Nataly Elisabeth Savina - Meine beste Bitch

  • Meine beste Bitch - Nataly Elisabeth Savina


    Fischer KJB

    288 Seiten

    Roman

    Einzelband

    26. September 2018


    Inhalt:


    „Manchmal schaffen es Menschen, einen anzuziehen wie ein schwarzes Loch.“


    Faina hat das Abi hinter sich. Endlich weg aus der miefigen Kleinstadt, fort von der analytischen Psychiaterin-Mutter, die alles zu durchschauen scheint. Endlich nach Berlin, wo alles so flatterhaft, kirschsaft-flirty und funky-glitzernd ist.

    Das Studium an der Kunsthochschule kann warten. Faina stürzt sich in die Großstadt:

    Freiheit, Nachtleben, Kultur und hemmungslose Liebe.


    Denn da ist Julian. Der angehende Performancekünstler, der so aufregend anders ist, mit dem alles so intensiv ist, dem Faina verfällt. Sie ist wie in Trance. Und dann der Schock: Julian verliebt sich in ihre beste Freundin Nike und verrät ihre Verbindung. Rasend vor Wut und Enttäuschung verwüstet Faina Julians Wohnung und tilgt die beiden wichtigsten Menschen aus ihrem Leben.

    Doch dann geschieht ein Unfall, der ihre Beziehung unter neue Vorzeichen stellt.


    Meinung:


    Kennt ihr das, wenn ein Buch euch ein bestimmtes Gefühl schenkt, ohne, dass ihr wisst, was genau die Geschichte aussagen soll?

    Wenn ihr euch selbst Ratschläge aus dem Buch zieht, weil nichts ganz klar definiert zu sein scheint?

    Meine beste Bitch ist so ein Buch.

    Und es ist genau wie das Cover: Leicht verstörend, verschroben, suchend und dabei irgendwie lebendig, atmosphärisch chaotisch.


    Faina und Mathe sind keine Freunde.

    Bereits in ihrer Schulzeit weiß sie, dass sie nur notwendigerweise ein bisschen mathematisches Verständnis für ihre Prüfungen braucht und danach auf Nimmer Wiedersehen sagen kann. Doch auch neben Mathe hat Faina nicht viele Freunde.

    Weil sie sonderbar ist. Nicht der Norm entsprechend. Komisch.


    Die wichtigsten Personen in ihrem Leben sind, neben ihrer Mutter - der Psychologin, Achim, den man getrost als ihren Lebensberater und besten Freund bezeichnen kann und, wer hätte das gedacht? - Nike.

    Nike, an der sie sich immer orientierte, wenn sie in seltsame Denkmuster verfiel.

    Nike, die das lebte, was sie haben wollte. Freiheit.

    Nike, mit der eine tiefe Seelenverbindung entstand, die sie nicht mehr missen wollte.


    Als Leser begleitet man Faina durch einige ihrer schwierigsten Entwicklungsphasen. Dabei liegt immer ein Schleier über der Geschichte. Wie dicker weißer Nebel, der einen betäubt und gleichzeitig berauscht.

    Kein Drogenrausch, nein, auch wenn das Thema ebenfalls im Buch angeschnitten wird. Mehr ein Freiheits-Kunst-Glitzer-Rausch in dem man von Energie so überfüllt ist und der Körper nicht weiß wohin, sodass er eher auf Sparflamme schaltet, aber das Gehirn noch weiß, was es vorher gefühlt hat und versucht das zu rekonstruieren. Ist das verständlich?

    Ich hoffe, denn anders kann ich nicht ausdrücken, wie es mir beim Lesen ging.


    Der Schreibstil ist wirklich etwas Besonderes und sicherlich nicht für jeden etwas. Genau wie Berlin ist er speziell.

