Henry James - Im Käfig / In the Cage


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    Zum 100. Todestag von Henry James am 28. Februar 2016

    In den öden Sommermonaten um die Jahrhundertwende vertreibt sich die Londoner High Society die Zeit mit Ausschweifungen und Seitensprüngen. All die verbotenen Verabredungen gelangen durch die Gitterstäbe des Telegrafenschalters in die Hände einer jungen namenlosen Frau. Aus den kryptischen Anspielungen und Abkürzungen der Telegramme reimt sie sich die Geheimnisse dahinter zusammen, besonders die Liebelei des schmucken Captain Everard zieht sie in ihren Bann. Aber natürlich entpuppt sich die Wirklichkeit als eine ganz andere als gedacht...

    Hanns Zischler liest diese subtile Charakterstudie mit viel Feingefühl für Henry James' Erzählkunst - und diese Faszination überträgt sich eins zu eins auf den Hörer.


    Zum Sprecher:


    https://de.wikipedia.org/wiki/Hanns_Zischler


    Mein Höreindruck:


    Eine junge Frau, die namenlos bleibt, sitzt in einem Käfig, „wie ein Meerschweinchen oder eine Elster“: sie arbeitet als Telegrafistin an einem Postschalter in einem Londoner Kaufhaus. Dort kommt sie in Kontakt mit der Jeunesse dorée des eleganten Stadtteils Mayfair, die sich mit Intrigen, Liebesgeplänkel und anderen Heimlichkeiten die Zeit vertreibt.

    Die junge Frau ist fasziniert. Sie verliert sich in Tagträumen, stellt in ihrer Fantasie Beziehungen her, entwickelt Hoffnungen, ihre gesellschaftliche Schicht zu verlassen, bis sie die bittere Wahrheit erkennt: dort ist kein Platz für sie und ihresgleichen.


    Die Novelle lebt von Gegensätzen. Auf der einen Seite sehen wir die fleißige, pflichtbewusste Postangestellte im engen Holzgehäuse ihres Schalters, die ihren Lebensunterhalt durch eine Heirat mit einem langweiligen, ungeliebten Kollegen absichern muss – und auf der anderen Seite steht die verschwenderische Jugend, eine Welt von Glamour und Sorglosigkeit, zu der sich die Protagonistin hingezogen fühlt.


    Henry James führt das Milieu der jungen Frau gnadenlos vor. Die gesamte Novelle wird konsequent aus ihrer Perspektive erzählt, und mit der Technik des Bewusstseinsstrom, die Henry James perfekt beherrscht, führt sie selber dem Leser ihre Psyche vor. So entsteht ein Bild der britischen Klassengesellschaft im ausgehenden 19. Jahrhundert, das einen zum Revoluzzer machen könnte…


    Die Novelle wurde zum 100. Todestag von Henry James eingelesen von Hanns Zischler, und das macht er perfekt.


    Fazit:

    Das Psychogramm einer jungen Frau, die sich vom Traum eines gesellschaftlichen Aufstieg verabschiedet, einfühlsam und absolut professionell gelesen.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Und das Original: What Maisie Knew: In the Cage

    Bist du sicher Mara - ich erinnere mich nämlich an den Film mit diesem Titel basierend auf dem Roman "Was Maise wusste" , und die Rezension von drawe erzählt eine andere Geschichte. Deutscher Titel des Filmes.

    Das Glück der großen Dinge

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Henry James - Im Käfig“ zu „Henry James - Im Käfig / In the Cage“ geändert.