Eyal Megged - Oschralien / Oshralia

  • Autor: Eyal Megged

    Titel: Oschralien

    Seiten: 379

    ISBN: 978-3-8270-1349-1

    Verlag: Berlin Verlag

    Übersetzerin: Ruth Achlama


    Autor:

    Eyak Megged wurde 1948 in New York geboren und ist ein israelischer Schriftsteller, Kolumnist und Journalist. Er wuchs in Tel Aviv auf, wo er Philosophie und Kunstgeschichte studierte. Der Autor arbeitete zunnächst als Redakteur für einen Hörfunksender und schreibt als Jornalist für israelische Tageszeitungen über Literatur, Kultur und Sport. 1993 wurde er mit dem Macmillan Prize ausgezeichnet. Mehrere seiner Werke wurden ins Deutsche, sowie ins Englische übersetzt. Mit seiner Familie lebt er in Tel Aviv.

    Inhalt:

    Hillel hat kaum eine Beziehung zu seinem Sohn Roy. Nach dem Scheitern seiner Ehe sträubte er sich von Anfang an gegen diese Vaterschaft, gegen die Möglichkeit einer neuen Familie. Seine Reise nach Australien zu Roy und dessen Mutter könnte eine zweite Chance sein - aber wer sagt, dass Hillel die will...? (Klappentext)


    Rezension:

    Es liegt nicht am Autoren, an der Übersetzung, an der Geschichte selbst, es liegt an mir. Ich hoffe mal, es ist so, anders kann ich mir den Effekt nicht erklären, den dieser Roman auf mich hatte. Dabei ist die Grundidee an sich nicht schlecht. Ein orientierungsloser und beruflich nicht gerade erfolgreicher Mann wird vom anderen Ende des Globus' aus angerufen und aufgefordert, seinen Erziehungspflichten dem gegenüber nachzukommen, den er in einem unbedachten berauschenden Moment gezeugt hat.


    Doch, der Sohn will seinen nun auftauchenden Vater nicht und zeigt es ihm mit allen Mitteln, die dem Rotzbengel zur Verfügung stehen. Mutter und Vater sind machtlos gegen den kleinen Vulkan, der ständig explodiert und kommen sich näher, unfähig jedoch, auf lange Sicht eine Beziehung aufzubauen. Das ist ein Stoff für große und ausschweifende Romane, aber in jedem Falle nicht der von Eyal Megged. Lange nicht mehr habe ich solch einen zusammengewürfelten Mist mir angetan.


    Wie gesagt, an der Idee liegt's nicht, eher an der Ausführung. In feinster Sprache befindet sich der Leser gleichsam in einer Art philosophischer Vorlesung über das Wohl und Wehe, dem Zusammenhalt und Auseinadertriften von Menschen und ihrer Beziehungen. Das Studium jedenfalls, merkt man dem Autoren an, da das darin zusammengeklaubte Wissen, aus jeder niedergeschriebenen Zeile trieft. Das ist für jeden Leser einfach nur ermüdend und langweilig, jedenfalls nicht zielführend, wenn er oder sie mit Philosophie nichts anfangen kann oder sich einfach nur mit der Lektüre fallen lassen möchte. Ein hilfloses Unterfangen, zumindest hier.


    Und wenn man der schwülstigen Sprache nichts abgewinnen kann, der Handlung und was der Autor daraus macht, ebenso wenig, einzig die Idee bleibt, ist nicht mehr viel, was übrig bleibt. Tatsächlich haben sich an der Grundidee schon unzählige Autoren versucht und es ist ihnen fast allen besser gelungen, als Megged, von dem ich hoffe, dass seine Geschichte im Original eine völlig andere Wirkung hat, wobei das ja ein schlechtes Zeichen für die Übersetzerin wäre. Wenn sich das ungefähr gleicht, ist es für beide kein Ruhmesblatt. "Oschralien" ist die transportierte Langeweile schlecht hin und ein gutes Schlafmittel. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.


    Nebenbemerkung:

    Es müsste jetzt vielleicht jemand die Geschichte lesen und daran Gefallen finden. Ich möchte wirklich wissen, ob es Menschen gibt, die den Zugang bekommen, den ich nicht gefunden habe.

  • Zitat von findo

    Es müsste jetzt vielleicht jemand die Geschichte lesen und daran Gefallen finden. Ich möchte wirklich wissen, ob es Menschen gibt, die den Zugang bekommen, den ich nicht gefunden habe.

