Charles Dickens - Eine Geschichte aus zwei Städten / A Tale of Two Cities (Start: 1. Februar 2019)

  • Madame Defarge wurde von Dickens wohl "umgestrickt": im Manuskript war sie noch klein, zierlich, mit wachen Augen und stickend. Dann hat er sie umgeschrieben zu einer Citoyenne tricoteuse - und diese Strickerinnen stehen für politische Aktivistinnen, die die Jakobiner unterstützen.

    Und schwupp sieht die Szene noch mal ganz anders für mich aus. Wie ich dich um deine Anmerkungen beneide Squirrel:friends:

    Eine Jacquerie war ein Aufstand der Bauern, ein Jacques dementsprechend ein Aufrührer

    Und wieder was neues gelernt. Ich habe noch nie von den Jacquerie gehört (oder ich habe es schon und total vergessen :pale:)

    Schon jetzt liebe ich seine Vergleiche und seine Wortgewandtheit und bedauere es sehr, dass ich das Original mangels Sprachkenntnisse nicht lesen kann.

    Oh ja! Wobei er manchmal auch ein klein wenig kitschig werden kann. Aber das verzeihe ich ihm immer. Und Dickens in Original lesen zu können wäre einfach nur traumhaft.


    Was sind Roßhaarmöbel?

    Früher hat man Polstermöbel mit Rosshaar gepolstert; heute gibt es das noch bei Matratzen.

    ich vermute, dass diese fest gepolsterten Sitzmöbel gemeint sind.

    Wäre auch meine Vermutung gewesen. Auf der Suche nach Bestätigung bin ich über diese nette Stilkunde einer Tischlerei gestolpert. Leider nichts mit Rosshaarmöbel, aber ich fand es trotzdem interessant.


    Ich glaube so viel habe ich noch nie vorher im Internet bei einem Buch von Dickens recherchiert. :shock:

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • ein Jacques dementsprechend ein Aufrührer

    Deine Anmerkungen sind ausgesprochen hilfreich und geben gerade dieser Szene

    erst ihre Bedeutung! Vielen Dank!

    Ob das die zeitgenössischen Leser auch wussten?

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Was sind Roßhaarmöbel

    Die anderen haben es ja schon erklärt, aber Restaurateure arbeiten auch heute noch damit. Irgendwo im Forum geistert ein Bild meines restaurierten Schranks herum und auf diesem eigenwilligen Schrank liegt ein Sitzkissen. Das wurde neu gefertigt mit Rosshaar, dem damaligen Standard-Füllmaterial für Möbelkissen, Sofas etc. :)

    Bei dieser Begegnung wirkt aber die Wiederholung sehr störend, als musste sich Mr. Lorry selbst überzeugen. Wie ein Mantra ... Man muss das nur oft genug hören oder sagen

    In den Szenen mit Mam'selle muss er ja die junge Dame von der notwendigen inneren Distanz - dem geschäftlichen Betrachten - überzeugen und später, bei und nach der Begegnung mit Manette, auch sich selbst. Also wiederholt er ständig sein Mantra - ein sehr treffender Begriff :thumleft:

    Ich habe noch nie von den Jacquerie gehört (oder ich habe es schon und total vergessen :pale:

    Ich tippe auf vergessen - zumindest wir haben die Französische Revolution relativ detailliert in der Schule gelernt, aber ich wusste es auch nicht mehr :wink:

    Ich glaube so viel habe ich noch nie vorher im Internet bei einem Buch von Dickens recherchiert. :shock:

    das geht mir genauso - Google ist grad mein bester Freund neben den Notes :loool:

    Ob das die zeitgenössischen Leser auch wussten?

    Bestimmt, die französische Revolution ist erst 60 Jahre her, die Terrorherrschaft und die napoleonische Zeit noch weniger. Und das Buch über die Franz. Revolution, das ich vorher schon erwähnt hatte, war wohl damals ein sehr weit verbreitetest und viel gelesenes Standardwerk über die Zeit.

