Jacqueline Carey - Kushiel's Justice

  • Nach seiner Rückkehr von einem höchst ereignisreichen Auslandsaufenthalt wird Imriel eines immer klarer: er liebt tatsächlich Sidonie, die verschlossene, oft hochmütig wirkende Thronerbin von Terre d'Ange. Dass sie seine Gefühle erwidert, hätte er kaum zu hoffen gewagt, doch sowohl ihre eigene Stellung als auch seine verwandtschaftliche Nähe zu Königin Ysandre stehen einer offiziellen Beziehung entgegen. Somit beginnt eine heimliche, leidenschaftliche Liaison, die sie vor der Öffentlichkeit geschickt zu verbergen wissen.


    Dann wäre da noch das kleine Hindernis, dass Imriel Dorelei, einer Prinzessin aus Alba, versprochen ist, eine Heirat, die politisch opportun ist, um die beiden Reiche, die bereits durch die Ehe der Königin von Terre d'Ange mit dem Herrscher von Alba eng verbunden sind, noch stärker zu einen. Imriel muss sich zwischen Kopf und Herz entscheiden und wählt am Ende die Pflichterfüllung, auch, um Dorelei nicht vor den Kopf zu stoßen, die er gernhat, wenn auch nicht "so".


    In seiner neuen Heimat Alba angekommen, ist er hin- und hergerissen zwischen seiner neuen Rolle, für die er sich durchaus erwärmen kann, und seiner Sehnsucht nach Sidonie, und er erfährt von einer düsteren Bedrohung, die zu einem einschneidenden Ereignis und in der Folge zu einer langen, weiten Reise in den kalten, rauhen Norden führt, bei der er zum ersten Mal in seinem Leben komplett auf sich gestellt ist.


    Zunächst konnte mich dieser Band nicht so sehr fesseln wie seine Vorgänger. Vieles aus den vorherigen Bänden wird nochmals und nochmals wiedergekäut (auch wenn das teilweise hilfreich war, da meine Lektüre der ersten Trilogie schon sehr lange her ist), es plänkelt am Königshof so vor sich hin, ein nicht mehr allzu spannendes Handlungsüberbleibsel aus dem letzten Band wird zum Abschluss gebracht ... spannend war höchstens die Entwicklung der Liebesgeschichte.


    Mit Imriels Abreise nach Alba gewinnt die Handlung an Fahrt, es kommen neue Elemente, neue Orte, neue Menschen ins Spiel und vor allem ein mystisches Volk, das Imriel bald mehr in seinen Bann zieht, als ihm lieb sein kann. Dieser Teil des Romans gefiel mir letztendlich dann auch am besten.


    Imriels beschwerlicher Weg nach Vralia, was dem realen Russland entspricht, war zwar nie langweilig und bot einiges an Überraschungen, zog sich aber doch ziemlich in die Länge, und man vermisst liebgewonnene Wegbegleiter aus der ersten Hälfte des Buches oder dem Vorgängerband. Mit den Ländern, durch die er zieht, bin ich ebensowenig warm geworden (was nichts mit den dortigen Temperaturen zu tun hat ) - ich fand vieles verwirrend und habe nicht den Zauber verspürt, den die Schilderungen von Terre d'Ange, Alba oder auch (im letzten Band) Tiberium hatten. Und ob ich mit dem Verlauf, den Imriels "Mission" in Vralia nimmt, glücklich bin, kann ich auch nicht so richtig sagen.


    Das hört sich insgesamt nun aber negativer an, als ich das Buch beim Lesen tatsächlich empfunden habe. Jacqueline Careys phantasievolles Alternativ-Europa ist eine tolle Kulisse, und sie erschafft faszinierende, runde Charaktere, an deren Schicksalen man sehr gerne Anteil nimmt. Die Erotik ist geschmackvoll und wohldosiert eingesetzt, auch dafür wieder ein Lob.


    Dass ich den Abstecher in den Nordosten nicht so gerne mochte wie den Rest, mag auch daran liegen, dass ich aus unerfindlichen Gründen häufig keinen guten Draht zu Büchern aus und über Russland finde. Dafür kann die Autorin ja nichts.