Ian Hamilton - Der schottische Bankier von Surabaya / The Scottish Banker of Surabaya

  • Buchmeinung zu Ian Hamilton – Der schottische Bankier von Surabaya


    „Der schottische Bankier von Surabaya“ ist ein Kriminalroman von Ian Hamilton, der 2018 bei Krug und Schadenberg in der Übersetzung von Andrea Krug erschienen ist. Der Titel der kanadischen Originalausgabe lautet „The Scottish Banker of Surabaya“ und ist 2013 erschienen. Dies ist bereits der fünfte Band der Serie um Ava Lee.


    Zum Autor:
    Ian Hamilton, 1946 in Toronto geboren, hat als Journalist für verschiedene Zeitungen gearbeitet, bevor er für die kanadische Regierung und als Geschäftsmann in verschiedenen Branchen tätig war. Über zwanzig Jahre lang bereiste er beruflich die ganze Welt, vor allem den asiatischen Raum, und diese internationalen Erfahrungen und Einblicke in andere Kulturen verleihen den Schilderungen seiner Romanschauplätze ihr überzeugendes Flair. Heute lebt Ian Hamilton mit seiner Frau in Burlington, Ontario, und schreibt weiter an seiner erfolgreichen, mehrfach preisgekrönten Reihe, in der die faszinierende Ava Lee im Mittelpunkt steht.


    Klappentext:
    Eine faszinierende Heldin: Ava Lee, die kanadische Wirtschaftsprüferin mit chinesischen Wurzeln, ist so schön wie scharfsinnig und verfügt über ein Charisma, das Frauen wie Männer in Bann schlägt. Sie ist in der Welt des großen Geldes zu Hause und darauf spezialisiert, veruntreutes Vermögen wiederzubeschaffen. Der anfangs wenig lukrativ erscheinende Auftrag einiger Geschäftsleute aus der vietnamesischen Community in Toronto führt die toughe Ermittlerin nach Surabaya und entwickelt sich dort rasant zu ihrem bislang persönlichsten Fall …


    Meine Meinung:
    Dieses Buch hat mich in eine Welt chinesischer Moral und Verhaltensweisen geführt, die mir weitgehend fremd war. Vieles fand ich auf den ersten Blick seltsam, wie zum Beispiel die permanente Nennung der Markennamen der Kleidung, die Ava Lee anlegt. Es geht dabei um angemessene Kleidung für den Menschen, mit dem man sich trifft. Vieles war für mich als Westeuropäer befremdlich, wenn nicht gar unverständlich. Bei den im Raum stehenden Summen wurde mir schnell klar, dass es kein normaler Kriminalroman sein kann. Es sind etliche Elemente zu finden, die man in Spionageromanen findet. Ava Lee arbeitet an der Wiederbeschaffung von Geldern, die sie sich mit 30 Prozent vergüten lässt. Somit ist es ein knallhartes Geschäft und Ava Lee ist eine Figur mit vielen Eigenschaften eines hardboiled Ermittlers. Faszinierend ist der Unterschied zwischen der beruflichen und der privaten Frau. Ihre Methoden sind manchmal kriminell aber doch kommt sie als Gute bei mir an. Sie muss eine Menge einstecken, es verdauen und dann weitermachen. Sie wirkt sympathisch, weil ihre Gegenspieler noch eine gute Portion böser sind. Auch ihr privates Auftreten weckt Sympathien. Sie sorgt sich um ihren langjährigen Geschäftspartner Onkel, einem Triadenchef, der im Alter mit großen gesundheitlichen Problemen zu kämpfen hat. Zu den Pluspunkten zählt der gelungene und fundierte Plot, die zurückhaltende Schilderung von Gewalt und die Beschreibung chinesisch geprägten Lebens, welches dem Leser aber nahe gebracht werden muss. Onkel verfügt über jede Menge verlässlicher Kontakte und bei Bedarf stehen qualifizierte Mitarbeiter zur Verfügung. Als Leser hat man den Eindruck, einem Titanenkampf beizuwohnen.
    Die Geschichte wird aus der Perspektive der Hauptfigur erzählt und so erlebt man auch ihr Gefühlsleben. Es ist jederzeit spannend, auch wenn es mal nicht um den Fall geht. Für Ava stehen Veränderungen an, die sie beunruhigen und man nimmt eng an ihrem Entscheidungsprozess teil. Ava Lee ist eine Hauptfigur mit vielen Ecken und Kanten, die sich zudem noch weiterentwickelt.