  • Madame Defarge wurde von Dickens wohl "umgestrickt": im Manuskript war sie noch klein, zierlich, mit wachen Augen und stickend. Dann hat er sie umgeschrieben zu einer Citoyenne tricoteuse - und diese Strickerinnen stehen für politische Aktivistinnen, die die Jakobiner unterstützen. Damit bekommt Mme Defarges Verhalten sogleich eine ganz andere Bedeutung: sie "sieht nichts", sprich sie schweigt über alles, was sie sie sieht und hört, was im Lokal gesprochen wurde. Diese Weinlokale waren wohl weit verbreitet v.a. in den ärmeren Stadtteilen und die Treffpunkte für Menschen mit aufrührerischen Gedanken. Und mit Saint Antoine sind wir in genau so einem Vorort, der erst seit Anfang des 18. Jahrhunderts zu Paris gehörte, im Osten der Stadt lag und an der Grenze zu Paris im Westen lag die Bastille. Zu der Zeit, in der unsere Geschichte spielt, galt der von Künstlern bevölkerte und völlig übervölkerte Vorort als besonders hässlich und abstoßend. Als Statement hat sich aber Beaumarchais (der Autor von "Die Hochzeit des Figaro") dort mittenrein eine große Villa bauen lassen.

    Ich bin ebenfalls froh, deine Anmerkungen zu haben, Squirrel. Das gibt der Szene bzw. der Figur doch gleich noch viel mehr Bedeutung - eine Bedeutung, die mir ohne Anmerkungen komplett entgangen ist.

    "Selber lesen macht kluch."


    If you're going to say what you want to say, you're going to hear what you don't want to hear.
    Roberto Bolaño

  • Madame Defarge wurde von Dickens wohl "umgestrickt": im Manuskript war sie noch klein, zierlich, mit wachen Augen und stickend. Dann hat er sie umgeschrieben zu einer Citoyenne tricoteuse - und diese Strickerinnen stehen für politische Aktivistinnen, die die Jakobiner unterstützen. Damit bekommt Mme Defarges Verhalten sogleich eine ganz andere Bedeutung: sie "sieht nichts", sprich sie schweigt über alles, was sie sie sieht und hört, was im Lokal gesprochen wurde. Diese Weinlokale waren wohl weit verbreitet v.a. in den ärmeren Stadtteilen und die Treffpunkte für Menschen mit aufrührerischen Gedanken. Und mit Saint Antoine sind wir in genau so einem Vorort, der erst seit Anfang des 18. Jahrhunderts zu Paris gehörte, im Osten der Stadt lag und an der Grenze zu Paris im Westen lag die Bastille. Zu der Zeit, in der unsere Geschichte spielt, galt der von Künstlern bevölkerte und völlig übervölkerte Vorort als besonders hässlich und abstoßend. Als Statement hat sich aber Beaumarchais (der Autor von "Die Hochzeit des Figaro") dort mittenrein eine große Villa bauen lassen. 8)


    Eine Jacquerie war ein Aufstand der Bauern, ein Jacques dementsprechend ein Aufrührer :-, Die Notes sind echt hilfreich zum Verständnis. So viel nachgelesen hab ich noch in keinem von Dickens Werken, aber ich hab schon jetzt den Eindruck, dass A Tale auch komplett anders wird als die sonstigen Romane Dickens'.

    Herzlichen Dank Squirrel für diese Ausführungen! Sind die beide aus deinen Notes? Dann hast du wirklich eine wunderbare Ausgabe.

    Danke, dass du uns dann an dieses Informationen teilhaben lässt.

    Ich glaub, ich muss jetzt nochmal mit dem Wissen gewisse Passagen wiederholt lesen, macht zwar das Vorankommen nicht wirklich besser, aber ich will ja die Qualität spüren und keinen Rekord hinlegen. (kann also sein, dass ich etwas nachhinke bis Freitag, aber am Wochenende wird aufgeholt.

    :study: Audre Lorde: Sister Outsider (eBook)

    :study: Joseph Roth: Hiob (eBook) - MLR

    :study: Thomas Chatterton Williams: Selbstportrait in Schwarz und Weiss - Unlearning Race



    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

    Erich Kästner

    "Das fliegende Klassenzimmer"


    Warnhinweis:
    Lesen gefährdet die Dummheit

    :study:

  • Ich will auch mal ein Lebenszeichen von mir geben :winken:

    Musste gestern im vierten Kapitel eine Pause einlegen. Ich gestehe, dass ich mir eure Komentare im Vorhinein durchlese, in der Hoffnung dass es mir das Lesen/Verständnis erleichtert.

