Christian Dittloff - Das weiße Schloss

  • Klappentext:

    Sie sind ein glückliches Paar. Ada und Yves haben sich für ein Kind entschieden, doch fürchten sie die Unvereinbarkeit von Liebe, Karriere und Erziehung. Deshalb nehmen sie am Prestigeprojekt des Weißen Schlosses teil, wo Leihmütter Kinder fremder Eltern austragen und aufziehen, alles sozusagen Bio und Fair Trade. Elternschaft ist hier Beruf, überwacht und gelenkt von einem alles kontrollierenden Apparat. Der Nachwuchs kann jederzeit besucht werden. Über neun Monate zeigt der Roman die beiden auf dem Weg zum eigenen Kind, folgt den Veränderungen ihres Selbstbilds und ihrer Beziehung.


    Autor:

    Christian Dittloff, geboren 1983 in Hamburg, studierte Germanistik und Anglistik in Hamburg. Während des Studiums arbeitete er in einer Psychiatrie sowie als Kulturjournalist in allen Formaten von Print bis Podcast. Anschließend studierte er Literarisches Schreiben in Hildesheim. Seit 2014 ist er Social Media Manager für die Komische Oper Berlin. Christian Dittloff lebt, arbeitet und schreibt in Berlin. »Das Weiße Schloss« ist sein erster Roman.


    Allgemeines:

    Erscheinungsdatum: 1. August 2018

    Seitenanzahl: 304

    Berlag: Berlin Verlag


    Eigene Meinung:

    Ich muss sagen, dass mir der Roman zu Beginn noch am Besten gefallen hat. Da ich den Klappentext nur überflogen hatte, war es teilweise sehr verwirrend herauszufinden, unter welchen Umständen ein paar das weiße Schloss aufsuchen kann. Zuerst dachte ich, dass es Ada und Yves gar nicht möglich war ein Kind zu bekommen, doch dem war nicht so. Was mich dann sehr schockierte, denn die beiden wollten zwar ein Kind, aber sie wollten sich nicht um eins kümmern! Sie wollten weiterleben wie bisher mit Sex, Drugs und ihren Abenteuern.

    Damit kommen wir dann also zu meinem größten Kritikpunkt. In dem Buch geht es viel um Sex… ob um den Akt an sich oder irgendwelche Gedanken zum Thema, mal mehr oder weniger seriös. Das ging mir dann gegen Ende hin richtig auf die Nerven und sorgte dafür, dass ich das Buch beinahe abgebrochen hätte. Ada und Yves Einstellung war für mich absolut unverständlich und tatsächlich wollte ich mich damit nicht mehr beschäftigen.

    Echt schade, denn am Anfang war ich durchaus interessiert und das Thema sprach mich ebenso an.


    Fazit: Auch wenn Charaktere bei einem Buch nicht unbedingt sympathisch sein müssen, stieß mich Ada und Yves ganzes Gehabe einfach nur ab. Zu Beginn fand ich das Buch vielversprechend, aber das ständige Geschreibsel über Geschlechtsverkehr ging mir auf die Nerven.

    Ich kann mir durchaus vorstellen, dass das Buch bei einigen besser ankommt und auch die Botschaft habe ich verstanden und finde sie durchaus diskussionsbedürftig, doch die Umsetzung hat mir hier einfach gar nicht zugesagt. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

  • Ich möchte mich pralaya in einigen Punkten anschliessen. Mir hat der Roman zu Beginn auch noch sehr gut gefallen. Nicht, dass er mir gegen das Ende nicht mehr gefallen hätte. Aber der Spannungsbogen konnte einfach nicht gehalten werden. Ich finde das Thema wahnsinnig spannend und eine solche Institution wie das weisse Schloss ist absolut schrecklich wie auch spannend zugleich. Das Gedankenexperiment ist faszinierend und ein Thema das meiner Meinung nach noch ein viel höheres Potential hätte. Zum Beispiel hätte ich viel mehr aus der Perspektive der werdenden Mutter hören wollen. Gedanken, Gefühle und das unbeschönigte direkt aus dem weissen Schloss. Ada und Yves gingen mir, wie pralaya bereits erwähnt hat, auch ziemlich auf die Nerven.


    Alles in allem gebe ich dem Buch trotzdem :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:, denn die Idee finde ich spannend (an dieser Stelle soll erwähnt sein, dass ich sie abstossend zugleich finde) aber die Umsetzung ist schwach.

