Ricardo Ménendez Salmon - Niños en el tiempo/Enfants dans le temps

  • Original : Espagnol, 2014


    Ein Roman in drei Fragmenten :

    - « Die Wunde » (60 S) : Ende einer Beziehung von fünfzehn Jahren zwischen Antares, dem Schriftsteller, und Helena. Sie haben ihr kleines Kind verloren infolge einer Krebserkrankung. Verschiedenförmig leben sie ihre Trauer, die Trennung, genau eben das auch zwischen ihnen schafft und sie voneinander entfernt. Verlust der Zeitkontroll steht man einsam da in seiner nicht teilbaren Trauer. Aber :


    « Die Dunkelheit existiert, doch das Leben geht weiter. Keiner ist dafür schuldig. »


    - « Die Narbe » (76 S) ist die Schilderung einer möglichen Kindheit Jesu. Auch hier : Trauer von Abwesenden, Verlust eines Kindes, aber auch : Wiederherstellung – und sei es als fiktive Arbeit des Schriftstellers – einer dem Kinde Jesu vorenthaltenden Zeit ? Die Kapitel werden von den Buchstaben des hebräischen Alphabets betitelt. Der Erzähler bemängelt die willkürliche Vorenthaltung bzw Einsperrung in eine Nachricht der verschiedenen Kommentatoren (Evangelisten). Und er ? Schafft er nicht auch seinen nun ihm eigenen Mythos ?


    - « Die Haut » (42 S) : Reise Helenas nach Kreta, sie trägt ein neues Kind in sich ; Verheißung, Neuanfang ? Sie trifft einen diskreten, schon älteren Landesgenossen, Antonio, und sie verbringen viele Abende gemeinsam. Ihr Leben erfüllt sich neu, doch am Ende, erneute Trennung ? Ist er, Antonio/Antares, der ihr am Ende die Schilderung von der Kindheit Jesu reicht ???


    In allen drei Fragmenten ist die Rede vom Tod, von Trennung, und, geheimnisvollerweise auch von Wiederaufleben und Neuorientierung. Einige Brückenfiguren und -themen verbinden sie, verweisen aufeinander. Ist nun der Schriftsteller Antares, Vater des verlorenen Kindes, Vater des werdenden Kindes? In seiner Trauerbewältigung Schreiber des Jesus-Fragmentes ? Ist es seine Form, eine nie stattgewesene Kindheit zu schenken ? Und Antonio/Antares ? Verlorenes Kind, nicht gewährte Kindheit – gleichermaßen Absurditäten ? Ist Entfernung und Trennung unvermeidlich angesichts des Todes ? Ist Trauer ein einsames Geschäft ? Und ist die künstlerische Auseinandersetzung damit Lebensausdruck oder wieder etwas Erstarrtes und Erstarrendes ?


    Man findet durchs ganze Buch hindurch Elemente aus der griechischen Mythologie bzw auch Namen. Auch christliche Motive werden angesprochen, doch mir scheint, dass Salmon diese eher schlecht verarbeitet oder versteht ? Oder sind es seine fiktiven Schriftsteller des Werkes ? Spiel zwischen Fiktion und Wirklichkeit…


    Die Schreibe ist dicht und beschreibend. Dabei aber nicht einfach von äußeren Handlungen als vielmehr auch schon sozusagen die Interpretation, das Motov mit angebend. Zu sehr ? Zu bestimmend, didaktisch ? Ein wenig mehr Vertrauen in die Fabulierkunst des Lesers hätte eventuell gut getan ?


    Es wäre gut, später andere Meinungen zu diesem Roman zu haben, der mich nicht ganz überzeugen konnte, wenn er auch « etwas hat ».


    AUTOR :

    Ricardo Ménendez Salmon wurde 1971 in Gijón, in der Provinz Asturien/Spanien geboren. Er ist ein Schriftsteller, Essayist, Übersetzer und Journalist. Er absolvierte ein Philosophiestudium an der Universität Olviedo und war und ist bei verschiedenen Zeitschriften Chronist. Oft steht in seinem Werk das Verhältnis von Kunst und dem Bösen im Vordergrund. Er gehört zu den vielbeachteten jungen Schriftstellern Spaniens und erhielt schon überaus viele Preise.


    WERK :


    Taschenbuch: 221 pages

    Publisher: Booket (2 April 2015)

    Language: Spanisch

    ISBN-10: 9788432224683

    ISBN-13: 978-8432224683

    ASIN: 8432224685

  • Das Buch scheint noch nicht auf Deutsch übersetzt worden zu sein. Hier eine französische Fassung (schön, dass man das Cover-Bild beibehalten hat):


    Broché: 160 pages

    Editeur : Jacqueline Chambon (3 février 2016)

    Collection : EDITIONS JACQUE

    Langue : Français

    ISBN-10: 2330058861

    ISBN-13: 978-2330058869

  • schön, dass man das Cover-Bild beibehalten hat

    Dein Ernst? Ich finde es absolut grauenhaft, es tut mir weh.

    An und für sich ist es mE gut, Cover-Bilder beizubehalten, unabhängig davon, ob man es "schön" findet oder nicht (ich finde es auch nicht "schön"!).


