Charles Dickens - Eine Geschichte aus zwei Städten / A Tale of Two Cities (Start: 1. Februar 2019)

  • Ich hab gestern mal angefangen, die Einleitung von Richard Maxwell zu lesen - aber das hab ich dann lieber wieder gelassen. Ich hab das Gefühl, dass ich sonst die halbe Geschichte schon kenne. Ich möchte mich aber unbefangen in die Geschichte ziehen lassen.

    Mir erging es ähnlich beim Lesen des Nachwortes von Harald Keller in der Insel Ausgabe. Ich habe den Roman zwar vor langer Zeit schon

    einmal gelesen, aber für jemand der den Roman noch nicht kennt, würde ich empfehlen den Begriff Nachwort wörtlich zu nehmen.

    Interessant sind hier jedoch die Informationen über die Entstehung des Romans und seine Aufnahme bei den Lesern und den Kritikern.

    Das war ja beinahe schon ein Sturm der Entrüstung und Ablehnung der Dickens da entgegenschlug.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


    :study: Haruki Murakami - Die Stadt und ihre ungewisse Mauer

    :study: Joseph Roth - Hiob (MLR)

  • Entrüstung und Ablehnung? Wow, das ist heftig. Da ich mir die Einleitung gespart habe, hab ich das so nicht gelesen, falls es überhaupt erwähnt wird. Warum Ablehnung?

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

    :study: Mike Dash - Tulpenwahn


  • Ich bin gestern auch mit den ersten Kapitel gestartet und dabei fällt mir immer wieder auf, wie anspruchsvoll Dickens doch auf Englisch ist. Wenn ich nicht grob wüsste, worum es geht, hätte ich in den ersten Kapiteln wohl noch nicht viel verstanden. Das muss ich definitiv dosiert lesen, ein bis zwei Kapitelchen vor dem Schlafen.

  • Entrüstung und Ablehnung? Wow, das ist heftig. Da ich mir die Einleitung gespart habe, hab ich das so nicht gelesen, falls es überhaupt erwähnt wird. Warum Ablehnung?

    Ich zitiere mal zwei kurze Passagen aus den Nachwort:

    Zitat


    Unter der Fülle von Vorwürfen, mit denen der Dichter nach dem Erscheinen seines Romans sich überschüttet sah, war auch der, das er die

    Regeln der literarischen Komposition völig missachtet habe. >>Von Anfang an tadelte man die Unbeholfenheit, mit der die Rahmenhandlung

    gefügt sei. und mißbilligte den mangelnden Zusammenhang zwischen den Nebenepisoden und dem Hauptgeschehen.

    Zitat

    Die aristokratischen, überhaupt alle konservativen Kreise in England hatten es Dickens sehr verübelt, dass er die Ursachen der Französischen

    Revolution allei in der Regierung des Königstums und der Mißwirtschaft des Adels erblickt hatte.

    Hinzu kommt, dass Dickens frühere Leserschaft die komisch, skurrilen Figuren und die humorvollen Nebenhandlungen vermisste.


    Ich denke, wir werden darüber im Laufe der MLR sicher noch einiges zu schreiben haben.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Das muss ich definitiv dosiert lesen, ein bis zwei Kapitelchen vor dem Schlafen.

    Ich lese Dickens nicht im Bett vor dem Schlafen, dafür ist er mir zu anspruchsvoll. Ich sitze wach und aufrecht auf der Couch bei Dickens, damit ich ihm genüge und auch nichts verpasse :)

    Ich denke, wir werden darüber im Laufe der MLR sicher noch einiges zu schreiben haben.

    Das ist bestimmt der Fall. Da ist Dickens ja einigen auf die Füße getreten, das wird bestimmt spannend. :loool:


    Im übrigen hat er sein Wissen über die Französische Revolution wohl hauptsächlich aus dem Buch seines Freundes Thomas Carlyle "The French Revolution: A History", das 1837 erschien und wohl damals als ein Hauptwerk zur Französischen Revolution galt. Carlyle recherchierte sehr akribisch; im Appendix III - Dickens and his Sources - steht, dass Dickens sich von ihm wohl Sekundärliteratur erbat neben seinem eigenen Buch und angeblich danke er für die Überlassung aller Werke. Das könne man aber getrost nicht glauben, da sich Carlyle in den Fußnoten seines Buchs auf ca. 39 teils mehrbändige Werke bezieht und wohl noch etwa 70 andere Quellen benutzte. :lol:

    die komisch, skurrilen Figuren und die humorvollen Nebenhandlungen vermisste.