    So als hätte die Autorin versucht fließend zu schreiben und gleichzeitig jeden Moment und jeden Gedanken der Protagonistin einzufangen. Es ist nicht chaotisch oder wirr, man versteht und kann folgen - auch wenn manche Inhalte dann doch ein wenig meinen Horizont überstiegen. Wenn es wissenschaftlich oder hochkünstlerisch wurde, was aber nur ein, zweimal vorkam.


    Was kann ich sonst noch zu der Geschichte sagen?

    Sie ist wirklich nicht der Norm entsprechend. Weder die Protagonisten, noch der Verlauf, noch irgendwie der Aufbau.

    Sie hat einen Anfang, eine Mitte und ein Ende, alles andere ist... frei und performanceartig.

    Eben das, worum sich das Buch hauptsächlich dreht: die Suche nach Freiheit und das Leben der Kunst.

    Und auch wenn ich kein Fan dieses Lebensstils bin (ich bewundere viel eher Menschen, die das können), so haben mir doch einige der Ideen, die Faina, Nike und Julian hatten und umgesetzt haben, doch sehr gut gefallen.

    Sie waren verrückt und eben irgendwie Berlin.

    Nicht einzufangen und nicht aufzuhalten.


    Zitat

    „In einem Ausstellungskatalog habe ich einmal gelesen, dass die Künstler stellvertretend für den Rest der Gesellschaft den Verstand verlieren müssen, um die Menschheit vor ihrem eigenen Irrsinn zu bewahren“, sagte sie.

    „Ich glaube allerdings nicht, dass der, der das geschrieben hat, sich auch nur einen Moment damit befasst hat, was es bedeutet, eine solche Störung zu haben.“

    (Seite 92)

    Faina will einen Weg gehen, der sie weg von ihrer Krankheit, ihren Werten, der Moral und den Vorstellungen führt, die man ihr für ein Leben mitgegeben hat. Mit Julian in Berlin. Am besten mit Nike an ihrer Seite.

    Es geht gut, für eine Weile. Sie lachen, sie trinken und berauschen sich an der Kunst. Sie suchen und finden und drehen durch - es war für mich dieses typische Lebensgefühl, wenn ich an Berlin denke. An meine Cousine, die jeden Tag ihre Freiheiten auslebt und versucht das Beste aus allem zu machen, das ihr wiederfährt. Die in Berlin ihre Heimat gefunden hat.

    Faina hat das auch. Und ihre Suche nach sich selbst führt sie über Stock und Stein, durch Regen und Sonnenschein und in eine mit Pigmentfarbe angerührte Badewannenbrühe.


    Zitat

    „Die junge Nacht um uns herum war absolut still. Die Schneeschicht dünn, nicht ganz weiß, eher gräulich.

    Als wir gingen, hinterließen wir ein bezauberndes Gemälde aus schwunggelenkten Matschspuren, die sich langsam mit eiskaltem Wasser füllten.“

    (Seite 279)


    Fazit:


    „Meine beste Bitch“ ist die Geschichte einer Freundschaft.

    Sie ist bunt wie Farbspritzer auf einer weißen Leinwand.

    Verrückt, wie knallend-zuckendes Neonlicht unter Berliner Discodampf.

    Dieses Buch hat kein genaues Ziel. Es wird in jedem unterschiedliche Gefühle wecken, denn Freiheit und Kunstverständnis dominieren das Buch - für meinen Geschmack manchmal zu wirr, zu weitschweifend.

    Die Freiheit zu leben und das zu tun, was einem gerade in den Sinn kommt.

    Mit einem abstrusen, aber passenden Setting, rückt hier die Entwicklung von Faina in den Fokus.

    Man erlebt Höhen und Tiefen und schwarze Löcher.

    Es ist weder spannend, noch irgendwie einschlagend.

    Vielmehr ein spezieller Roman, den man mögen muss.

    Philosophisch, kitschig, manchmal abschreckend und gesellschaftskritisch.

    „Meine beste Bitch“ ist wie der Titel: Er passt in keine Norm und verspricht alles, nur keine Klischees.


    Bewertung:


    ⭐️⭐️⭐️⭐️ (4/5)