Gerhard Zeillinger - Überleben

  • Kurzmeinung

    claudi-1963
    Erschütterndes Lebenszeugnis eines Holocaustüberlebenden.
  • "Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschah. Aber dass es nicht wieder geschieht, dafür schon!" (Max Mannheimer)
    Als Walter am 6. März 1938 seine Bar Mizwa feiert, ahnt er noch nicht, das wenig später die ersten Truppen Hitlers in Österreich einmarschieren. Plötzlich ändert sich alles, auch auf dem Land wo die Familie Fantl einen Gemischtwarenladen hat. Dann wird ihr Laden enteignet und sie müssen mit mehreren anderen jüdischen Bewohnern nach Wien, als 1941 Walter gerade mal 18 Jahre alt war, wurden sie nach Theresienstadt deportiert. Doch Walter gute körperliche Verfassung und das er Schlosser gelernt hat, verhalfen ihnen, dass er und die Familie dort recht gut zurechtkamen. Als dann die arbeitenden Männer mit dem Zug in den Osten fahren mussten, wollte Walter seinen Vater nicht alleine lassen und meldet sich freiwillig. Keiner ahnt, bis dahin das ihr Ziel Auschwitz-Birkenau sein wird. Spätestens hier merkt Walter das Theresienstadt ein Paradies war gegen das, was sie in Auschwitz erleben würden. Alles was er besitzt wird abgenommen, lediglich sein Gürtel, den er aus seiner Schlosserzeit in Wien besitzt wird für ihn zum Überlebenssymbol an den er sich klammern kann. Heute ist Walter Fantl der letzte lebende österreichische Zeitzeuge.


    Meine Meinung:
    Da ich inzwischen viele Bücher und Lebensberichte über den Holocaust kenne und gesammelt habe, hat mich die Geschichte von Walter Fantl neugierig gemacht. Anhand vieler Gespräche und Dokumente hat Historiker und Journalist Gerhard Zeillinger dieses beeindruckende Lebenswerk niedergeschrieben. Dabei erfährt man auch von Walters Kindheit, seinen Eltern, über die Zeit in Wien, im Lager in Theresienstadt und seine Zeit in Auschwitz und dem Arbeitslager Gleiwitz bis hin zur Befreiung und anschließenden Suche nach Überlebenden. Wie immer, wenn ich solche Lebensberichte von Holocaustüberlebenden lese, war ich tief erschüttert, was diese Menschen alles ausgehalten und mitgemacht haben. Vor allem die Zeit in Auschwitz und Gleiwitz hat mich teilweise fassungslos gemacht, als ich las wie brutal die Kommandanten und Kapos mit den jüdischen Arbeitern umgingen. Auch der Todesmarsch, über den ich nicht das erste Mal gelesen hatte, hat bei Walter ganz andere Dimensionen angenommen. Ich habe mich bei diesem Buch mehrmals gefragt, was ein Mensch eigentlich alles aushalten kann, wenn er nur noch einen Funken Hoffnung hat, der ihn am Leben erhält. Walter ist hierfür das beste Zeugnis, oft hat der seinen Leidensweg sogar selbst bestimmt, weil er seine Familie oder den Vater nicht alleine gehen lassen wollte. Dass diese Erlebnisse einen Menschen präge, verändern und er danach nie wieder derselbe ist, gerade dafür ist Walters Geschichte ein gutes Beispiel. Viele Bilder aus dem Buch stammen aus den Hinterlassenschaften der Familie, die das ehemalige Dienstmädchen durch den Krieg aufbewahrt hat. Ich kann dieses Buch nur jedem empfehlen und gebe 5 von 5 Sterne. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::applause::thumleft:

  • Heute ist Walter Fantl der letzte lebende österreichische Zeitzeuge.

    Das kann nicht stimmen, da gibt es noch einige die in den Schulen unterwegs sind unter anderem Marko Feingold
    https://de.wikipedia.org/wiki/Marko_Feingold


    Das kann ich nicht sagen, ich kann hier nur interpretieren was in dem Buch stand. Dort stand er das er der letzte österreichische Überlebende ist. Das heißt ja nicht das Überlebende in den Schule berichte, sie müssen aber nicht unbedingt in Österreich wohnen.

  • Wenn ich das geliket habe, meine ich damit die Rezension und dass mich die Geschichte des Autoren interessiert.