    Falls die fehlen sollten, werde ich sie allerdings auch vermissen 8-[

    viele Grüße vom Squirrel



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  • Falls die fehlen sollten, werde ich sie allerdings auch vermissen 8-[

    Offen gesagt würde das nicht in die Grundstimmung dieses historischen Romans passen. Aber warten wir ab und lesen erst einmal die ersten

    Kapitel. Da zeigt sich dann diesbezüglich schon so einiges.

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  • Gibt es bei Euren Ausgaben Informationen darüber?

    In meiner Ausgabe ist weder ein Vorwort noch ein Nachwort, was ich sehr bedaure. Und ich vermisse jetzt schon Anmerkungen wie ich es bei anderen Ausgaben hatte.



    Mir erging es ähnlich beim Lesen des Nachwortes von Harald Keller in der Insel Ausgabe.

    Welche Ausgabe vom Insel Verlag hast du denn? In meiner gibt es kein Nachwort. Ich verlinke noch mal mein Exemplar. Vielleicht gibt es da Unterschiede? :shock:



    Ich lese Dickens nicht im Bett vor dem Schlafen, dafür ist er mir zu anspruchsvoll. Ich sitze wach und aufrecht auf der Couch bei Dickens, damit ich ihm genüge und auch nichts verpasse

    Die Kapitel, die ich gestern vorm Schlafengehen gelesen (oder so ähnlich) habe, darf ich heute nachmittag noch einmal lesen. Das war keine gute Idee und zukünftig werde ich es auch so wie du händeln.



    Falls die fehlen sollten, werde ich sie allerdings auch vermissen 8-[

    Nüjanü, ich sag mal vorsichtig mein verschlafenes Gehirn musste aber doch schon mal bei einer Beschreibung grinsen. Und ich hoffe doch, dass Herr Dickens einige solcher Szenen noch einstreuen wird. Denn gerade die verschrobenen Personen mochte ich in seinen Büchern und hatte mich immer diebisch gefreut ihnen zu begegnen. Dann mag ich wenigstens hin und wieder ein paar amüsante Stellen. Wobei bei dem Thema und amüsant? :-?

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  • Welche Ausgabe vom Insel Verlag hast du denn? In meiner gibt es kein Nachwort. Ich verlinke noch mal mein Exemplar. Vielleicht gibt es da Unterschiede? :shock:

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

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  • Wie gemein von dem Verlag, da gibt es die Neuauflage ohne Nachwort :cry: Und wie ich sehe auch noch ohne die Illustrationen von Phiz :shock::(

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  • Dann mag ich wenigstens hin und wieder ein paar amüsante Stellen. Wobei bei dem Thema und amüsant? :-?

    Amüsant ist Dickens immer da wo er er seine feinen ironischen Seitenhiebe verteilt. Das tut er schon anfangs des ersten Kapitels,

    wo er die in England und Frankreich herrschenden Könige und Königinnen beschreibt. Dazu aber später........

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

    William Shakespeare


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  • Book One

    Amüsant ist Dickens immer da wo er er seine feinen ironischen Seitenhiebe verteilt. Das tut er schon anfangs des ersten Kapitels,

    wo er die in England und Frankreich herrschenden Könige und Königinnen beschreibt.

    Ja, das kann er perfekt. Von den Königen geht er ja fließend zu den Geistererscheinungen damals und zu seiner Zeit über und man muss schon aufpassen, um nicht über den humorigen Teil den bitterbösen und sarkastischen zu überlesen. Denn dieser Übergang ist fließend und man könnte die Aussagen über Frankreich zu leicht als bitterbösen Humor abtun. Hier war ich froh um meine Notes, die mir klar vor Augen führten, dass die Aussagen v.a. über diese Hinrichtung leider der Wahrheit entsprechen und nicht Dickens Humor unterliegen. Ich glaub auch nicht, dass ich die Anspielungen auf die Guillotine und die Karren, mit denen Verurteilte zur Hinrichtung gekarrt wurden und die so bildhaft für den Terror der Franz. Revolution stehen, verstanden hätte ohne Anmerkungen. 8-[ Aber dieses erste Kapitel, das so ohne direkt erkennbaren Bezug zur Geschichte den Leser in die Zeit einführt, fand ich hilfreich um mich in die Zeit hineinzuversetzen. Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal im 18. Jahrhundert bewegt habe, das ist schon sehr lange her.


