Stephan Thome - Gott der Barbaren (Start: 03.11.2018)

  • Oooh so schlimm?

    Ja, finde ich schon. Ich bin nicht rührselig ("weibisch", würde Lord Elgin sagen), aber ich habe schlecht geschlafen, Thomes Bilder sind unglaublich eindringlich.

    Wir sind uns ja einig: die Menschen, die Thome uns vorführt, sprechen uns an über die zeitliche Distanz hinweg und rücken uns dadurch in ihrem Mensch-Sein sehr nah. Ich hoffe, Du verstehst, was ich meine. Man kann z. B. über die Verstopfung des gelehrten Generals oder die sexuelle Verzückung des Lords zwar kichern, aber sie werden dadurch von ihrer historischen Bedeutung heruntergebrochen aufs Menschliche.

    Und ich denke, dass mir darum das Buch so zusetzt. Es sind alles Menschen wie Du und ich, die sich das antun und die das erleiden müssen.


    In Kapitel 12 taucht noch eine interessante Gestalt auf: Eliazar Robards, ein militanter Gegner der Sklaverei. Wusstest Du, dass Kanton ein Umschlagplatz für den Sklavenhandel war? Ich nicht. Robards hat Kontakte zu den Rebellen - und da mir die Lust am Spekulieren noch nicht ganz vergangen ist, vermute ich, dass Neukamp und Robards aufeinandertreffen. Und auch Potters Geschichte gehört da hinein.

    Und weil Geschichte mit Moral nichts zu tun hat (das sagte schon Friedrich der Große), werden die drei wohl überleben. :| Mit nur einem Auge und nur einer Hand … Mal sehen, wie Robards aus der Sache rauskommt.

    auch wenn mir manche Dinge etwas zu episodenhaft erzählt sind.

    Das sehe ich auch so, allerdings nicht als Manko. Ich habe eher den Eindruck, dass hier ein großer Bilderbogen aufgespannt wird und wir schlaglichtartig dem Gang der Ereignisse folgen. Und auf diesem Bilderbogen tummelt sich eine Vielzahl von historischen und einigen fiktiven Figuren.


    Wollen wir das Lesepensum beibehalten? D. h. die kommende Woche stehen Kapitel 14 - 18 an? Oder schneller vorangehen?

    Ich richte mich nach Dir.


    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • seid ihr schon über der Hälfte dann?

    Ja, ganz knapp. Das Kapitel 14 heißt "Am Horizont der Zeit" - Du hast doch bestimmt

    die Kapiteleinteilungen...?

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Meint ihr ich kann noch aufholen?

    Ich denke schon - das Buch liest sich viel süffiger, als wir es nach dem Literarischen Quartett erwartet hatten.


    Hast Du in dem ebook auch die Karten drin? Die waren für mich sehr nützlich fürs Verständnis.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Meint ihr ich kann noch aufholen?

    Ich denke schon - das Buch liest sich viel süffiger, als wir es nach dem Literarischen Quartett erwartet hatten.


    Hast Du in dem ebook auch die Karten drin? Die waren für mich sehr nützlich fürs Verständnis.

    Schau ich nach. Das macht es für mich wahrscheinlich etwas komplizierter da ich das mit ebook ätzend finde mit umblättern. Aber ich schau einfach mal wie weit ich damit komme :)

  • wahrscheinlich etwas komplizierter

    Das könnte ich mir auch denken. Ich habe auch bei den Personen immer wieder mal nachgeschaut, um mich zu versichern.

    Aber mit Lesezeichen müsste das auch im ebook schnell gehen.


    Das wäre schön, wenn Du Dich einklinkst!

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Aber ich schau einfach mal wie weit ich damit komme :)

    Das wär ja schön, wenn Du doch noch mit einsteigst. Die Hälfte haben wir geschafft, 400 von 700 Seiten :wink:

    Thomes Bilder sind unglaublich eindringlich.