    Daran dachte ich auch schon. Eine Aufforderung an die, denen „Helle Tage” gefiel, wie Marie oder mir :shock::wink:.

    Im Ernst, wenn ich es in der Bücherei bekomme, leihe ich es mal aus und berichte.

  • wenn ich es in der Bücherei bekomme, leihe ich es mal aus

    Was anderes kann ich auch nicht dazu sagen. Oder findo macht ein Wanderbuch daraus. :-,

    Wenn ihr euch wirklich quälen wollt. Eine Streckbank im Mittelalter ist nichts dagegen. Ich mache gerne ein Paket daraus. Aber ich möchte nicht unbedingt noch Aufsicht über solch einen Thread führen. Ich habe bald Urlaub. Ihr könnt das Buch aber bekommen. Schickt mir einfach eure Adresse. Wer zuerst kommt...

  • Aber ich möchte nicht unbedingt noch Aufsicht über solch einen Thread führen.

    Das bekommen wir dann schon hin. Bisher ist die Nachfrage noch nicht besonders groß. Ich schick Dir meine Adresse und bespreche mich dann mit SiriNYC .

    Du kannst beruhigt in Urlaub fahren und Dich auf die Beiträge danach freuen.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Squirrel

    Hat den Titel des Themas von „Eyal Megged - Oschralien / Osharlia“ zu „Eyal Megged - Oschralien / Oshralia“ geändert.
  • Unter Bedenkenträgern würde der israelische Musiker Hillel eine Spitzenposition einnehmen: Fast 380 Seiten, auf denen er seine Gedanken, Gefühle, Erinnerungen und Zukunftsängste dreht, wendet, von allen Seiten betrachtet, von innen nach außen stülpt, von rechts nach links kehrt … und wenn er am Ende eines Gedankens, eines Gefühls angelangt scheint, beginnt das Ganze von vorne. Und das Alles als Ich-Erzähler ohne Distanz zu sich selbst.


    Ich gebe findo Recht: An der Idee und am Plot liegt es nicht, sondern einzig am Ich und dessen Sprache. Die Figuren reden nicht miteinander wie Leute im Alltag, sie führen Dialoge. So spricht niemand. Schon gar nicht mit Menschen, die ihm vertraut sind.


    Als Leser bleibt man dran, weil man wissen will, wie Hillel aus seiner Zwickmühle findet: Auf der einen Seite sein Leben als Musiker in Israel, vielleicht auch wieder als Partner seiner Exfrau Alice, mit seiner Wohnung, seinen Meisterklassen und seinem Kater. Und auf der anderen Seite Roy, dem er beweisen will – muss, als Vater zu taugen und den Jungen nicht schon wieder zu verlassen.

    Dieser Gewissensentscheid könnte das zentrale Thema sein, wenn es nicht verschüttet würde unter Larmoyanz wegen der – vielleicht doch nicht – gescheiterten Ehe, dem Unterlegenheitsgefühl als Musiker, dem Versagen als Vater und Liebhaber.


    In den Szenen um den Alltag auf der Känguruh-Aufzuchtstation, die Roys Mutter betreibt, und den Alltagsepisoden beweist der Autor, dass er erzählen kann. Schade nur, dass er sich nicht ein anderes Sujet ausgesucht oder die distanziertere Erzähl-Perspektive eines unbeteiligten Beobachters gewählt hat.

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  • Wusstet Ihr, dass Eyal Megged der Ehemann von Zeruya Shalev ist?


    Ich hab's vor kurzem gelesen und war ganz überrascht ...

  • Ich frage jetzt, wer ist das? Und es hilft ja nicht. Er kann Philosophie, aber keine Erzählung.

    Zeruya Shalev ist eine recht bekannte israelische Schriftstellerin ("Liebesleben" dürfte wohl ihr bekanntestes Buch sein). Ich mag sie gerne, wobei ihre Bücher schon speziell sind. Sie hat einen sehr scharfen Blick auf Zwischenmenschliches und "seziert" manches ziemlich erbarmungslos. Aber auf eine Art, die ich klasse finde.


    Das muss natürlich noch lange nicht heißen, dass ihr Mann auch Talent hat :lol:

  • Zeruya Shalev ist eine recht bekannte israelische Schriftstellerin ("Liebesleben" dürfte wohl ihr bekanntestes Buch sein). Ich mag sie gerne, wobei ihre Bücher schon speziell sind. Sie hat einen sehr scharfen Blick auf Zwischenmenschliches und "seziert" manches ziemlich erbarmungslos. Aber auf eine Art, die ich klasse finde.