    Aber bereits im zweiten Kapitel hat mich Dickens wieder fest im Griff - mit welcher Kunst er diese finstere, düstere Atmosphäre heraufbeschwört, das ist einfach immer wieder bewundernswert. Niemand von uns ist wohl jemals in einer Kutsche gereist und doch hatte ich das Gefühl, neben der Kutsche durch den Matsch zu stapfen und mich vor dem Nebel zu fürchten:

    Zitat

    There was a steaming mist in all the hollows, and it had roamed in its forlornness up the hill, like an evil spirit, seeking rest and finding none. A clammy and intensely cold mist, it made its slow through the air in ripples that visibly followed and overspread one another, as the waves of an unwholesome sea might do.

    Überhaupt beginnt dieses Buch so düster - von dieser Szene im Nebel, dem bis an die Zähne bewaffneten Guard der Kutsche zu den Albträumen des Reisenden. Besonders diese Träume - der Albtraum jedes Menschen, lebendig begraben zu sein - und sein "digging, digging, digging" - so düster begann noch keines der Bücher von Dickens, die ich bisher gelesen habe. Das hat auch irgendwie viel von einer Gothic Novel, wie ich finde. :-s Noch kann ich mich zeitlich auch nicht genau verorten, aber die beiden Kapitel in Dover und besonders die Geschichte, die der Protagonist der jungen Lady erzählt, deuten ja darauf hin, dass wir uns nachher in der Zeit zurück bewegen werden, das wir grad eher am Ende der Geschichte stehen.


    Die sehr kurzen Kapitel zeigen ja deutlich, dass die Geschichte in einer Wochenzeitung veröffentlich wurden. Kein Wunder habe ich gestern tatsächlich die ersten fünf Kapitel gelesen (ausnahmsweise wirklich gelesen in einer Lesenacht O:-)). Wie war Euer Einstieg ins 18. Jahrhundert?

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

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  • Zu Buch I


    Mein Exemplar hat kein Vorwort, kein Nachwort, keine Fußnoten, und

    es heißt auch anders: "Eine Geschichte von zwei Städten".


    Ich tu mich bisschen schwer mit dem Lesen, das scheint mir an der Übersetzung zu liegen. Wörter wie "beperückt" bremsen

    den Lesefluss.


    Wie war Euer Einstieg ins 18. Jahrhundert?

    Dickens entwirft ja ein dunkles Bild dieser Zeit... und seine Vorausdeutungen sind auch nicht erheiternd: der Holzhauer Schicksal und der Bauer Tod bereiten sich schon auf ihren Einsatz vor, zumindest in Frankreich.

    Trotzdem merkt man den Humor des Erzählers, z. B. bei der Unterhaltung der drei Jacques' oder wie er im 4. Kapitel das Auftreten einer "wild aussehenden Weibsperson" schildert. Sehr burlesk!


    Manchmal setzt Dickens filmische Mittel ein, das finde ich erstaunlich. Da blendet er einen kurzen Dialog zwischen Tom und Joe ein (2. Kapitel), oder auch die Beschreibung in Kapitel 5, die Sache mit dem Weinfass. Da wandert sein Blick herum wie eine Kamera und zeichnet nach, was dort geschieht. Die Stimmung hellt sich auf, Gelächter und Tanz werden beschrieben - und trotzdem: die Farbe des Weins verweist auf das künftige Blutvergießen.

    Und die helle Szene verdunkelt sich wieder sehr schnell: "Kälte, Schmutz, Krankheit und Not" und vor allem der Hunger.