    Wir sind uns ja einig: die Menschen, die Thome uns vorführt, sprechen uns an über die zeitliche Distanz hinweg und rücken uns dadurch in ihrem Mensch-Sein sehr nah. Ich hoffe, Du verstehst, was ich meine. Man kann z. B. über die Verstopfung des gelehrten Generals oder die sexuelle Verzückung des Lords zwar kichern, aber sie werden dadurch von ihrer historischen Bedeutung heruntergebrochen aufs Menschliche.

    Und ich denke, dass mir darum das Buch so zusetzt. Es sind alles Menschen wie Du und ich, die sich das antun und die das erleiden müssen.

    Extrem eindringlich und wir sind uns einig. Ich gehöre nur zu den Menschen, die das nicht verfolgt. Warum das so ist, kann ich nicht sagen - vielleicht weil ich schon viel historisches gelesen habe? Vielleicht weil ich manche emotionale Ebene gelernt habe abzutrennen? Aber ich verstehe sehr gut, was Du meinst: grade weil Thome unsere Protagonisten auch von ihrer banal-menschlichen Seite zeigen, rücken sie uns so nahe. Damit können wir uns viel leichter mit ihnen identifizieren.

    Wusstest Du, dass Kanton ein Umschlagplatz für den Sklavenhandel war? Ich nicht. Robards hat Kontakte zu den Rebellen - und da mir die Lust am Spekulieren noch nicht ganz vergangen ist, vermute ich, dass Neukamp und Robards aufeinandertreffen. Und auch Potters Geschichte gehört da hinein.

    Gewusst habe ich es nicht, aber es war zu vermuten. Auf irgendeinem Weg müssen die Massen an Chinesen, die in den USA unter erbärmlichsten Umständen schufteten (z.B. beim Eisenbahnbau) ja ins Land gelangt sein. Und die wenigsten davon hätten die Mittel für eine Überfahrt gehabt. Deine Spekulation klingt wahrscheinlich, dein vermutetes Ende auch - ich werde immer neugieriger, aber ich lese kein Ende, nein nein nein - da muss ich jetzt durch :rambo:

    Ich habe eher den Eindruck, dass hier ein großer Bilderbogen aufgespannt wird und wir schlaglichtartig dem Gang der Ereignisse folgen. Und auf diesem Bilderbogen tummelt sich eine Vielzahl von historischen und einigen fiktiven Figuren.

    Vielleicht stört taliesin dabei auch, dass die Episoden eben nicht chronologisch laufen? Mich stört es gar nicht und ich finde es nicht so episodenhaft, da die Zusammenhänge mir immer klar erscheinen.

    Wollen wir das Lesepensum beibehalten? D. h. die kommende Woche stehen Kapitel 14 - 18 an? Oder schneller vorangehen?

    Ich richte mich nach Dir.

    Ich würde das Buch gerne vor Weihnachten beenden. Vielleicht schaffen wir es ja inklusive Kapitel 20 in dieser Woche, das wären ca. 150 Seiten, und die restlichen 150 Seiten dann bis Weihnachten. :-k


    In Kapitel 14 bekommen wir die Misere des Generals sehr deutlich vor Augen geführt: völlig unterbesetzt um die Verteidigung wirklich stemmen zu können, muss er auch noch darauf vertrauen, dass die Rebellen wirklich den Weg kommen, den er vermutet. Weichen sie ab, hat er verloren.:-? Dazu das Misstrauen des Kaisers (das er nicht vermuten würde, wenn es anders wäre - immerhin ist er ziemlich mächtig geworden für einen Chinesen) und ein aufsässiger Schüler. Auch die Menschen der Gegend werden unruhig und beobachten ihn mit Argusaugen. Sie haben natürlich Angst, dass ihre Stadt erneut zum Kriegsschauplatz wird. Das klingt alles nicht gut..... Ob die Reise nach Peking so eine gute Idee ist? Ganz so überzeugt scheint er ja nicht zu sein, aber ich kann seine Argumente dafür schon nachvollziehen. Mehr Angst hab ich fast, dass sein Schüler sich nicht an die gegebenen Regeln halten wird. 8-[


    edit: ich hab grad Kapitel 15 beendet und wer weiß, vielleicht treffen sich Lord Elgin und Zeng Guofan doch noch? Jetzt sind sie beide in bzw. vor Peking :-k

  • In Kapitel 14 bekommen wir die Misere des Generals sehr deutlich vor Augen geführt:

    Ja - seine taktischen Überlegungen müssen aufgehen. Seine Todesahnungen und seine Erinnerungen an das entsetzliche Desaster im 1. Opiumkrieg setzen ihm zusätzlich zu. Sein Machtgewinn ist gefährlich für ihn - Du hast schon darauf hingewiesen.