    Bisher muss ich sagen, dass ich wie erwartet nicht alles verstehe, aber den groben Inhalt und vereinzelte "Spielereien". Ich liebe ja die vielen und ausführlichen Vergleiche die Dickens verwendet :loool:


    Wenn ich durch den ersten Teil durch bin werde ich mich auch noch auf eure Zitate beziehen. Jetzt nutze ich den kleinen Rest meiner Konzentration erstmal lieber zum weiterlesen :rambo:

    2017: 49/87; 2016: 43/92; 2015: 33/84; 2014: 36/56; 2013: 52/37; 2012: 52/39

  • Squirrel : Welche war nochmal deine Ausgabe? Und gibt es die auch als E-Book? Die würde ich mir glatt noch zulegen ... :wink:

    Das ist meine Ausgabe. Es gibt eBook-Ausgaben und wenn Du meiner Ausgabe zu Amazon folgst, findest Du auch eine Kindle-Ausgabe. Aber bei der wird als "Seitenzahl der Printausgabe" 432 Seiten genannt. Das sind ca. 100 Seiten weniger als meine gedruckte Ausgabe, weswegen ich nicht sagen kann, ob und welche Notes evtl. enthalten sind oder nicht 8-[

  • Nummerierst du auch schon ihre Ohnmachtsanfälle?

    Das ist eine gute Idee:thumleft:!

    Wetten, dass das ein Strukturprinzip ist?

    ich hab's ja nicht so mit den ätherischen Weibchen, die in Ohnmacht fallen statt

    der Sache ins Auge zu sehen … wahrscheinlich bin ich bloß neidisch.

    :totlach: Ihr seid aber echt ungnädig. :twisted: Irgendwie mag ich die kleine Miss Manette mittlerweile ganz gern, sie hat das Herz am rechten Fleck und bildet irgendwie das Gegenstück zu der ganzen Düsternis. Und ich glaube, sie fällt nicht geziert und affektiert in Ohnmacht, sondern es haut sie jedesmal zu fest ins Korsett geschnürt von den Füßen.

    Ich bin so froh, dass ich mit euch dieses Buch gemeinsam lese, Übersetzungen vergeichen kann und ich auch einen Einblick ins Original bekomme.

    Oh ja, das finde ich auch. Ich finde die unterschiedlichen Ideen, Erklärungen und Entdeckungen von jedem total spannend und bereichernd. :applause:

    Damit bekommt Mme Defarges Verhalten sogleich eine ganz andere Bedeutung: sie "sieht nichts", sprich sie schweigt über alles, was sie sie sieht und hört, was im Lokal gesprochen wurde. Diese Weinlokale waren wohl weit verbreitet v.a. in den ärmeren Stadtteilen und die Treffpunkte für Menschen mit aufrührerischen Gedanken.

    Ui, auch von mir ein großes Danke für dein Teilen deiner Notes mit uns. :friends: Das macht vieles viel klarer und rückt das Gelesene in einen eindeutigeren Kontext.

    Musste gestern im vierten Kapitel eine Pause einlegen. Ich gestehe, dass ich mir eure Komentare im Vorhinein durchlese, in der Hoffnung dass es mir das Lesen/Verständnis erleichtert.

    Ich hatte das Gefühl, dass es nach Kap. 3 oder 4 etwas verständlicher wird, also halte durch. :wink: Mir geht es bei dem Buch aber so, dass ich nicht so viele Kapitel nacheinander lesen kann, wie ich es eigentlich gewohnt bin. Das Buch verlangt doch etliches an Konzentration.