    Buch I verbindet schon die beiden Städte, und ich bin gespannt, was es mit der rätselhaften Gefangenschaft des Herrn Manette wohl auf sich hat. Und wieso seine Tochter in England lebt.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Wörter wie "beperückt" bremsen

    urgs :pale:

    Mein Exemplar hat kein Vorwort, kein Nachwort, keine Fußnoten

    Ich davon 100 Seiten davon - fast schon wieder zuviel. Aber die Notes (gebündelt hinten im Buch) sind echt hilfreich fürs Verständnis, jedenfalls jetzt am Anfang. Ob ich sie nachher, wenn die Geschichte richtig fließt (was sie jetzt schon tut, hab 6 Kapitel gelesen) noch so benötige, das werde ich ja sehen.

    Dickens entwirft ja ein dunkles Bild dieser Zeit... und seine Vorausdeutungen sind auch nicht erheiternd

    Diese Andeutungen streut er ja ständig ein, in jedem Kapitel. Ich sag ja: die Geschichte ist richtig düster, das kenne ich von Dickens bisher so noch nicht

    Manchmal setzt Dickens filmische Mittel ein, das finde ich erstaunlich.

    Das kann er gut. In Bleak House sind Szenen beschrieben, die sind der reine Slapstick, das können heutige Regisseure nicht besser :pray: Das hat uns damals auch richtig überrascht :)

    viele Grüße vom Squirrel



    :study: Joseph Roth - Hiob

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  • Mir erging es ähnlich beim Lesen des Nachwortes von Harald Keller in der Insel Ausgabe. Ich habe den Roman zwar vor langer Zeit schon


    einmal gelesen, aber für jemand der den Roman noch nicht kennt, würde ich empfehlen den Begriff Nachwort wörtlich zu nehmen.

    :shock: Wie, liest du das Nachwort immer als erstes? Bei mir kommt es immer erst danach. :lol: (Das einzige Buch, bei dem ich lieber vorher einen Blick in Nachwort und Anhang hätte werfen sollen, war "Deutschland, ein Wintermärchen" von Heinrich Heine)


    Wie war Euer Einstieg ins 18. Jahrhundert?

    Puh, ich tu mich diesmal ungewöhnlich schwer mit Dickens, das kannte ich von den beiden vorherigen Büchern eigentlich nicht.:scratch: Man muss sich unheimlich konzentrieren und dabei lese ich "nur" die deutsche Insel-Ausgabe. Ich hoffe einfach, dass ich noch besser reinfinde, bin erst bei Kapitel 4. Die Grundstimmung ist sehr düster (und sehr gut und atmosphärisch dicht beschrieben :thumleft:) und die Zeit, in der die Handlung startet, scheint nicht sehr angenehm zu sein. Mal sehen, wie es weitergeht.

    Liebe Grüße,
    Tine


    :study: Ken Follett - Die Waffen des Lichts

    :study: Trude Teige - Als Großmutter im Regen tanzte

  • Dickens entwirft ja ein dunkles Bild dieser Zeit... und seine Vorausdeutungen sind auch nicht erheiternd: der Holzhauer Schicksal und der Bauer Tod bereiten sich schon auf ihren Einsatz vor, zumindest in Frankreich.

    Das beginnt ja schon mit seinen kurzen und entlarvenden Sätze bezüglich der herrschenden Könige zu dieser Zeit.

    Allerdings machen, wie wir wissen, der Holzhauer Schicksal und der Bauer Tod keine Unterschiede zwischen Adel und hungerndem Volk.


    Diese Andeutungen streut er ja ständig ein, in jedem Kapitel. Ich sag ja: die Geschichte ist richtig düster, das kenne ich von Dickens bisher so noch nicht

    Dickens versucht sich nicht ohne Grund an der Form des historischen Romans. Er hatte zu dieser Zeit starke Konkurrenz durch die Autoren

    Thackery und Elliot. So versuchte Dickens etwas anderes, neues mit seinem Roman. Kritisiert wurde er trotzdem.

    Das Bild der Zeit ist dunkel und voller Vorahnungen. All diese Bilder die er von dieser Zeit zeichnet, vom Rotwein der durch die Straßen fließt

    und das Bild des kommenden Blutes vorausahnen lässt und auch die Bilder von Hunger, Not und staatlicher Gewalt deuten schon hauptsächlich

    auf die schlimmsten Zeiten hin. Man fragt sich wo die im ersten Satz erwähnten besten Zeiten geblieben sind.