    Das Gespräch mit dem alten Herrn Zhi fand ich interessant. Der General braucht Salpeter, aber er formuliert es nicht. Der alte Zhi weiß es aber und erzählt etwas von einem Onkel, der Ton abbauen wolle zur Porzellanherstellung, und beiläufig erwähnt er auch die Salpetervorkommen. Diese indirekte Art der Kommunikation stelle ich mir schwierig vor. Ich habs lieber gerade heraus.


    Mir gefiel auch der Gegensatz Alt - Jung / General - Schüler. Der General bezieht sein Wissen aus der Vergangenheit ("Vor zweitausend Jahren hatte Kaiser Wu Handi …", es geht um Kriegsabgaben). Sein Schüler ist anders, wendiger, geschäftstüchtiger, und der General erkennt, dass die "Zukunft Männer wie ihn" brauche (S. 408).


    Zu Kapitel 15

    Auch Lord Elgin hat seine Vorahnungen, so wie sein Kollege auf der kaiserlich-chinesischen Seite... und erkundigt sich direkt väterlich, ob Maddox auch die weiße Flagge dabei und seine warme Unterwäsche anhabe. Auch Lord Elgin leidet unter Übelkeit, wie der General, und auch wie der General philosophiert er. Mir ist zwar das Lachen vergangen, aber seine Einschätzung von Parkes hat ironische Züge: er ist "ein Streber, aber zum Glück so ungebildet, dass man keine Angst haben musste, er könnte plötzlich über deutsche Philosophie dozieren" (S. 415). Ein kleiner Seitenhieb auf Maddox :)!Aber jetzt, wo Maddox in Gefahr ist, denkt er an den Hegelschen Weltgeist.


    Ein schönes Bild, wo Lord Elgin auf der Brücke steht und die roten Mauern von Peking sieht, "das eingemauerte Herz einer jahrtausendealten Zivilisation" (S. 433), und wo er erkennt, "was Fortschritt war" (S. 434): eine zerstörende, vorwärtsdrängende metaphysische Kraft, die die alte Kultur Chinas beenden wird.


    vielleicht treffen sich Lord Elgin und Zeng Guofan doch noch?

    Ich denke, nein. Beide haben Todesahnungen, beide erkennen, dass eine Epoche zu Ende geht, gerade der General erkennt die Brüchigkeit seines Reiches, beide schwächeln auch körperlich. Aber ich hätte den beiden ein Plauderstündchen gegönnt.


    ch würde das Buch gerne vor Weihnachten beenden. Vielleicht schaffen wir es ja inklusive Kapitel 20 in dieser Woche, das wären ca. 150 Seiten, und die restlichen 150 Seiten dann bis Weihnachten. :-k

    Das kommt mir entgegen. Wir werden ab dem 4. Advent bis Anfang Januar ein volles Haus haben, morgens, mittags und abends sitzen 10 Leute am Tisch und wollen was Gutes essen + trinken - da hätte ich die Besteigung unseres Dreitausenders auch gerne vorher abgeschlossen.

    Also bis Kapitel 20 einschließlich!

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Das Gespräch mit dem alten Herrn Zhi fand ich interessant. Der General braucht Salpeter, aber er formuliert es nicht. Der alte Zhi weiß es aber und erzählt etwas von einem Onkel, der Ton abbauen wolle zur Porzellanherstellung, und beiläufig erwähnt er auch die Salpetervorkommen. Diese indirekte Art der Kommunikation stelle ich mir schwierig vor. Ich habs lieber gerade heraus.