    Und zweitens: passt es eventuell hier doch zum Inhalt...

  • Dein Ernst? Ich finde es absolut grauenhaft, es tut mir weh.

    An und für sich ist es mE gut, Cover-Bilder beizubehalten.


    Und zweitens: passt es eventuell hier doch zum Inhalt...

    Jetzt müsste man die reale Entstehungsgeschichte dazu kennen.

    Manchmal ist sie ja ganz anders als vermutet.


    Marie , findest Du es grauenhaft, weil der Junge vernachlässigt/verwahrlost aussieht?

    Vielleicht hatte er ja auch einen schönen Tag mit Freunden, so dreckig ist man auch oft, wenn man eine gute Zeit hatte.

    tom leo: Wie heißt denn der Fotograf? Bzw ist es das Kind, um das es geht?

  • Nun habe ich das Buch schon weitergegeben, kann nicht mehr nachschauen, wer der Photograph ist...


    Es geht um Kinder, ja, "ninos/enfants" in der Zeit. Diese werden hier betrauert ob ihres Todes (erste Geschichte) oder einer "verweigerten Kindheit" (zweite Geschichte). Sind sie Zeichen der Absurdität? Allerdings handelt es sich um Kinder in wahrscheinlich noch jüngerem Alter... Doch das Photo drückt doch in gewisser Hinsicht wie eine Frage aus, wie eventuell auch eine Verletzung???

  • findest Du es grauenhaft, weil der Junge vernachlässigt/verwahrlost aussieht?

    Damit könnte ich leben, aber es geht um die Verwundung / den Schnitt am Bauch. Wenn ich so was sehe, wird mir gleich ganz anders. (Womit meine fehlende Eignung für medizinische Berufe bewiesen wäre.)


    Oder habe ich falsch geguckt und es ist nur Dreck?

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • findest Du es grauenhaft, weil der Junge vernachlässigt/verwahrlost aussieht?

    Damit könnte ich leben, aber es geht um die Verwundung / den Schnitt am Bauch. Wenn ich so was sehe, wird mir gleich ganz anders. (Womit meine fehlende Eignung für medizinische Berufe bewiesen wäre.)


    Oder habe ich falsch geguckt und es ist nur Dreck?

    DIESEN Gedanken der Verwundung wollte ich eventuell auch noch aufgeriffen haben, denn ich hatte diese Assoziation auch! Tatsächlich heißt die erste Geschichte ja auch "Die Wunde". Aus dieser verblutet das Kind der ersten Story. Doch gleichzeitig ist es jene Wunde, in der auch die Beziehung der Eltern "stirbt" und verblutet. Also liegst Du eventuell nicht falsch...

  • Zitat von Marie

    habe ich falsch geguckt und es ist nur Dreck?

    Ich hätte gesagt, es ist nur Dreck, aber es kommt wohl wirklich auf den Betrachter an. Ich dachte bei dem SchwarzWeiß-Foto an einen Jungen, der ganz in seiner eigenen (Spiel)Welt lebt. Das Farbbild weckt ganz andere Assoziationen in mir, darauf wirkt das Kind auf mich wirklich verwahrlost, einsam. Es würde aber auch wieder zum Inhalt passen.

  • schön, dass man das Cover-Bild beibehalten hat

    Dein Ernst? Ich finde es absolut grauenhaft, es tut mir weh.

    mir geht es anders. Gerade das Titelbild mach mich absolut empfänglich für das Buch. Ich finde das Bild des Jungen sehr bewegend, tief in die Seele greifend. Als ich es gesehen habe, wollte ich das Buch unbedingt lesen. Erst dann hab ich die Rezension von tom leo gelesen. Danke dir an dieser Stelle. Leider, ist das Buch nicht ins Deutsche übersetzt. Muss ich warten.

    2024: Bücher: 99/Seiten: 43 438

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

    --------------------------------------------------

    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
    ------------------------------

    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

    ------------------------------

    Lese gerade:

    Macdonald, Helen/Blaché, Sin - Prophet

  • Gerade das Titelbild mach mich absolut empfänglich für das Buch.

    Ich habe es mir jetzt nochmal angesehen und finde es immer noch schlimm. Die tiefe Schnittwunde am Bauch wie von einer schief gegangenen Operation. Und dann der Junge etwa im Alter von Enkel 2, das würde mich derzeit überfordern.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich habe es mir jetzt nochmal angesehen und finde es immer noch schlimm.

    das kann ich sehr gut nachvollziehen:friends: Mir geht das Bild auch sehr nahe, es bewegt und berührt mich. Um so schlimmer, dass es ein Kind ist, das da abgebildet ist :cry: Kann mir gut vorstellen, dass man die Geschichte, die hinter dem Bild steckt, gar nicht gut emotional verkraften kann. Besonders wenn man dabei an seine Lieben denkt.

    2024: Bücher: 99/Seiten: 43 438

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

    --------------------------------------------------

    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
    ------------------------------

    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

    ------------------------------

    Lese gerade:

    Macdonald, Helen/Blaché, Sin - Prophet