    Liebe Grüße,
    Tine


    :study: Ken Follett - Die Waffen des Lichts

    :study: Taylor Jenkins Reid - Daisy Jones & The Six

  • Irgendwie mag ich die kleine Miss Manette mittlerweile ganz gern, sie hat das Herz am rechten Fleck und bildet irgendwie das Gegenstück zu der ganzen Düsternis. Und ich glaube, sie fällt nicht geziert und affektiert in Ohnmacht, sondern es haut sie jedesmal zu fest ins Korsett geschnürt von den Füßen.

    naja, irgendwas Helles muss ja auch in die Geschichte rein. Und mit der Nummerierung sind die beiden ja nicht weiter als 2 gekommen :loool: Allerdings finde ich sie ziemlich pathetisch in der Wiedersehens-Szene am Ende von Book One :roll: Da ich Dickens aber bei allem Absicht unterstelle, frag ich mal warum er das tut? Er spielt in ihren pathetischen Worten auf einiges an, was in Manettes Vergangenheit lag - soll das uns Leser nur darauf vorbereiten, was alles noch enthüllt werden wird? Falls ja, hätte er das für meinen Geschmack etwas nüchterner verpacken dürfen :ergeben:


    Und jetzt begebe ich mich in der Zeit vorwärts - was mich eindeutig überrascht. Ich hatte damit gerechnet, dass wir zeitlich einen Bogen in Manettes Vergangenheit schlagen, nicht in die Zukunft in England :-k

  • Und weil ich nicht weiß, ob ich es die nächsten Tage hier rein schaffe, lasse ich mal meine Eindrücke zu Buch 2, Kapitel 1 - Kapitel 6 da, wo wir zunächst einen Zeitsprung in das Jahr 1780 in das sehr anschaulich beschriebene, alte, verstaubte und erzkonservative Bankhaus Tellsons machen, wo alles so gemacht wird, wie es wahrscheinlich schon immer gemacht wurde und jeder Fortschritt im Keim erstickt wird. Ein schöner Seitenhieb auf die gesamte Gesellschaft war Dickens' Anmerkung "In dieser Beziehung erging es dem Hause gerade wie England, das sehr oft seine Söhne enterbte, weil sie Verbesserungen an Gesetzen und Bräuchen beantragten, die nichts weniger als löblich, aber eben deshalb umso achtbarer waren." :twisted: Neben dem Tagesgeschäft mit muffigen Wechseln und modrigen Banknoten:puker: war Tellsons auch am alltäglichen "Zu-Tode-Bringen" von Unglücklichen Menschen beteiligt. Vorgestellt wird uns der Bank-Hiwi Mr. Cruncher, der im Beruf ein sehr geflissenes Auftreten an den Tag legt (oder laut Dickens "sein natürliches Ich...mit einem Anstrich von Achtbarkeit" übertüncht), aber sich zu Hause gegenüber seiner Frau als wahres Ekel entpuppt. Solche Typen kann ich ja leiden, die andere für ihr eigenes Versagen verantwortlich machen. :wuetend:Und der Apfel-Sohn fällt auch nicht weit vom Stamm.


    Kapitel 2 - 5

    Der Ekelgehilfe Mr. Cruncher nimmt im Auftrag der Bank an einer Gerichtsverhandlung wegen Hochverrats teil. Krass fand ich die Strafe (aufhängen, noch lebendig aufschlitzen uws.), die mich irgendwie an die Tudor-Zeit erinnert hat (aber sooooo lange war sie ja noch gar nicht her). Die Atmosphäre im Gerichtssaal voller stinkender Leiber, Bier- und anderen Ausdünstungen hat Dickens wieder so anschaulich beschrieben, als wäre man mittendrin. Einziger Lichtblick ist die uns schon bekannte Miss Lucie Manette und ihr Papa, die als Zeugen geladen sind. Beim Verfahren fand ich den "Gerichtssprech" des Staatsanwalts und Verteidigers ziemlich anstrengend und mir fehlte in diesen Abschnitten die Identifikation mit den Figuren, was das ganze wieder etwas mühselig machte. Die Drohungen des Staatsanwalts gegen den Angeklagten und die Geschworenen waren aber schon mal nicht ohne :loool: und auch die fragwürdigen Zeugen :twisted: kamen teilweise lächerlich daher.