    Wie, liest du das Nachwort immer als erstes? Bei mir kommt es immer erst danach.

    Nein, das war hier eher eine Ausnahme, weil ich etwas über die Entstehung der Geschichte wissen wollte.

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

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  • Was haltet ihr denn von Mr. Lorry, der im vierten Kapitel beim Treffen mit Miss Manette ständig wiederholt, dass Gefühle für ihn

    keine Rolle spielen:


    Da deutet er meiner Meinung nach allzu oft daraufhin. Lauern da vielleicht doch, tief im Herzen, ein paar unerwünschte Gefühle in Mr. Lorry?

    Wir sind der Stoff aus dem die Träume sind und unser kleines Leben umfasst ein Schlaf.

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  • Zu Buch 1


    Ich befinde mich zur Zeit im fünften Kapitel.


    man muss schon aufpassen, um nicht über den humorigen Teil den bitterbösen und sarkastischen zu überlesen

    Oh ja! Ich muss schon ziemlich konzentriert lesen.


    Wie war Euer Einstieg ins 18. Jahrhundert?

    Schwieriger wie gewohnt. Es mag an der Übersetzung liegen, aber dafür müsste ich es ja wiederum mit dem Original vergleichen können, was mir ja nicht möglich ist. Vielleicht liegt es aber auch an meiner üblichen Einlesezeit.

    Die Grundstimmung ist düster und Dickens beschreibt wieder sehr intensiv.


    Da deutet er meiner Meinung nach allzu oft daraufhin. Lauern da vielleicht doch, tief im Herzen, ein paar unerwünschte Gefühle in Mr. Lorry?

    Das wurde schon so oft angedeutet, dass einem als Leser schon alle interessierten Warnglocken schrillten. Ich denke, er ist weniger geschäftsmäßig als wie er sich darstellt. :)


    Wo es mir eiskalt den Rücken runterlief waren die vielen Andeutungen was mit Monsieur Manette passiert sein könnte. Andeutungen wie:


    Zitat von Seite 39

    .... nicht gestorben, sondern nur plötzlich in aller Stille verschwunden und nach irgendeinem schrecklichen Platze entrückt worden wäre ....

    lassen so gar nichts gutes hoffen. Und wecken sehr das Interesse des Lesers.


    Ach ja und fast vergessen. Wo ich noch ein wenig Schwierigkeiten habe ist die Befindlichkeit der Miß Manette. Hoffentlich fällt sie nicht ständig in Ohnmacht :-? Wobei ja dann in Form einer sehr interessant beschriebenen Person (die Haube ist ja der Hammer!) tatkräftige Hilfe nahte. Tatkräftiger jedenfalls als unser Herr Lorry.

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  • Wie war Euer Einstieg ins 18. Jahrhundert?

    Düster, da hast Du auf jeden Fall recht. Ich kann bisher nur mit "A Christmas Carol" und "Oliver Twist" vergleichen und natürlich war da auch nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen - aber so dunkel (im wahrsten Sinne des Wortes zu Beginn) war alles nicht und auch das Politische war etwas verpackter. Oder irre ich mich? Also, mehr in die Erzählung verwoben.

    Was haltet ihr denn von Mr. Lorry, der im vierten Kapitel beim Treffen mit Miss Manette ständig wiederholt, dass Gefühle für ihn

    keine Rolle spielen:

    Ich fand ihn vor allem unheimlich ungeschickt im Umgang, fragt sich nur, ob generell mit Menschen oder speziell mit Frauen. Wenn mir mal jemand so eine Botschaft verkünden muss, dann bitte nicht Mr. Lorry. So sensibel wie ein Holzklotz.