    Dieser Aussage darf ich mit Vergnügen zustimmen.


    Übrigens es ist nicht das erste Buch das Eyal Megged veröffentlicht. Und wurde hier im BT sehr positiv bewertet. Vielleicht kann Conor sich dazu noch äussern.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • Von einem (Leser), der auszog, das Fürchten zu lernen!


    Mein Leseeindruck:


    Der Autor entwirft eine Erzählerfigur, die zunächst nicht zur Identifikation einlädt.

    Ein Misanthrop, ein mit sich und der Welt unzufriedener Mensch, eifersüchtig auf den Erfolg seiner Frau und unzufrieden mit seinem

    eigenen Nicht-Erfolg als Komponist, ein Mensch mit hohen Ansprüchen an sich selbst und andere, freiheitsliebend und verantwortungsscheu – kein direkt sympathischer Zeitgenosse.

    Und dennoch gelingt es diesem schwierigen Menschen, sich in kleinen Schritten seinem ebenfalls schwierigen, aggressiven und launischen kleinen Sohn anzunähern.


    So weit – so gut. Aber dann stolpert man über Passagen wie:

    Zitat

    „Die Vergangenheit überwindet die Gegenwart, erleuchtet den flüchtigen Augenblick mit überirdischem Licht, und die Seele geht auf, die Brust wird weit, das Herz vereint sich mit dem Leib, und alle Glieder singen“ (S. 150).

    oder:

    Zitat

    „Denn die Freiheit ist nicht Ziel, sondern Mittel. Das Ziel liegt nicht darin, frei zu sein, sondern mittels der Freiheit die Seele freizulegen. Nur wenn ich vor lauter Einsamkeit schwitze,… - nur dann tritt die Seele zutage“.

    Zu diesen verstiegenen Äußerungen passen auch verstiegene Standpunkte, die wie die Faust aufs Auge zum verstiegenen Ich-Erzähler passen. Beispiel:

    Zitat

    „All die großartigen Werke, mit denen die Menschheit sich brüstet, sind nur aus Angst geschaffen worden: Angst vor jenem Tod, den die Tiere, die wir töten, mit Edelmut ertragen ohne unsere raffinierten und pathetischen Ablenkungsmanöver zu benötigen. Die kleinste Ameise ist weiser als der größte Mensch“ (S. 191).

    Was das Lesen erschwert, ist m. E. die Tatsache, dass viele Situationen angerissen, aber nicht zu Ende erzählt werden. Der Erzähler schweift sofort ab in die Reflexion, und alles, was um ihn herum geschieht, bezieht er konsequent auf sich und nutzt es als Anregung zur eigenen Nabelschau. Ob das ein verletztes Tier oder die überraschende Entdeckung zweier Erinnerungskreuze sind - alles hat nur mit ihm zu tun. Dadurch vernachlässigt er die Dialoge, die hölzern bleiben und auch dem Alter des Kindes nicht angepasst sind.


    Und so räsonniert er unablässig und unaufhaltsam: ob er eine Frau begehren könne, die ihm nicht weh tut (S. 188), über sein eigenes Kind-Sein, über die Persönlichkeit von Kängurus, über Reisen, das Glück, über Eifersucht, den Tod, über Musik, über Kafka und und und – in unendlicher Breite und auch Wehleidigkeit ziehen seine Überlegungen am Leser vorbei, die er gelegentlich in Spruchweisheiten münden lässt wie "Liebe und Schmerz sind ein- und dasselbe" (S. 187).

    Auch das Kind dient ihm nur als Mittel zum Zweck. Gelegentlich blitzt wohltuende Selbsterkenntnis auf: „Armer Roy. Arm dran, das Kind, dessen Vater vorwiegend Geschichten über sich selbst erzählt und einer Geschichte über das Kind kaum Platz einräumt“ (S. 181).

    Wie wahr!


    Fazit:

    ohne Zweifel ein gedanken- und kenntnisreiches Buch – aber es ist anstrengend, einen Besinnungsaufsatz von 379 Seiten zu lesen.


    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Oha, die Bewertungen werden höher, das Buch steigert sich stetig. Noch ca. drei bis fünf Leser, dann schafft es den 5:bewertung1von5:er. :-,

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)