    Diese indirekte Kommunikation ist ja auch eines der Hauptprobleme zwischen China und der westlichen Welt - wenn schon wir nur beim Lesen feststellen, dass uns die direkte Kommunikation lieber ist, wie schwierig muss es vor 150 Jahren gewesen sein, als die Welt noch in viel engeren Konventionen gefangen war. :-?

    Mir gefiel auch der Gegensatz Alt - Jung / General - Schüler. Der General bezieht sein Wissen aus der Vergangenheit ("Vor zweitausend Jahren hatte Kaiser Wu Handi …", es geht um Kriegsabgaben). Sein Schüler ist anders, wendiger, geschäftstüchtiger, und der General erkennt, dass die "Zukunft Männer wie ihn" brauche (S. 408).

    Etwas, das sich wohl durch alle Geschichte zieht: die Feststellung in Zeiten schwerer Umbrüche, dass die "neue" Welt andere Menschen braucht als die, die sie bisher beherrschten. Und damit einhergehend das Wissen, das nichts mehr so bleibt wie es war, ob das nun gut ist oder nicht.

    und seine warme Unterwäsche anhabe.

    Ich gebe zu, ich musste grinsen - da war unser Lord aber ziemlich neben der Spur, auch im Gespräch mit dem Reporter. Ich hab übrigens festgestellt, dass ich mich selbst in der Zeit verfangen habe: der Zeitungsbericht in der Times ist zwar von November, aber bezieht sich gar nicht auf das Gefecht vor Peking, sondern auf die Schlacht um die Dagu Forts Monate zuvor..... es dauert natürlich, bis diese Berichte von China nach London gelangen :pale:

    seine Einschätzung von Parkes hat ironische Züge: er ist "ein Streber, aber zum Glück so ungebildet, dass man keine Angst haben musste, er könnte plötzlich über deutsche Philosophie dozieren" (S. 415).

    aber man muss schon Angst haben, dass der Streber und Feuerkopf im Übereifer erneut über das Ziel hinaus schießt. Wobei in diesem Kapitel ja nicht - ganz gleich, was Parkes auch im Sinn haben mochte, leider hat sich Maddox Einschätzung der Lage als sehr realistisch herausgestellt. Die Schlacht haben die Engländer zwar gewonnen, aber die Geiseln nicht befreit. Was aus denen wohl wird? Die Chinesen waren ja nicht gerade zimperlich - weder die herrschende Klasse noch die Rebellen.

    Ein schönes Bild, wo Lord Elgin auf der Brücke steht und die roten Mauern von Peking sieht, "das eingemauerte Herz einer jahrtausendealten Zivilisation" (S. 433), und wo er erkennt, "was Fortschritt war" (S. 434): eine zerstörende, vorwärtsdrängende metaphysische Kraft, die die alte Kultur Chinas beenden wird.

    und zugleich so traurig - 2000 Jahre Zivilisationsgeschichte, die da dem Untergang geweiht ist. Klar kann man argumentieren, dass sie den Anschluss verpasst hätten, aber haben sie das wirklich? Eigentlich wollten sie nur ihre Ruhe haben, wie so viele andere Zivilisationen auch. :(

    Beide haben Todesahnungen, beide erkennen, dass eine Epoche zu Ende geht, gerade der General erkennt die Brüchigkeit seines Reiches, beide schwächeln auch körperlich. Aber ich hätte den beiden ein Plauderstündchen gegönnt.

    Ich auch, da kommt jetzt bei mir die Hoffnung auf was Gutes durch :uups:

    Wir werden ab dem 4. Advent bis Anfang Januar ein volles Haus haben, morgens, mittags und abends sitzen 10 Leute am Tisch und wollen was Gutes essen + trinken

    oh, das nenne ich ein volles Haus :shock:

  • Diese indirekte Kommunikation ist ja auch eines der Hauptprobleme zwischen China und der westlichen Welt

    Genau darum gefällt mir das, wie Thome uns das Problem auch hier vorführt: im konkret zwischenmenschlichen Bereich.

    Dazu kommt noch, dass die Kommunikationssignale der westlichen Welt als selbstverständlich bekannt vorausgesetzt werden.

    Ich denke jetzt z. B. an die weiße Flagge.

