20er Jahre Berlin. Vicky wächst als einzige Tochter in einem gutbürgerlichen Elternhaus auf und hilft in der familieneigenen Metzgerei als Verkäuferin aus. Die Eltern haben für sie schon einen Ehemann ausgesucht, als sie den rothaarigen Fronturlauber und Studenten Willi kennen- und lieben lernt. So schnell, wie sie sich ineinander verlieben, heiraten sie auch, da das erste Kind unterwegs ist. Vickys Eltern sind mit dem Schwiegersohn gar nicht einverstanden und machen dem jungen Ehepaar das Leben schwer. Als Vicky mit dem fünften Kind schwanger ist, will Willi sich scheiden lassen, da er seine Jugendliebe ebenfalls geschwängert hat und diese nicht im Stich lassen will. Während Vickys Eltern den ungeliebten Schwiegersohn schon aus ihrem Gedächtnis streichen wollen und den damals ausgesuchten Eheanwärter wieder aktivieren, denkt Vicky daran, sich endlich ihren eigenen Traum zu erfüllen, nämlich einen Buchladen mit angeschlossener Bücherei, denn sie möchte Bücher fürs Herz, voller Romantik und Gefühl an die Frau bringen…
Joan Wenig hat mit ihrem Buch „Die Frauen vom Savignyplatz“
einen historischen Roman vorgelegt, der neben der eigentlichen Handlung vor
allem die Situation der Frau zur damaligen Zeit thematisiert und dem Leser vor
Augen führt. Der Schreibstil ist flüssig, mit einigem Berliner Lokalkolorit
gespickt und gut zu lesen, die Geschichte wird aus der Sicht von Vicky in der
dritten Person erzählt. Der Autorin gelingt es gut, den Leser in die damalige
Zeit zu versetzen und ihn am täglichen Leben teilhaben zu lassen. Aufgrund
akribischer historischer Recherche gibt die Autorin dem Leser einen sehr guten
Einblick in die damaligen gesellschaftlichen Strukturen, dem Rollenverständnis
zwischen Mann und Frau sowie der politischen Lage. Die Nazis sind langsam im
Aufwind, die Rolle der Frau ist die einer Haushälterin, Ehefrau und Mutter, die
zu dumm ist, intelligente Literatur zu verstehen, weshalb sie sich am besten
still im Hintergrund zu halten hat. Frauen waren nicht in der Lage, ein eigenes
Geschäft zu eröffnen, da sie nicht geschäftsfähig waren. Nur mit einem Ehemann
im Rücken war es, wenn auch nicht gern gesehen, doch geduldet. Die Autorin
lässt den Leser erkennen, wie verlogen die damalige Zeit doch war, wo sich
Homosexuelle als abartig galten, während die freie Liebe propagiert wurde. Mit
dem Erstarken der Nazis, gegen die sich kaum jemand zur Wehr setzte, wurden der
Verfolgung Tür und Tor geöffnet und dem alten Bild von der Frau am Herd noch
mehr Raum gegeben wurde. Neben dem interessanten geschichtlichen Hintergrund
plätschert die Haupthandlung eher vor sich hin und kann nicht wirklich fesseln.
Bis es zur Eröffnung des Buchladens kommt, sind bereits 184 Seiten von 308
gelesen, was mehr als dürftig ist.
Die Charaktere sind gut ausgearbeitet und geben einen guten Querschnitt über die verschiedenen Gesellschaftsschichten. Sie alle wirken realistisch und authentisch. Vicky ist eine gute Seele mit dem Herz am rechten Fleck, was bei ihren Eltern ein regelrechtes Wunder ist. Sie hat eine Vorliebe für Liebesromane, ist etwas naiv, dabei offen und schlagfertig und träumt von einer eigenen Bücherei. Ihren Ehemann hat sie sich selbst ausgesucht und führt mit ihm eine eher ambivalente Ehe. Willi ist ein umtriebiger Ehemann, der seine Familie abgöttisch liebt und alles für sie tut. Gleichzeitig treibt er sich rum, wahrscheinlich der Grund, weil er sein Studium bisher nicht zum Ende bringen konnte. Vickys Freundin Lisbeth ist Vicky seit der Kindheit eine große Stütze. Bambi ist Vickys „verrückter“ Bruder, der schon früh als Vegetarier lebt und ihr so manches Mal mit den Kindern hilft. Jakob ist der erwählte Heiratskandidat der Eltern, der sich als freundlich und ehrenhaft erweist und Vicky so manches Mal unter die Arme greift. Auch die weiteren Protagonisten wie z.B. die Vermieterin Mietzi oder der Metzgergeselle geben ein buntes und sehr reales Bild der damaligen Zeit ab.
„Die Frauen vom Savignyplatz“ ist ein durchaus unterhaltsamer Roman, der vor allem die damalige Zeit gut wiedergibt. Die Handlung plätschert derweil vor sich hin und bleibt nicht lange im Gedächtnis. Kleiner Schmöker für zwischendurch.
Durchschnittliche