Auf mich hat Kavanaugh gebildet und belesen gewirkt. Ohne eine Vorgeschichte, wer oder was ihn geprägt haben könnte, fand ich das widersprüchlich.
Es ist schon immer spannend, wie unterschiedlich wir alle Geschichten lesen, Charaktere wahrnehmen und den Plot realisieren - da macht die Diskussion gleich noch mehr Spaß. Mir ist auch tatsächlich erst heute bewusst im Kopf herumgegangen, dass der Protagonist der Erzähler ist.
Der Icherzähler Joseph
Und dadurch wissen wir im Prinzip auch, dass er überlebt haben muss, denn sonst könnte er die Geschichte nicht mehr erzählen. Was aber bedeutet das nun für die Geschichte? Bedeutet es überhaupt etwas? Es könnte zumindest einen Erklärungsansatz bieten für dein Empfinden, dass Charakter und Ausdruck für Dich nicht zusammen passen - da erzählt dann nämlich jemand mit einer uns unbekannten Weiter-Entwicklung über das Erzählte hinaus eine kurze, aber sein Leben prägende Episode seiner Jugend. Es spricht ein Erwachsener, ein in irgendeiner Art gereifter Mensch über sein Leben in jungen Jahren, da können Sprache und Charakter sich unterscheiden.
Vielleicht sollten wir stärker berücksichtigen, dass der Icherzähler Wehrdienstleistender ist, der seine Zeit abreisst und persönlich überleben will. Seine Gedankenwelt gibt leider nicht mehr her. Es gibt eben "sone und solche". Mein größtes Problem mit dem Buch war der Widerspruch, dass K die Rolle eines Durchschnittsmenschen zu spielen hat, sich aber ganz anders ausdrückt und ich ihm das nicht abgenommen habe.
Seine Gedankenwelt soll auch gar nicht mehr hergeben - ich glaube, genau darum ging es zu einem guten Teil doch auch. Was macht so ein Dienst als Verteidiger mit einem jungen Menschen, wie prägt ihn so eine harte Zeit des Wartens und Ausharrens, wie formt es seinen Charakter? Ändert es seine Sicht auf die Dinge? Und wie ändert es ihn als Mensch wenn es hart auf hart kommt?
Wobei mir trotzdem einfach noch Hintergründe in der Erzählung fehlen, auch wenn ich jetzt evtl. anders klinge.
Wenn es quasi zur "Kunstform" gehört, also irgendwie in den Text als Ganzes passt, finde ich das auch gut. Nur manchmal hat man das Gefühl, da wusste jemand selbst nicht, wie die Geschichte aufgelöst werden soll.
In dieser Geschichte passt es für mich perfekt, aber ich glaube, ich weiß genau was Du meinst. Ich mag es auch nicht immer und ich bin auch nicht per se ein Freund von offenen Enden - auch ich mag es, wenn eine Geschichte geschlossen ist, einen runden Abschluss findet.