    Lord Elgin entwickelt langsam die Einsicht, dass Chinesen anders sozialisiert sind als die Europäer und

    einen anderen Zeichenvorrat benutzen.


    Dazu passt sein Interesse, das er Bowlby gegenüber zeigt:

    da war unser Lord aber ziemlich neben der Spur, auch im Gespräch mit dem Reporter.

    Da geht es doch auch um Kommunikation.

    Wobei ich seine Anmerkung zur sexuellen Kommunikation (na, wie sich das wieder anhört....) nicht ganz verstanden habe. Was sind das denn für schockierende Praktiken bei den chinesischen leichten Damen? :scratch:

    dass ich mich selbst in der Zeit verfangen habe:

    :)

    Ich habe mir eine Zeitleiste notiert. Die vielen Retrospektiven - die wiederum auch nicht chronologisch angeordnet sind - können einen schon verwirren.

    Aber ich habe noch nicht herausgefunden, woher die Tausende von Toten kommen, die den Yangtze heruntergeschwemmt werden. Noch sind ja die letzten Bastionen nicht gefallen.

    Kannst Du mir da weiterhelfen? Oder ist es nur ein Bild ("nur" …) für die vielen vielen Opfer? Keine Seite fackelt ja lange.

    erneut über das Ziel hinaus schießt.

    Stimmt: erneut. ich habe eigens zurückgeblättert bis zu der Stelle, an der sich Lord Elgin an diesen Hitzkopf erinnert und ihm (und dem Prime Minister) die Schuld am Ausbruch dieses unsinnigen Krieges gibt - es ist die Sache mit dem Schiff Arrow.

    Merkwürdig, wie sich manche Ereignisse in der Geschichte immer wiederholen - und wie immer wieder nach einer Legitimation für

    Expansion etc. gesucht wird.

    Was aus denen wohl wird?

    Rate mal :cry:. Was haben der General und sein Schüler z. B. mit den 12 Gefangenen gemacht? Bei der "Befragung" sind ihnen schon drei gestorben. Dann noch einer. Die mit den Schuhen (vermutete Anführer) wurden einer besonderen Befragung durch den Schüler unterzogen (Was nur warf er da ins Gebüsch? Ihre Nasen?) und dann auch geköpft.

    Ich hoffe nur, dass ich keine Details lesen muss. Mein Gemütszustand bedarf einer Erheiterung.

    und zugleich so traurig - 2000 Jahre Zivilisationsgeschichte, die da dem Untergang geweiht ist.

    Genau das empfindet Lord Elgin auf der Brücke, und drum finde ich dieses Bild soooo elegisch wunderschön. Und die Tatsache, dass ihm in dieser Situation der Hegelsche "Weltgeist" einfällt, über den Maddox referiert hat - und dass Maddox nun selber ein Opfer dieses Weltgeists wird.

    ein volles Haus

    Ähhh… ich werde alt, wir sind 11, und an Weihnachten selber 13. Die reinste Jugendherberge.

    Wir Alten finden es aber schön, dass sie alle noch kommen.


    Und ich finde es sehr schön, dass ich mich mit Dir über das Buch austauschen kann!

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • dann mit Thome durchzustarten

    "Durchstarten" hört sich schon mal gut an!

    Das macht aber nichts, wenn Du uns nicht einholst. Das Buch bietet jede Menge

    Gesprächsstoff!

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Genau darum gefällt mir das, wie Thome uns das Problem auch hier vorführt: im konkret zwischenmenschlichen Bereich.

    Aber alleine hätte ich das glatt überlesen, nicht so genau wahrgenommen. Deshalb liebe ich MLR für bestimmte Bücher, durch die Mitleser gewinnt man so viele Einblicke, liest viel genauer, wird auf vieles aufmerksam gemacht und kann sich gegenseitig bei Verständnis-Problemen helfen. :dance:

    Dazu kommt noch, dass die Kommunikationssignale der westlichen Welt als selbstverständlich bekannt vorausgesetzt werden.

    Ich denke jetzt z. B. an die weiße Flagge.