    Sehr fragwürdig war die Szene nach dem Freispruch, als Lucies Vater mit dem freigesprochenen Angeklagten Mr. Darnay zusammentrifft - irgendwas (Düsteres) verbindet die beiden :scratch: und der hübsche Mr. Darnay scheint nicht der Unschuldsengel zu sein, der er zu sein vorgibt. :scratch:

    Das vermutet auch Mr. Carton, ein Gehilfe des Verteidigers Mr. Stryver. Diese beiden kennen sich seit Schulzeiten und Sydney Carton scheint das bereitwillige "Mädchen für alles" für den windigen Anwalt zu sein, der das reichlich ausnutzt. Bei dem nächtlichen Treffen der beiden kam es mir so vor, als wenn der Schakal Sydney für den Löwen Stryver Akten nach Schwachstellen durchforstet und somit eigentlich die Drecksarbeit für den Anwalt macht. Oder habt ihr das anders gelesen? Ich frage mich nur, was das mit den nassen Tüchern auf dem Kopf sollte? :scratch:


    Mir kam es bei diesen Gerichts-Kapiteln so vor, als wenn Dickens noch einige weitere Figuren aufstellen und noch weitere Fragmente einbringen wollte, die sich nach und nach zu einem gesamten Bild zusammenfügen werden. Mit Mr. Lorry, Miss Manette und ihrem Vater gab es zwar einige schon bekannte Konstanten, die aber charakterlich noch nicht so richtig zu greifen waren.


    Kapitel 6 war bisher mein Lieblingskapitel - endlich mal etwas Schönes, Helles und Freundliches im Buch. :lol: Dickens beschreibt das sehr lauschige, gemütlich und wirklich nett klingende Zuhause von Lucie Manette, ihrem wieder praktizierenden Vater Dr. Manette und der resoluten rothaarigen Miss Proß, die ein eifersüchtiges und wachsames Auge auf ihren Schützling Lucie hat und ihr von Herzen ergeben ist (aber bei ihrem missratenen Bruder Salomon ziemlich blauäugig scheint:roll:). Mr. Lorry ist auch da, den ich mittlerweile ganz gern mag und zu den Guten zähle. Es ist aber nicht alles Eitel Sonnenschein, denn Dr. Manette kämpft nachts bisweilen mit seinen Erinnerungen, spricht aber mit seiner Tochter nicht darüber. Sie geht damit aber wirklich bewundernswert um und hilft ihm rührend, seine Geister zu bekämpfen. Deswegen mag ich sie eigentlich ganz gern mittlerweile. :lol: Miss Proß dagegen will alles Unheil von ihrer Lucie abwenden und fühlt sich belästigt von den Hunderten von Leuten, die ständig ins Haus kommen :totlach: - die bestehen aus:
    1. dem zuverlässigen und mir mittlerweile sehr sympathischen Mr. Lorry; :thumleft:

    2. dem damaligen Angeklagten Mr. Darnay :scratch: (was hat der denn da im Haus zu schaffen und wieso fängt er immer wieder an, in Gegenwart des Doktors über Gefängnis usw. zu reden?)?( und

    3. Mr. Sydney Carton, dem gutmütigen, trinkfreudigen und wahrscheinlich sehr einsamen Gehilfen von Anwalt Stryver:-k

    Da kann man doch Miss Proß mit ihren Abneigungen und Bedenken allmählich sogar verstehen. :wink: Was will Mr. Darnay da und was soll das mit den Gefängnisandeutungen? Will Sydney Carton nur die junge Miss Lucie beschützen vor Mr. Darnay oder steckt da noch etwas anderes dahinter? Woher kennt Dr. Manette den Angeklagten Mr. Darnay? Fragen über Fragen, die uns vielleicht die nächste Woche beantworten wird. :lol:

    Liebe Grüße,
    Tine


    :study: Ken Follett - Die Waffen des Lichts

    :study: Taylor Jenkins Reid - Daisy Jones & The Six

  • Allerdings finde ich sie ziemlich pathetisch in der Wiedersehens-Szene am Ende von Book One :roll: Da ich Dickens aber bei allem Absicht unterstelle, frag ich mal warum er das tut? Er spielt in ihren pathetischen Worten auf einiges an, was in Manettes Vergangenheit lag - soll das uns Leser nur darauf vorbereiten, was alles noch enthüllt werden wird? Falls ja, hätte er das für meinen Geschmack etwas nüchterner verpacken dürfen :ergeben:

    Hm, ich bin in Bezug auf Miss Manette mittlerweile etwas "vorbelastet", weil ich sie bereits in Buch 2 weiter kennenlernen durfte. :ergeben:Wie sie sich im ersten Buch darstellt, kommt sie schon etwas dramatisch daher mit ihren Ohnmachten. Allerdings hat mich beim ersten Zusammentreffen mit ihrem Vater schon überrascht, wie zutraulich, ergeben und anschmiegsam sie auf ihren bedauernswerten und unbekannten Vater reagiert. Mal sehen, was Dickens mit ihr noch vorhat.

    Liebe Grüße,
    Tine


    :study: Ken Follett - Die Waffen des Lichts

    :study: Taylor Jenkins Reid - Daisy Jones & The Six

  • Buch 1, Kap. 5 + 6


    Mittlerweile habe ich mich an Kolb gewöhnt und das Lesen fällt mir wesentlich leichter. Trotzdem muss ich sehr konzentriert lesen, um nichts zu verpassen. Es gefällt mir sehr gut, dass Dickens mit Sätzen Vorahnungen wage ausspricht. Wobei ich fest davon überzeugt bin, dass leider ich einige überlese.

    Auf jedem Fall bin ich total begeistert hier in dieser Leserunde zu sein.

    Squirrel, danke dass Du uns an deinen Notes teilhaben lässt ... die machen mir einiges klar.


    Was sind Roßhaarmöbel?

    Früher hat man Polstermöbel mit Rosshaar gepolstert; heute gibt es das noch bei Matratzen.

    ich vermute, dass diese fest gepolsterten Sitzmöbel gemeint sind.

    Vielen Dank für die Erklärung. Auf Polstermöbel wäre ich nie gekommen. Und jetzt werde Ihr wahrscheinlich lachen, aber meine Vorstellung ging eher in Richtung "pelziger" Schrank, von daher die Frage. :totlach::totlach::totlach:


    Es ist bisher so duster und traurig... "Hundertundfünf, Nordturm" Das ist so krass. Jemanden so die Würde zu nehmen.

    Ich bin gespannt ob er sich davon erholt.

    Ich bin auch gespannt, was die strickende Frau Defarge noch für eine Rolle haben wird.


    Was mir noch so aufgefallen ist in Kapitel 6 ist, dass die erste Begegnung sehr detailliert und aufwändig beschrieben wird, aber dann plötzlich die Abreise kommt und ich habe das Gefühl, es würde ein Teil der Erzählung fehlen.


    Nun bin ich sehr gespannt, wie es weiter geht.

    Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die Gewaltigste.
    Heinrich Heine

  • Allerdings finde ich sie ziemlich pathetisch in der Wiedersehens-Szene am Ende von Book One

    Zumal sie ja gar keinen Bezug zu ihrem Vater haben kann, außer dem rein biologischen. (Und der allein macht ja nun keine Beziehung aus.) Auf den ersten Blick wirkt es auf mich recht klischeehaft: die mitfühlende zarte Frauenseele und die recht unbeholfen daneben stehenden Männer. Aber es wäre ja nicht Dickens, wenn da nicht noch mehr dahinterstecken würde. Wir werden sehen...

  • Zur Zeit befinde ich mich im Zweiten Buch / Erstes bis zweites Kapitel


    Und mit der Nummerierung sind die beiden ja nicht weiter als 2 gekommen :loool:

    Wir warten mal ab was wir noch zu zählen bekommen 8) Das Buch ist ja noch lang und das Korsett bestimmt feste verschnürt. Halten wir das Riechsalz mal in ihrer Nähe bereit. :lol:


    Und jetzt begebe ich mich in der Zeit vorwärts - was mich eindeutig überrascht. Ich hatte damit gerechnet, dass wir zeitlich einen Bogen in Manettes Vergangenheit schlagen, nicht in die Zukunft in England :-k

    Ging mir ähnlich. Wobei ich im zweiten Buch noch nicht sehr weit bin. Mal sehen was noch kommt.


