und Sherlock Holmes, selbstredend. Aber auch für Liebhaber von „all age“- Jugendbüchern.