    Lord Elgin entwickelt langsam die Einsicht, dass Chinesen anders sozialisiert sind als die Europäer und

    einen anderen Zeichenvorrat benutzen.

    Bei der weißen Flagge hatte ich auch meine Bedenken. Ist nicht weiß in China die Farbe der Trauer? Die Symbolik ging also nach hinten los.

    Wobei ich seine Anmerkung zur sexuellen Kommunikation (na, wie sich das wieder anhört....) nicht ganz verstanden habe. Was sind das denn für schockierende Praktiken bei den chinesischen leichten Damen? :scratch:

    Ich hab es andersherum verstanden: die chinesischen Prostituierten waren die, die schockiert waren, und zwar genau dann als die Matrosen sie küssen wollten.:-k Über die Füße wurde ja nicht mehr verraten.

    Aber ich habe noch nicht herausgefunden, woher die Tausende von Toten kommen, die den Yangtze heruntergeschwemmt werden. Noch sind ja die letzten Bastionen nicht gefallen.

    Kannst Du mir da weiterhelfen? Oder ist es nur ein Bild ("nur" …) für die vielen vielen Opfer? Keine Seite fackelt ja lange.

    Bisher scheint es nur ein Bild zu sein, ein genauer Bezugspunkt - spricht Gefecht, Schlacht, Gemetzel - wurde noch nicht genannt. Aber das braucht es vermutlich auch nicht, prinzipiell wissen wir ja was passiert je näher die Missionare an Nanking heranrücken.

    sich Lord Elgin an diesen Hitzkopf erinnert und ihm (und dem Prime Minister) die Schuld am Ausbruch dieses unsinnigen Krieges gibt - es ist die Sache mit dem Schiff Arrow.

    Merkwürdig, wie sich manche Ereignisse in der Geschichte immer wiederholen - und wie immer wieder nach einer Legitimation für

    Expansion etc. gesucht wird.

    Mit einer Legitimation - wie absurd auch immer - kann man sich die eigenen Entscheidungen und das eigene Fehlverhalten eben schön reden und das Gewissen beruhigen :wuetend:

    Rate mal :cry: . Was haben der General und sein Schüler z. B. mit den 12 Gefangenen gemacht? Bei der "Befragung" sind ihnen schon drei gestorben. Dann noch einer. Die mit den Schuhen (vermutete Anführer) wurden einer besonderen Befragung durch den Schüler unterzogen (Was nur warf er da ins Gebüsch? Ihre Nasen?) und dann auch geköpft.

    Ich hoffe nur, dass ich keine Details lesen muss. Mein Gemütszustand bedarf einer Erheiterung.

    Muss nicht mehr raten, bin schon weiter.....:( aber ich hoffe immer noch, dass Maddox einer der Überlebenden ist, da er sich ja wenigstens verständigen kann und vielleicht deshalb von den Chinesen als Dolmetscher benutzt und am Leben gelassen wird. :-?

    Genau das empfindet Lord Elgin auf der Brücke, und drum finde ich dieses Bild soooo elegisch wunderschön.

    :friends:

    Und die Tatsache, dass ihm in dieser Situation der Hegelsche "Weltgeist" einfällt, über den Maddox referiert hat - und dass Maddox nun selber ein Opfer dieses Weltgeists wird.

    Will nicht, dass Maddox am Weltgeist stirbt :-?

    Die reinste Jugendherberge.

    Wir Alten finden es aber schön, dass sie alle noch kommen.

    Das glaube ich dir gerne. Ich bin Weihnachten wie immer bei meinem Bruder und auch wenn es manchmal anstrengend ist, immer diejenige zu sein die fährt und auf dem Dachboden übernachtet, so ist es auch immer schön zusammen. Wir sind ja nur noch wenige in der Familie, umso wichtiger ist es sich regelmäßig zu sehen :D

    Und ich finde es sehr schön, dass ich mich mit Dir über das Buch austauschen kann!