    Hm, ich bin in Bezug auf Miss Manette mittlerweile etwas "vorbelastet", weil ich sie bereits in Buch 2 weiter kennenlernen durfte. :ergeben:

    Klingt interessant, ich bin gespannt was da noch kommen wird. Auf deinen Beitrag schau ich später noch drauf, weil ich noch nicht so weit bin.



    Ich habe mich an zwei Stellen gedanklich im zweiten Buch bei den ersten beiden Kapitel "festgebissen". Ich rätsel die ganze Zeit über, was damit gemeint sein kann.


    Dieses Ekelpaketchen eines Boten namens Jerry Cruncher geht mit "sauberen" Stiefeln nach Hause und hat nach dem schlafengehen "schmutzige" Stiefel? Wie geht das?


    Dann hat er Rost an sich. Erst dachte ich an Tuberkolose, aber als er im Gerichtssaal "eifrig den Rost von seinen Fingern gesogen hat" (Seite 93) wäre ich mit meinem Interpretationslatein am Ende. Habt ihr da eine Idee was damit gemeint sein könnte?


    Achtung Farast interpretiert wieder lustig vor sich hin: Kann das ein Sinnbild von Blut sein? Klebt da so viel an seinen Händen an ihn? Der netteste Zeitgenosse ist er ja sichtlichst nicht gerade. :-k


    eher in Richtung "pelziger" Schrank

    Jetzt habe ich Kopfkino von puscheligen Möbel :totlach:


    Auf den ersten Blick wirkt es auf mich recht klischeehaft: die mitfühlende zarte Frauenseele und die recht unbeholfen daneben stehenden Männer.

    Ich fand die Szene kitschig. Klischeehaft trifft es gut, wenn nicht gar besser als kitschig!


    Aber es wäre ja nicht Dickens, wenn da nicht noch mehr dahinterstecken würde. Wir werden sehen...

    Ja, mit der Zeit hat man über Dickens gelernt, dass da nichts ohne Grund so dargestellt wird. Hilft wirklich nur :study:

    Nimm dir Zeit für die Dinge, die dich glücklich machen.


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  • zu Buch 2 - Kapitel 1

    wo alles so gemacht wird, wie es wahrscheinlich schon immer gemacht wurde und jeder Fortschritt im Keim erstickt wird.

    Da serviert uns Dickens einmal wieder so ein erzählerisches Glanzstück, dass der Leser den Moder und Schimmel praktisch schon riecht.

    Der langsame Verfall der diese üble Hütte namens Tellsons Bank innen wie außen umgibt, zeugt wirklich von der Abwesenheit jeglicher

    Neuerung, jeglichen Fortschritts.

    All das, geschrieben mit dem süffisant ironischen Unterton den Dickens perfekt beherrscht, stellt das Ansehen dieser Bank eigentlich auf

    die unterste Stufe. Das findet seinen Höhepunkt dann mit der Tatsache, dass Tellson eine Menge Köpfe an den Galgen oder sonstwie

    zu Tode gebracht hat.

    Zitat


    (...) auf drei Vierteilen der Noten in der Tonleiter des Verbrechens stand der Tod...


    Herrlich dann auch die Beschreibung der "Insassen" die ihrem Inventar an Alter und Verfall in nichts nachstehen.

    Zitat

    Nahmen sie je einmal einen jungen Menschen in Tellsons Londoner Haus, so versteckten sie ihn irgendwo, bis er alt war.

    Sie verwahtrten ihn, gleich dem Käse, an einem dunklen Platz, bis er den vollkommenen Duft und Schimmel von Tellsons

    angenommen hatte.


    Das abschließende Bild von Mr. Jerry Cruncher (und Sohn), dem willigen Boten der Bankherren, rundet das Bild der symphatischen Truppe

    von Tellsons dann wunderbar ab.

    Übrigens scheint Mr. Lorry gar nicht in das üble Bild dieser Bande hineinzupassen. Da erscheint er ja beinahe wie ein Lichtblick im

    heuchlerischen Dunkel des Hauses.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • ch hatte das Gefühl, dass es nach Kap. 3 oder 4 etwas verständlicher wird,

    Ja, das ging mir genau so. Man gewöhnt sich tatsächlich an diese Übersetzung, aber trotzdem muss ich manche Sätze zweimal lesen.

    recht klischeehaft: die mitfühlende zarte Frauenseele

    … aber damit ist sie tatsächlich ein helles Gegenstück, wie Studentine meinte.