    Fazit:
    Ein jederzeit spannender Kriminalroman mit Elementen aus Spionagethrillern, der manchmal etwas überzogen wirkt, aber mit ausgefeiltem Plot und einer eindrucksvollen Hauptfigur punktet. Gerne vergebe ich gute vier von fünf Sternen (80 von 100 Punkten) und spreche eine klare Leseempfehlung aus.

    :study: James Lee Burke - Die Tote im Eisblock


    :musik: Hanna von Feilitzsch - Bittersüße Mandeln

  • Ich habe diesen Roman durchaus gern gelesen, weil er viel Spannung in einem für mich ungewöhnlichen Setting (Hongkonger Halbwelt / chinesische Community in Kanada) bietet. Mit der Protagonistin Ava Lee hat der Autor eine interessante Figur erschaffen, die sich zwar in faszinierender Weise von den üblichen ermittelnden PolizistInnen, JournalistInnen usw. abhebt, mir persönlich jedoch fremd und eher unsympathisch geblieben ist. Mal erschreckend naiv, mal gar zu abgebrüht geht sie mit Menschenleben, mafiösen Netzwerken und persönlicher Rachgier um. Offenbar lernt sie auch erst in diesem 5. Band der Reihe allmählich, einen Zugang zu ihren eigenen Gefühlen (u.a. ihrer Partnerin Maria gegenüber) zu entwickeln und ihren "Job" auch mal in Frage zu stellen. Also immerhin eine Figur mit einer gewissen Entwicklung. :lol:


    Der Plot weist einige Schwächen in puncto Glaubwürdigkeit auf, die ich jetzt nicht näher erläutern will (Spoiler). Auch ist es ohne Kenntnis der in einem anderen Verlag erschienenen und z.T. vergriffenen Vorgängerbände oft nicht möglich, die auftretenden Figuren und ihr Verhältnis zueinander korrekt einzuordnen. Ich hätte mir also ein Personenverzeichnis sowie ein Glossar zu manchen chinesischen Begriffen / Gepflogenheiten gewünscht.


    Falls ich der Reihe weiterhin folge, dann wohl v.a. deshalb, weil ich neugierig bin, ob und wie es Ava Lee gelingen wird, ihre sehr liebe und anhängliche kolumbianische Partnerin Maria in ihr hochkompliziertes chinesisches Familiengebilde einzuflechten. :lol:


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: Jutta Aurahs - Katzen :cat:

    :study: Han Kang - Griechischstunden

    :musik: Asako Yuzuki - Butter (Re-???)

    :musik: Satoshi Yagisawa - Die Tage in der Buchhandlung Morisaki

    :montag: Deb Olin Unferth - Happy Green Family (Reread)

    :montag: Rumi - Die Musik, die wir sind





  • Ava Lee hatte nicht vor, in Kanada nach veruntreuten Geldsummen zu suchen, schließlich könnten hier, anders als in einigen asiatischen Ländern, betrogene Kanadier den juristischen Weg beschreiten. Doch Theresa Ng stammt wie Avas Mutter aus Shanghai und ist wie sie katholisch. So nimmt Ava notgedrungen relativ kurz nach ihrem letzten Abenteuer in Macao die Suche nach dem Schwarzgeld des vietnamesisch-chinesischen Familienclans auf. Die Spur führt Ava über Vietnam nach Indonesien, während ihr Geschäftspartner Onkel Chow sie, wie bisher in jedem Band, mit seinem Rat und einer ortskundigen Kontaktperson unterstützt. Ava kann sich inzwischen auf ein eigenes Netz von „guanxi“ in chinesischer Tradition stützen. Sie hat zuverlässige Kontakte aus der Zeit ihres Studiums und sie schafft in jedem ihrer Fälle wertvolle Verbindungen zu Personen, auf die sie sich verlassen kann.


