Andre Francois-Poncet - Botschafter in Berlin 1931-1938

  • Autor: Andre Francois-Poncet

    Titel: Botschafter in Berlin 1931-1938

    Seiten: 479

    Verlag: Europaverlag


    Verlagstext:

    Am 28. September 1938 läuft das Ultimatum des Deutschen Reiches an die Tschechoslowakei ab. An diesem Tag sucht der französische Botschafter André François-Poncet in der Reichskanzlei um eine Audienz bei Adolf Hitler nach. »Sie wissen, Herr Reichskanzler, ich bin immer Ihr guter Stern gewesen«, lauten seine Begrüßungsworte. Als in diese Unterhaltung Mussolinis Botschafter Bernardo Attolico mit einem Vermittlungsvorschlag des Duce platzt, ist Hitler schon so präpariert, dass er sich für den Frieden entscheidet. 36 Stunden später, in der Nacht vom 29. zum 30. September 1938, unterzeichnen Neville Chamberlain, Edouard Daladier, Benito Mussolini und Adolf Hitler das Münchner Abkommen, das für kurze Zeit noch einmal den Frieden rettet.


    Mit der Konferenz von München geht André François-Poncets Zeit als Botschafter in Deutschland zu Ende. Seit seinem Amtsantritt 1931 hatte er aus nächster Nähe den Übergang der Weimarer Republik in eine Diktatur erlebt, in der Willkür und brutale Unterdrückung Andersdenkender immer mehr zunahmen. Gleichzeitig wurde die französische Botschaft zu einem der gesellschaftlichen Treffpunkte Berlins, und François-Poncet avancierte zum »Doyen des diplomatischen Corps«. Seine scharfsinnigen Beurteilungen der politischen Lage wurden von Freunden und Gegnern respektiert, sogar von den Spitzen der NS-Elite, die nicht selten als Zielscheibe für seinen feinen Spott dienten. Schon früh durchschaute er Hitlers Absichten und schrieb mehrfach warnende Depeschen an den Quai d’Orsay. Sein Buch über die Botschaftsjahre in Berlin ist spannende Lektüre und zugleich ein wichtiges Dokument der Zeitgeschichte.


    ---


    Es ist ein zeithistorisches Dokument, welches nach den Krieg so veröffentlicht wurde, wie Francois-Poncet seine Erinnerungen niedergeschrieben hatte. Nichts ist in der Nachschau verändert wurden und so erleben wir den Aufstieg des NS-regimes aus der Sicht eines ausländischen Diplomaten, der Deutschland gut kannte und sich, bis dahin, heimisch fühlte. Dieses Buch war vor allem für die französischen Zeitgenossen gedacht, wurde nach dem Krieg in Deutschland veröffentlicht. Er analysiert zuerst die Vorkommnisse, die zu Hitlers Machtergreifung führten, dann die Ideologie der Nazis und die Geschehnisse bis zur Münchener Konferenz. packend, aufrüttelnd und verzweifelt liest sich das. Fracois-Poncet merkt man die Verzweiflung an, dass die Deutschen nicht sehen, was mit ihnen geschieht, was das Ausland sehen kann und die Franzosen, die eine gemeinsame Grenze haben, beängstigen muss. Man merkt dem Autoren aber auch seine diplomatische Laufbahn an und die Liebe zu diesen Land, die empfindlich gestört wird, durch das Gebaren der neuen Politikerkaste, die wider allen Regeln spielt. Man wird als Leser in diesen Taumel hineingesogen und kann sich der Verzweiflung nicht entziehen, die den Diplomaten in seiner Arbeit behindert.