    Das zu erleben, was der Autor durchgestanden hat, kann niemanden gefallen.

    Ja das stimmt diese Erlebnisse möchte keiner mitmachen.

  • Überleben in Auschwitz-Birkenau

    Walter Fantl lebt mit seinen Eltern und der Schwester in Bischofstetten, einem kleinen Ort im niederösterreichischem Mostviertel. Die Fantls betreiben einen von drei Gemischtwarenläden. Dass sie Juden sind, wissen alle im Dorf, doch keiner stört sich daran – vorerst. Mit der Machtübernahme Hitlers und dem Anschluss an Deutschland beginnt die Leidensgeschichte der Fantls. Walter ist gerade einmal 14 Jahre alt. Wie so viele Juden erkennen sie die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig. Die Ausgrenzung der Fantls, die Arisierung des Geschäftes, die Umsiedlung nach Wien und die verzweifelten Versuche des Vaters die nötigen Papiere und das Geld für die Schiffspassagen zu bekommen, werden von Walter Fantl eindringlich und detailliert geschildert.


    Die Fantls werden zuerst 1942 gemeinsam nach Theresienstadt und 1944 dann nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Noch weiß niemand, dass Walter der einzige Überlebende seiner Familie sein wird.


    "Dann bin ich zu einem Kapo hin und habe gefragt: Was ist mit den anderen? Wo ist mein Vater?

    Und der schaute mich an und zeigt auf einen der Schornsteine und sagt: Siehst du den Rauch? Das sind die anderen, das ist dein Vater".


    Was an dieser Biografie so fasziniert ist, dass es Walter, auch in den vielen Stunden der Schinderei und Demütigungen gelingt, einige wenige glückliche Momente mit Leidensgenossen zu erleben. Das Symbol seiner Hoffnung, den Wahnsinn zu überleben, ist sein Ledergürtel. Der ist das einzige, was ihm noch geblieben ist. Kleidung, Schuhe oder Wertsachen wurden ihm von Mithäftlingen gestohlen oder gegen Nahrungsmittel eingetauscht. Doch an den Gürtel klammert er sich mit all seiner Kraft.


    Das Buch endet nicht – wie so viele – mit der Befreiung aus dem KZ sondern bietet den Lesern ein weiteres authentisches Kapitel:


    "Nach dem Krieg und wir sind frei". Es beschreibt den Weg aus dem KZ zurück, verschweigt aber nicht, dass Walter und seiner Freunde im polnischen „Niemandsland“ herummarodieren und verlassene Häuser plündern. Das finde ich sehr mutig, denn bislang habe ich darüber nichts gelesen. Walter kommt nach Wien zurück, fühlt sich verloren, sucht nach Familie und Freunden und kehrt freiwillig nach Theresienstadt, dem scheinbar einzigen Fixpunkt, zurück. Seine Freunde wandern aus, der eine nach Palästina, der andere nach Amerika. Doch wirklich willkommen sind die Überlebenden nirgends.


    Nach vielen Kämpfen mit der Bürokratie erhält er das elterliche Wohnhaus zurück, hat es aber niemals mehr betreten.


    Meine Meinung:


    Für mich als Wienerin, die im zweiten Bezirk, der Leopoldstadt, aufgewachsen ist, sind die Adressen an denen Walter mit seiner Familie gewohnt hat, alle geläufig. Von der Großen Mohrengasse über die Schreygasse bis zum Sammellager in der Kleinen Sperlgasse 2a.

    Historiker Gerhard Zeilinger ist mit Walter Fantls Biografie ein bewegendes und bemerkenswertes Zeitdokument gelungen, das als Ergänzung im Geschichtsunterricht gelesen werden sollte. Neben dem einfühlsamen Text, der ohne Schnörkel die Dinge beim Namen nennt, bilden die perfekt platzierten Fotos eine eindrucksvolle Ergänzung. Wie haben die Fotos gerettet werden können? Das ehemalige (christliche) Kindermädchen hat die Kassette mit Fotos, Dokumenten und Erinnerungsstücken vor der Vernichtung bewahrt und für Walter aufgehoben.


    Fazit:


    Ein Buch, das unbedingt gelesen werden sollte. Gerne gebe ich 5 Sterne.

    "Ein Tag ohne Buch ist ein verlorener Tag"


    "Nur ein Lesender kann auch ein Schreibender sein oder werden" (Maria Lassnig/1919-2014)