    „Der schottische Bankier von Surabaya“ ist der 5. Ins Deutsche übersetzte von bisher 12 Bänden der Reihe um das lesbische Wonderwoman Ava Lee, mit dem Krug & Schadenberg die verwaiste Serie wieder aufnimmt. Ein 2013 in Kanada erschienenes Prequel erzählt die Vorgeschichte von Onkel Chow, Ava Lees Mentor und Geschäftspartner. Hamiltons Serie um eine kämpferische Wirtschaftsprüferin thematisiert das Netz der „guanxi“ unter Chinesen in aller Welt. Die Reihe entwickelt sich von Band zu Band wie eine komplexe Netzstruktur aus Kontakten, die Ava mit der Zeit aufbaut.


    In der gar nicht so guten alten Zeit hätte ein wohlhabender chinesischer Geschäftsmann wie Maurice Lee mit Hauptfrau, Nebenfrauen und den gemeinsamen Kindern in einem Vierseiten-Anwesen gelebt. Seine Frauen hätten ihm Gehorsam geschuldet, Söhne zur Welt bringen müssen und jeweils in einem eigenen Hausbereich ein geringes Maß an persönlicher Freiheit genossen. Diese Lebensweise spiegelt Ian Hamilton in einer wohlhabenden Familie der Gegenwart, deren Frauen höchst aktuell auf drei Kontinenten leben und damit das finanzielle Risiko des Patriarchen streuen, nach der Rückkehr Hongkongs in die VR China (1997) evtl. Vermögensanteile einzubüßen. Ava ist eins der 8 Kinder, die der wohlhabende Hongkonger Geschäftsmann Maurice Lee mit 3 Frauen hat. Die Familienaufstellung hat mich vom ersten Band der Reihe gefesselt; denn darin spiegelt sich Hamiltons umfangreiches Wissen über Wertvorstellungen asiatischer Gesellschaften. Neben der spannenden Frage, was Onkel Chow und Ava einmal zusammengeführt hat, rätsele ich seitdem darüber, ob der leichtsinnig wirkende Michael ein angemessener Nachfolger für Vater Maurice als Familienoberhaupt sein wird – und wie sich die die jüngeren Frauen des erweiterten Clans noch entwickeln werden.


    Avas Mutter, eine einflussreiche Dame der chinesischen Community Torontos, lebt ihrer Tochter beständig vor, wie Verbindungen, Einfluss und Wohlstand zusammenhängen. Für Ava stellt sich an einem Scheideweg ihres Lebens nun die Frage, ob sie den bevorstehenden Generationswechsel nutzen, sich aus den erstickenden konfuzianisch geprägten Sitten ihres Clans lösen und etwas Eigenes auf die Beine stellen wird.


    Dass Ava offen lesbisch lebt, blieb bisher weitgehend im Hintergrund. Wie sich ihre Beziehung zu ihrer kolumbianischen Liebsten Maria weiter entwickeln wird, darauf bin ich nach einem fiesen Cliffhänger in diesem Band sehr neugierig.


    Kann man mit Band 5 noch in die Serie einsteigen?

    Da sich im fünften Band für Ava einige neue Wege abzeichnen, eignet er sich sogar sehr gut zum Einstieg. Ian Hamilton nennt zu jeder für Serien-Einsteiger neuen Figur kurz den Anlass, zu dem Ava diese Person kennengelernt hat.