    Das finde ich auch - ich liebe MLR wie ich ja schon oben geschrieben habe, und es macht riesig viel Spaß, mit Dir zusammen diese Geschichte zu entdecken :cheers:

    Hast Du vielleicht auch Lust, im Januar mit uns zusammen Dickens zu entdecken? Ich liebe Dickens :love:

    und dann mit Thome durchzustarten :mrgreen:

    Guten Start wünsch ich Dir und ich schreibe auch nach Weihnachten noch mit Dir über diese tolle Geschichte :friends:

  • und zwar genau dann als die Matrosen sie küssen wollten.

    Stimmt, das gibt Sinn.

    Und ich habe schon überlegt, was ich wohl alles verpasst habe im Leben :wink:

    aber ich hoffe immer noch, dass Maddox einer der Überlebenden ist, da er sich ja wenigstens verständigen kann und vielleicht deshalb von den Chinesen als Dolmetscher benutzt und am Leben gelassen wird.

    … und dann nach dem Fall Pekings wieder zu Lord Elgin zurückkehrt, seinen "Assistenten" wieder findet, alle fahren nach Schottland, und wenn sie nicht gestorben sind, dann … Squirrel ! AUFWACHEN!

    Ach - ich wünsche es ihm ja auch. Aber ich glaube nicht dran.

    Ich will auch nicht, dass der Weltgeist über diesen gebildeten, originellen jungen Menschen drüberrollt.

    Mit einer Legitimation - wie absurd auch immer - kann man sich die eigenen Entscheidungen und das eigene Fehlverhalten eben schön reden und das Gewissen beruhigen

    Ja, so ist es wohl. Und die Außenwirkung ist natürlich auch besser.

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich hab jetzt Kapitel 16 beendet und muss meine Gedanken aufschreiben ehe sie sich verknoten oder in Luft auflösen.


    Es ist spannend, wie Thome hier die Rollen verdreht - der erfolgreiche General Zeng Guofan wird wieder zum Schüler und sein Lehrer Mushun wirft ihm genau das vor, was der General seinem Schüler stets vorhält: seinen Hochmut :shock: Und er analysiert es so punktgenau, dass man gar nicht anders kann als es genauso zu sehen. Selbst unter europäischen Macht- und Gesellschaftsverhältnissen würden wir zum gleichen Schluss kommen. Das schreibt Thome dabei so perfekt auf den Punkt, es ist nur genial.

    Gleichzeitig lässt er uns durch den Lehrer Mushun genau die gegenwärtigen Machtverhältnisse in Peking erkennen - wie ist das System aufgebaut, wie tickt der derzeitige Kaiser, wer zieht die Strippen, was sind die Gedanken der Herrschenden und welchen Irrtümern sitzen sie dabei auf. Dabei zeigt sich, dass die herrschende Kaste sehr wohl wissen könnte, wie die Barbaren ticken und wie sie handeln werden. Wenn der alte Lehrer, der nicht mehr wirklich strippen ziehen kann, diesen Durchblick und diese Informationen besitzt, dann wäre das den herrschenden Mächten auch möglich. Diese verschließen also wissentlich den Blick davor - oder einer, der demnächst herrschen möchte, hält sie von wichtigen Informationen fern. Das wäre dann wohl Prinz Gong. Stimmt dann also der Vorwurf, er wolle das Reich an die Barbaren verkaufen? Oder hat er andere Absichten und überschätzt sich komplett?


    Mushun als Krokodil zu charakterisieren ist auch ein perfekter Zug von Thome - das Krokodil lauert, hat Geduld, schnappt im richtigen Moment zu, vergießt "Krokodilstränen" und zieht sein Ding durch. Ein perfektes Bild für den ehemals so mächtigen Lehrer, der noch immer eine interessante Position hat, wenn auch nicht mehr den Einfluss von früher. Aber die eigenen Gedanken und Interpretationen hat er noch immer. Unser General dagegen wirkt extrem wie sein eigener Schüler: von sich und seinen Absichten überzeugt, wehrt er die Gedanken des Lehrers ab und bleibt trotzig bei seinem Vorhaben: der Audienz beim Kaiser oder wenigstens bei Prinz Gong. So könnte auch der Schüler handeln - und ich frage mich gerade, wie dieser Schüler wohl in Abwesenheit des Generals agiert. :-k