  • Ich hab gestern mal angefangen, die Einleitung von Richard Maxwell zu lesen - aber das hab ich dann lieber wieder gelassen. Ich hab das Gefühl, dass ich sonst die halbe Geschichte schon kenne. Ich möchte mich aber unbefangen in die Geschichte ziehen lassen.

    eine solche gibt es bei mir nicht

    Aber ich habe die "Notes on the text" des Herausgebers meiner Ausgabe gelesen und das war ganz interessant. A Tale wurde parallel in wöchentlichen und monatlichen Ausgaben veröffentlicht und danach hat Dickens es als Buch aufgelegt. Es gibt wohl kleine Abweichungen zwischen den wöchentlichen und monatlichen Parts (z.B. in Kapitelüberschriften) und bei der Überarbeitung des Autors zur Gesamtausgabe sind ihm ein paar kleine Fehler passiert. Meine Ausgabe basiert auf den wöchentlichen Veröffentlichungen in dem von Dickens neu gegründeten periodical "All the Year Round". Aber er hat trotzdem die Sketches by Phiz mit aufgenommen, da Dickens und Phiz wie gewohnt eng miteinander arbeiteten und diese Sketches in den monatlichen Veröffentlichungen enthalten sind. Gibt es bei Euren Ausgaben Informationen darüber?

    danke, dass du uns das zur Kenntnis bringst, das sind Infos, die ich eben aufgrund einer anderen Ausgabe nicht habe

    aber für jemand der den Roman noch nicht kennt, würde ich empfehlen den Begriff Nachwort wörtlich zu nehmen.

    das mache ich grundsätzlich so, spätestens seit dem "Vorwort" von Elke Heidenreich bei "Adressat unbekannt", in dem sie bereits im Vorwort die ganze Geschichte erzählt. Deshalb habe ich immer Skrupel, Vor- bzw. erst recht Nachwörter vor dem eigentlichen Buch zu lesen.

    Interessant sind hier jedoch die Informationen über die Entstehung des Romans und seine Aufnahme bei den Lesern und den Kritikern.

    Das war ja beinahe schon ein Sturm der Entrüstung und Ablehnung der Dickens da entgegenschlug.

    Das entgeht mir dann natürlich ...

    Hinzu kommt, dass Dickens frühere Leserschaft die komisch, skurrilen Figuren und die humorvollen Nebenhandlungen vermisste.


    Ich denke, wir werden darüber im Laufe der MLR sicher noch einiges zu schreiben haben.

    genau mit diesen skurrilen Figuren hat Squirrel mir Dickens schmackhaft gemacht

    allerdings hat er - finde ich zumindest - auch bereits in den ersten Kapiteln des Buches, die ich bereits gelesen habe - den ein- oder anderen Sarkasmus aufblitzen

    Ich lese Dickens nicht im Bett vor dem Schlafen, dafür ist er mir zu anspruchsvoll. Ich sitze wach und aufrecht auf der Couch bei Dickens, damit ich ihm genüge und auch nichts verpasse

    Das muss ich auch. Kurz ein paar Seiten zwischendurch geht bei dieser Lektüre für mich nicht, obwohl ich auf Deutsch lese.

    Bin mal gespannt, wie ich da mit dem Tempo mitkomme mit euch.

    Welche Ausgabe vom Insel Verlag hast du denn? In meiner gibt es kein Nachwort. Ich verlinke noch mal mein Exemplar. Vielleicht gibt es da Unterschiede?

    ich habe auch die gleiche Ausgabe

    Amüsant ist Dickens immer da wo er er seine feinen ironischen Seitenhiebe verteilt. Das tut er schon anfangs des ersten Kapitels,

    wo er die in England und Frankreich herrschenden Könige und Königinnen beschreibt. Dazu aber später........

    ja, und das ist etwas, das mir eigentlich sehr gut gefällt, wenn jemand so schreibt, obwohl der Schreibstil ansonsten mir fast zu viel Konzentration abverlangt

    Hier war ich froh um meine Notes, die mir klar vor Augen führten, dass die Aussagen v.a. über diese Hinrichtung leider der Wahrheit entsprechen und nicht Dickens Humor unterliegen. Ich glaub auch nicht, dass ich die Anspielungen auf die Guillotine und die Karren, mit denen Verurteilte zur Hinrichtung gekarrt wurden und die so bildhaft für den Terror der Franz. Revolution stehen, verstanden hätte ohne Anmerkungen. 8-[ Aber dieses erste Kapitel, das so ohne direkt erkennbaren Bezug zur Geschichte den Leser in die Zeit einführt, fand ich hilfreich um mich in die Zeit hineinzuversetzen. Ich weiß nicht, wann ich mich das letzte Mal im 18. Jahrhundert bewegt habe, das ist schon sehr lange her.

    danke für das Mitteilen der Notes!