  • Ada und Yves leben in einer Modellsiedlung. Eine autofreie Grasdachsiedlung mit Komposttoiletten hätte ich mir gern vorgestellt, würde Ada nicht im Cabrio unterwegs sein. Das Paar ist in einem besonderen Auswahlverfahren erwählt worden, ihr Kind von einer Leihmutter zur Welt bringen zu lassen und es von ihr anschließend im Weißen Schloss aufziehen zu lassen. Die Tragemütter versorgen die Kinder normalerweise vier Jahre lang, Ada und Yves haben jedoch 6 Jahre gebucht. Kinder, die hier implantiert und geboren werden, werden einmal drei Elternteile haben.


    Ada ist gelernte Marketing-Fachfrau und arbeitet als „Nadelöhrlady“ im Amt für Gesellschaftserweiterung. Vermutlich entscheidet sie über Einwanderungsanträge, und sie sucht selbst aktiv Menschen, die in die schöne utopische Welt des Christian Dittloff passen würden. Zu ihren Aufgaben gehört auch die Suche nach neuen Zeugungsmethoden und Konzepten von Elternschaft. Maria, die Tragemutter, wurde sorgfältig ausgewählt, passend zu einem Bildhauer und Restaurator als Vater des geplanten Kindes.

    Eingeschoben sind kurze Kapitel u. a. über Oscar Hertwig, der vor 100 Jahren wichtige Erkenntnisse zum Befruchtungsvorgang gewonnen hat, über eine Kinderwunschklinik in der Ukraine (wo Leihmutterschaft und Eizellspende anders als in Deutschland erlaubt sind) und über die englische Mathematikerin Ada Lovelace. Die Figur der Ada Lovelace wirft die Frage auf, ob unsere Welt heute eine andere wäre, wenn Lovelace keine Kinder gehabt und nicht bereits mit 36 Jahren verstorben wäre.


    Christian Dittloff entwickelt mit Focus auf das Elternpaar ein Szenario, in dem einige wohlhabende Eltern Schwangerschaft und erste Lebensjahre ihres Kindes so perfekt wie möglich optimieren, komplett an Hilfskräfte auslagern und dafür hohe Kosten zu tragen bereit sind. Ein Reproduktionstourismus scheint unausweichlich, ebenso die Ausbeutung von Frauen, die als Tragemutter ihren Lebensunterhalt verdienen. Yves ist es, der darüber nachdenkt, ob die Tragemutter, die sie gebucht haben, sich ihr Leben wirklich so vorgestellt hat. Wer Adas und Yves Weg zur Elternschaft folgt, könnte sich fragen, warum sie überhaupt ein Kind wollen. Weil sie es sich finanziell leisten können – oder ist es ein weiteres Lifestyleprojekt? Ihre Motive und die mit Kinderwunsch verbundenen Emotionen fand ich etwas zu karg dargestellt, so dass ich im Roman lange keine Spannungskurve ausmachen konnte. Der Auftritt von Nebenfiguren ließ die Spannung leicht anziehen; denn an Adas Arbeitsplatz muss auch darüber entschieden werden, ob Frauen im reproduktionsfähigen Alter eingestellt werden sollen. Lebensentwürfe, wie wir sie kennen, wirken in Adas Biotop altmodisch, sie werden bei Adas Schwester und dem Paar im Nachbarhaus angedeutet.


    Fazit

    Dittloffs Utopie lenkt den Blick auf die verschleiernde Wirkung von Euphemismen; z. B. mit den Begriffen Leihmutter/Tragemutter. Seine Sprache wirkt streckenweise sehr sperrig, wenn sich Figuren sogar in der wörtlichen Rede höchst gewählt ausdrücken. Diese Sprache verbirgt Emotionen, die wir in der Gegenwart von werdenden Eltern gewohnt sind, und rundet damit das Bild einer Generation im Optimierungswahn ab. Wer einige Titel aus Dittloffs Literaturverzeichnis kennt, wird nicht nur deren Einfluss auf den Roman erkennen, sondern auch die Grenze zwischen Utopie und Realität. Trotz des fehlenden Spannungsbogens fand ich in seiner Utopie eine ernstzunehmende Auseinandersetzung mit Mutterschaft, Elternschaft und den Grenzen des Möglichen.

    :study: -- Damasio - Gegenwind

    :study: -- Naylor - Die Stimme der Kraken

    :musik: --


    "The three most important documents a free society gives are a birth certificate, a passport, and a library card!" E. L. Doctorow