Kurzbeschreibung (Amazon):
River Cartwright ist ein ausgemusterter MI5-Agent, und er ist es leid, nur noch Müllsäcke zu durchsuchen und abgehörte Telefonate zu transkribieren. Er wittert seine Chance, als ein pakistanischer Jugendlicher entführt wird und live im Netz enthauptet werden soll. Doch ist das Opfer der, der er zu sein vorgibt? Und wer steckt hinter den Entführern? Die Uhr tickt, und jeder der Beteiligten hat seine eigene Agenda. Auch Rivers Chef.
Über den Autor (Amazon):
Mick Herron, geboren 1963 in Newcastle-upon-Tyne, studierte Englische Literatur in Oxford, wo er auch lebt. Seine in London spielende ›Jackson-Lamb‹-Serie wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem CWA Gold Dagger for Best Crime Novel, dem Steel Dagger for Best Thriller und dem Ellery Queen Readers Award.
Allgemeine Information:
Wenn ich es richtig überblicke, gibt es im Englischen bislang 5 Bände dieser Reihe klick, von der nun der erste Teil in deutscher Übersetzung vorliegt.
Meine Meinung:
Die Geschichte beginnt furios, legt auf den ersten Seiten
ein derart atemloses Tempo vor, dass ich mich höllisch konzentrieren musste. Aber
nach dem „Vorspiel“ findet sie ihr „eigentliches Tempo“, ruhig, hintersinnig,
eine ganze Weile etwas vage und kryptisch, die Spannung eher subtil, bevor am
Ende die Fädchen sauber und irgendwie schon genial verknüpft werden.
Schon vom äußeren Anschein her herrscht in Slough House Tristesse, passend zu dem Trupp von tatsächlichen oder vermeintlichen Versagern, die aus Regents Park zu den Slow Horses verbannt wurden. Ein zusammengewürfelter Haufen von „ausgemusterten“ Agenten, die einander nicht besonders mögen und zwischen denen nur ein Mindestmaß an Kommunikation besteht. Desillusioniert und frustriert, weil beschäftigt mit sinnlosen Beschäftigungen, und bei den seltenen Kontakten von ihren Ex-Kollegen mit kaum erträglicher Arroganz behandelt.
Leben kommt in die Bude als die Videos mit dem jungen Pakistani
ins Netz gestellt werden. Zwar werden die Einzelgänger nicht umgehend zu einer
Einheit geschmiedet, aber die Sprachlosigkeit hat ein Ende. Es bewegt sich was,
die erstarrten Strukturen in Slough Hause brechen auf und man darf gespannt
sein, ob und was sie gemeinsam auf die Beine stellen. Schließlich verfügen alle
„Slow Horses“ über spezielle Fähigkeiten, die ihnen einmal so etwas wie eine
Karriere beschert bzw. versprochen haben – in den heiligen Hallen von Regents
Park.
Für mich hat die Geschichte bis dahin mehr von der sprachlichen Eloquenz gelebt, aber nun zieht die Spannung an und zwar auf mehreren Ebenen. Sie gewinnt an Brisanz, wird politischer, aktueller, mit erstaunlichen Entwicklungen und faszinierenden Wendungen. Ich hatte lange keine Ahnung, worauf es am Ende genau hinauslaufen würde, was bei mir nicht allzu oft vorkommt.
Dieser erste Fall für die Slow Horses wirft einen klugen
Blick auf die heutige Gesellschaft und ihre Auswüchse, und einen kritischen auf
die Anmaßung und den Opportunismus von Geheimdienstleuten, die den Bezug zur
Realität und ihren Aufgaben verloren zu haben scheinen. Zu Zeiten des kalten
Krieges war es wohl irgendwie einfacher als heutzutage. Manches kam mir
überspritzt vor, fast ein bisschen persiflierend im Hinblick auf die
Geheimdienste und ihre Arbeit, hier speziell der britische MI5. Ob das
Geschehen den Realitäten entspricht – keine Ahnung. Aber für mich wirkte es durchaus
vorstellbar (leider).
Mick Herron ist eher mit britischem Understatement unterwegs, auch in den (raren) von Spannung und Action dominierten Szenen. Ich mag das total. Aber er nimmt auch kein Blatt vor den Mund und kann sehr direkt sein. Gerade in den Dialogen. Die sind wirklich herausragend, knapp und pointiert, da sitzt jedes Wort. Ich mochte auch wie er seine Figuren einführt. Zunächst erscheinen sie so farblos und trist wie die Umgebung, in der sie auftreten, doch nach und nach gewinnen sie an Konturen und Persönlichkeit. Da war jetzt niemand, dem spontan mein Herz zugeflogen ist, schon gar nicht Jackson Lamb, mit dem ich lieber nicht für länger in einem Raum sein wollte *gg*, aber ich habe sie schätzen gelernt und kann es kaum erwarten, dass der nächste Teil in Übersetzung erscheint.
Nur dieser „von-außen-drauf-Blick“, mit dem die Geschichte eingerahmt wurde, hat mir nicht so gefallen. Auch wenn es hier ganz gut passt, mag ich dieses Stilmittel nicht besonders, wirkt auf mich fast immer gekünstelt.
Kein Agententhriller im Stil eines James Bond, aber
spannende und intelligente Unterhaltung.