    Fazit

    Der Fall des veruntreuten Schwarzgelds entwickelt sich in Surabaya selbst für ein kampfsporterprobtes Wondergirl wie Ava spektakulär. Die Suche nach dem Geld und mögliche Elemente von Wirtschaftsthrillern wirken hier jedoch wie eine Kulisse, vor der Ian Hamilton sein umfangreiches Wissen über chinesisch-stämmige Communities und deren Sitten demonstrieren kann.


    Insgesamt würden der Krimi-Reihe ein Glossar chinesischer Begriffe und ein Personen-Verzeichnis gut zu Gesicht stehen.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Toibin - Long Island

    :musik: -- Catton - Gestirne; Rehear


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow

  • Im 5. Band der Serie erhält Ava Lee ihren Auftrag nicht von Onkel Chow, sondern von ihrer Mutter Jennie. Diese hat von Theresa Ng, einer Baccaria-Dealerin aus Toronto, erfahren, daß ihre Familie und die vietnamesische Community um sehr viel Geld betrogen wurde, das in Form von Bargeld in einen Fond investiert wurde. Der Schaden beträgt ca. 30-40 Mio. $. Zuerst kamen die Zinszahlungen pünktlich, aber jetzt ist die Bank geschlossen und der Bankdirektor verschwunden. Nach einer Besprechung mit Onkel Chow ist er mit der Übernahme des Auftrags einverstanden und so agiert Ava wie gewohnt tough und unter Zuhilfenahme diverser Vertrauenspersonen, um an das Geld zu kommen. Wie man Ava bisher schon kennen gelernt hat, ist sie auch in diesem Fall international unterwegs, handelt clever, zögert auch nicht vor einem körperlichen Einsatz und sie kämpft nicht nur mit legalen Mitteln. Nebenbei macht sich Ava viele Sorgen um die Gesundheit des mittlerweile 80-jährigen Onkel Chow.



    Dieser Band beginnt etwas anders als die Vorgänger, denn es wird zuerst auf die Gefühle und Befindlichkeiten von Ava eingegangen. Sie erholt sich noch von ihrer Schussverletzung in Macao, die der Leser aus Band 4 kennt. Ihr Privatleben bekommt dieses Mal etwas mehr Platz - ihre Liebe zu Maria wird zum Thema, außerdem ist sie bei der Hochzeit von Amanda als Trauzeugin eingeladen und May Ling hat neue Geschäftsideen, die es abzuwägen gilt. Und auf der anderen Seite ihr Business. Hier ist Ava nicht zimperlich, wenn es um die Erfüllung eines Auftrages geht. Allerdings gab es für mich einen Vorfall in diesem Buch, bei dem sie sich recht naiv verhalten hat, der nicht zu ihrem sonstigen Auftreten passt und der sie persönlich durchaus noch in Schwierigkeiten bringen kann. Mehr möchte ich dazu nicht verraten. Interessant ist in diesem Fall auch wieder, wie auf alte Verbindungen zurückgegriffen wird und Gefallen eingefordert werden. Sehr gut gefallen haben mir die Beschreibungen der Restaurantbesuche mit den teils köstlichen Speisen, aber auch die Erläuterung kleiner Gesten, die uns Europäern doch sehr fremd sind.


    Die Sorgen um Onkel scheinen berechtigt und zusammen mit seiner Haushälterin und Sony, setzt Ava alles daran, die Wahrheit über seine Krankheit erfahren


    Gut geeignet erscheint mir dieser Band für Neueinsteiger, da der Autor die wichtigsten Figuren und ihre Hintergründe etwas ausführlicher vorstellt. Ein Personenverzeichnis wäre darüber hinaus trotzdem hilfreich.


    Dieser 5. Fall endet mit einigen offenen Fragen bzw. Cliffhangern, so daß ich jetzt schon gespannt auf das nächste Buch warte. Es war für mich wieder ein packender, intelligenter Krimi, den ich gerne weiter empfehle!