    Noch kann ich mich zeitlich auch nicht genau verorten, aber die beiden Kapitel in Dover und besonders die Geschichte, die der Protagonist der jungen Lady erzählt, deuten ja darauf hin, dass wir uns nachher in der Zeit zurück bewegen werden, das wir grad eher am Ende der Geschichte stehen.

    Die Frage ist, ob wir mit den beiden bisherigen Hauptprotagonisten immer wieder Rückblicke erleben, oder ob jetzt dann ein kompletter Sprung nach hinten erfolgt und man dann sich wieder langsam dem jetzt nähert.

    Puh, ich tu mich diesmal ungewöhnlich schwer mit Dickens, das kannte ich von den beiden vorherigen Büchern eigentlich nicht. :scratch: Man muss sich unheimlich konzentrieren und dabei lese ich "nur" die deutsche Insel-Ausgabe. Ich hoffe einfach, dass ich noch besser reinfinde, bin erst bei Kapitel 4. Die Grundstimmung ist sehr düster (und sehr gut und atmosphärisch dicht beschrieben :thumleft: ) und die Zeit, in der die Handlung startet, scheint nicht sehr angenehm zu sein. Mal sehen, wie es weitergeht.

    Die beschriebene Zeit erinnert mich an mein Buch "Die verbrannte Kindheit" im Raum Salzburg. Die irrsinnigen Urteile, die oft in keiner Relation zueinander stehen (wie es auch Dickens beschreibt), etc.

    Ich glaube ich bin froh, dass ich im Jetzt lebe und nicht damals...

    Da deutet er meiner Meinung nach allzu oft daraufhin. Lauern da vielleicht doch, tief im Herzen, ein paar unerwünschte Gefühle in Mr. Lorry?

    den Eindruck der Gefühle hatte ich sofort beim Lesen des ersten Zusammentreffens zw. Mr. Lorry und der Damen. Ich weiß jedoch noch nicht, wo ich diese Gefühle einordnen soll: väterliche Gefühle oder die eines Verehrers, oder ganz andere...

    Das wurde schon so oft angedeutet, dass einem als Leser schon alle interessierten Warnglocken schrillten. Ich denke, er ist weniger geschäftsmäßig als wie er sich darstellt.

    das finde ich auch ganz klar

    :study: Audre Lorde: Sister Outsider (eBook)

    :study: Joseph Roth: Hiob (eBook) - MLR

    :study: Thomas Chatterton Williams: Selbstportrait in Schwarz und Weiss - Unlearning Race



    „An allem Unrecht, das geschieht, ist nicht nur der Schuld, der es begeht, sondern auch der, der es nicht verhindert.“

    Erich Kästner

    "Das fliegende Klassenzimmer"


    Warnhinweis:
    Lesen gefährdet die Dummheit

    :study:

  • Da deutet er meiner Meinung nach allzu oft daraufhin. Lauern da vielleicht doch, tief im Herzen, ein paar unerwünschte Gefühle in Mr. Lorry?

    Das mag sein - wir werden es erfahren!


    Ich habe diese Wiederholungen noch anders gelesen: Der Erzähler muss ja seine Figuren charakterisieren und sie dem

    Leser erinnerlich werden lassen - und hier ist es das Geschäftsmäßige, das er wiederholt und das dem Leser im Gedächtnis bleibt. Ich gehe mal davon aus, dass der Erzähler wieder einen großen Figurenreigen aufbringen wird und dem Leser eine gedankliche Stütze geben will.

    Außerdem wird die Figur davon recht skurril, und das liegt Dickens - jedenfalls mein Eindruck nach der letzten Leserunde zu David Copperfield.


    Also ich will jetzt den Roman nicht mit einem antiken Epos vergleichen, aber diese Wiederholungen erinnern mich an das epitheton ornans, mit dem z. B. in der Ilias die Figuren versehen werden ("Odysseus der Listenreiche"). :wink:

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).