  • Gestern habe ich die Abschnitte zum Reichtagsbrand, zum Ermächtigungsgesetz und zum Austritt aus dem Völkerbund gelesen und bin inzwischen in den Erinnerungen Francois-Poncets über das Jahr 1934 (Ermordung Röhms, Dollfuß und der Tod Hindenburgs) angelangt. Der ehemalige Botschafter beschreibt, wie das Ausland und das diplomatische Korps die Vorgänge erlebt hat, die die Nachbarländer aufhorchen und Zweifel bekommen ließen, wogegen im Inland Hitler weiter an Boden gut machte. Zum Unverständnis gestandener Diplomaten wie eben der Autor selbst einer war. Immer wieder das Kopfschütteln: "Ja, seht ihr denn nicht, was wir sehen?" Interessant, die Vorgänge im Hintergrund der Politik zu erfahren. Welcher Notenwechsel ging dem Austritt aus dem Völkerbund voraus, was war der Anlass und wie schaukelte der sich hoch? Wie gelang es den Nazis selbst verfeindete Staaten wie Polen kurzfristig auf ihre Seite zu ziehen und wo lagen die Schwierigkeiten einer Demokratie wie Frankreich, mit einer Diktatur wie Deutschland zu verhandeln? Soweit das möglich war. Der Erzählstil des Autoren bleibt diplomatisch, aber wird hektischer. Die inneren Ansichten beider Seiten kommen aber so besonders gut rüber.

  • Nach dem Austritt aus den Völkerbund folgen die Ereignisse Schlag auf Schlagmmt ins Grübeln, wie schnell selbst die letzten Reste der Demokratie der Demagogie weichen müssen. Selbst n anderen Staaten, die sich dem Sog der Nazis kaum mehr entziehen können. Der Schreibstil nimmt noch mehr Tempo auf und so erzählt Francois-Poncet von der Ermordung des österreichischen bundeskanzlers Dollfuß, der Wirkung davon in Deutschland selbst und das Ausland, was sich handlungsuneinig ist, Hindenburgs Tod und die Ermordung Alexanders von Jugoslawien. Er berichtet wie Hitler das Aufrüsten der Wehrmacht vorantrieb, unter den Augen der Alliierten, die den Reglbruch sahen, aber nicht verhinderten. Besonders interessant die Schilderung der Vorgänge hinter den Kulisssen. Wie funktioniert Diplomatie? Welche Schrift- und Kommunikationswechsel gab es? Wie funktionierte Politik in Ländern wie Frankreich und der Gegensatz Deutsches Reich in diesen Tagen? Spätestens in diesen Abschnitten zeigt Francois-Poncet, dass alle Illussionen auf französischer Seite verflogen waren, man sich aber politisch und diplomatisch nicht einig war, wie zu handeln ist. Die Engländer schienen da eine andere Linie zu verfolgen, aber ebenso zu gescheitert zu sein. Das sah der Autor durchaus und analysiert auch hier messerscharf. Das muss alles unglaublich frustrierend gewesen sein, aber erstaunlich ist beim Autoren keine Müdigkeit zu erkennen. Gebetsmühlenartig versucht er hier und da an Schrauben zu drehen, die nicht mehr zu bewegen sind, in der Hoffnung, noch etwas zu ändern. Diese Abschnitte zeigen die Brisanz jener Zeit und als Leser kommt man kaum mehr zu Atem.

  • Ich bin immer noch im Sog dieser geschriebenen Erinnerungen, habe aber gestern nur zwei Kapitel gelesen. Die detaillierte Beschreibung diplomatischer Details und Vorgänge sind zwar sehr interessant, man muss aber ein erhöhtes Maß an Konzentration aufbringen, je verworrener die politische Lage ist, in der sie geschehen. Immer noch spannend geschildert, wurde der Wiederaufbau der deutschen Wehrmacht beschrieben, diese Ränkespiele zwischen den Ländern und innerhalb der Regierungen. Neue Erkenntnisse kommen dabei mitunter auch auf. Ich wusste z.B. nicht, dass sich Italien und Deutschland, obwohl ein ähnliches Regierungssystem am Anfang durchaus in einigen Punkten auf unterschiedlichen Seiten befunden haben. Interessant, wie es dann zur Wendung kam. bezeichnend auch, welche diplomatischen und politischen Tricks die Nazis angewendet haben, um das Ausland zuerst um den Finger zu wickeln, kleine Zugeständnisse zu bekommen und dann schließlich im Handstreich alle Forderungen erfüllt zu bekommen. Das wird besonders beim Kapitel deutlich, welches die Auflösung des Locarno-Paktes behandelt, der eine wesentliche Grundlage für den Frieden in Europa darstellte.


    Als nächstes wird es um die Olympischen Spiele 1936 gehen, Ribbentrop und die Beziehung Hitler-Mussolini im Besonderen, sowie die Münchener Konferenz.