    Da serviert uns Dickens einmal wieder so ein erzählerisches Glanzstück, das der Leser den Moder und Schimmel praktisch schon riecht.

    Der langsame Verfall der diese üble Hütte namens Tellsons Bank innen wie außen umgibt zeugt wirklich von der Abwesenheit jeglicher

    neuerung, jeglichen Fortschritts.

    Mir kommt dieses Kapitel - das trieft ja wirklich vor Sarkasmus! - vor wie ein Gleichnis der britischen Gesellschaft: unter dem Glanz Dreck und Moder, the same procedure as every year, nur ja nichts Neues, "So haben wir das immer gemacht".

    Inhaltlich übel, aber sprachlich einfach herrlich!

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Bisher muss ich sagen, dass ich wie erwartet nicht alles verstehe, aber den groben Inhalt und vereinzelte "Spielereien". Ich liebe ja die vielen und ausführlichen Vergleiche die Dickens verwendet :loool:

    Dickens im Original zu lesen ist allerdings auch eine Herausforderung, aber es lohnt sich schon allein aufgrund des brillanten Schreibstils.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen

  • zu Buch 2 - Kapitel 2


    Direkt zu Beginn erlaubt uns Dickens einen Einblick in die Haltung der Gesetzgeber und ihren drakonischen Strafen. Da zeigt der eigentlich

    recht unsympathische Jerry Cruncher mal eine andere Seite.

    Kritik über die Härte des Gesetzes ist wohl wenig erwünscht und wird sofort mit einer kleinen Warnung verbunden.


    Dickens hat, soweit ich weiß, einige Gerichtsverhandlungen besucht und seine Meinung dazu hat er in seinen Romanen (besonders Bleak House)

    gründlich kundgetan. Bei einem Besuch bei einer öffentlichen Hinrichtung hat ihn die Blutgier und das schändliche Verhalten des Volkes so

    angeekelt, dass er es öffentlicht angeprangert hat.

    Im dritten Kapitel, in der die Gerichtsverhandlung gegen Charles Darney stattfindet bezeichnet er die anwesenden Zuschauer wiederholt als

    summende Schmeißfliegen. Vielleicht auch einer der Gründe, warum dieser historische Roman bei vielen Lesern nicht so gut ankam. Vielleicht

    haben sich da so einige wiedererkannt. Erst lange nach seinem Tod erhielt der Roman die ihm gebührende Aufmerksamkeit.


    Jetzt aber zurück in den Gerichtssaal. Charles Darney wird des Hochverrats angeklagt und der allgemeine Tenor ist wohl, dass er verurteilt wird.

    Da sind sich alle einig. Anwesend sind auch Mr. Lorry, Miss Manette und einige andere Personen über die dann noch berichtet werden muss.

    Darney besitzt doch tatsächlich die Unverschämtheit sich als "nicht schuldig" zu bezeichnen. Man darf gespannt sein auf diese Verhandlung

    und natürlich auf die neu dazugekommenen Personen. dazu dann im Kapitel 3.


    Auch in diesem Kapitel spart Dickens nicht mit sarkastische Anmerkungen. Hier lässt er sich über die Zustände in den Gefängnissen aus:

    Zitat


    Immerhin aber war das Gefängnis ein abscheulicher Ort, wo Ausschweifungen und Schurkereien fast aller Art geübt wurden und wo

    schlimme Krankheiten sich ausbreiteten, die mit den Gefangenen in den Gerichtssaal kamen und bisweilen von der Anklagebank aus

    geradewegs sogar auf den Lord-Oberrichter zustürzten und ihn von seinem Stuhle herunterrissen.

    An Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen seiner Zeit hat Dickens ja nie gespart, aber ich finde, dass er in diesem Roman deutlicher

    und direkter auf diese Zustände reagiert.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Robert Seethaler - Das Cafe ohne Namen

    :study: Matt Ruff - Ich und die anderen