Monika Geier - Wie könnt ihr schlafen

  • Klappentext:

    Von wegen Urlaub. Kommissarin Bettina Boll wird von ihrem Vorgesetzten per Erpressung zum Dienst abgerufen und in die Wildnis geschickt: Aus einem Nest namens Kreimheim wurde der Fund einer Kinderleiche gemeldet. Als Verstärkung für ihren ersten eigenen Fall gibt man ihr den »kleinen« Willenbacher mit, einen farblosen Chauvi. Und dann informiert man sie in letzter Sekunde, dass die aufgetauchte Neugeborenenleiche seit etwa 25 Jahren tot ist. Viel Glück beim Ermitteln, Frau Boll! Kreimheim jedoch wartet nicht nur mit allerlei skurrilen Persönlichkeiten und einem anbetungswürdig netten Bürgermeister auf, sondern bietet der Kommissarin als Dreingabe eine Vermisstenmeldung sowie einen waschechten Mordanschlag. – Amazon


    Zur Autorin:

    Monika Geier, geboren 1970, studierte Architektur, entschied sich dann fürs Schreiben und erhielt gleich für ihr Debüt "Wie könnt ihr schlafen" den Marlowe. Es folgten sechs weitere hoch gelobte Romane, drei Kinder und diverse Kurzkrimis. – Amazon


    Allgemeine Informationen:

    1. Band der Bettina Boll-Reihe

    Angesiedelt in der Pfalz

    Aus verschiedenen Perspektiven erzählt

    446 Seiten


    Meine Meinung:

    Da haben wir eine junge Frau, die in einer deutschen Behörde arbeitet. Ihren Urlaub verbringt sie damit, die beiden Kinder ihrer Schwester zu hüten, die ins Krankenhaus muss. Dann kommt der Chef der Frau und befiehlt sie an den Arbeitsplatz zurück. Welche Frau würde nicht gern ihrem Chef den Gefallen tun :roll: - Urlaub abbrechen, Kinderchen irgendwo unterstellen, Koffer packen und ab in die Provinz. Weil nämlich Knochen gefunden werden, die schon seit 25 Jahren in der Erde liegen, aber jetzt offenbar keinen Tag Aufschub dulden.


    Je blöder die Ausgangssituation, desto lieber liest man bekanntlich weiter, oder nicht? :)


    Dass ständig jemand eine Zigarette anzündet, will ich dem Buch überhaupt nicht vorwerfen; zu meiner aktiven Zeit wäre mir das vermutlich nicht aufgefallen. Stattdessen lasse ich das Buch selbst sprechen:


    S. 144: „Es war wie diese Sache, die sie vor langer Zeit in der Schule gelernt hat: Minus und minus gibt plus.“ --- Zu meiner Schulzeit ergab minus mal minus plus. (Naja, vielleicht gabs nach der Rechtschreibreform eine Mathematikreform, und ich hab nichts mitbekommen.):scratch:


    S. 151: „Grimmig tötete Klara die letzte Glut ihrer Zigarette mit einer harschen Bewegung.“ – Ich habe gewiss viele Zigaretten in meinem Leben ausgedrückt, aber dass ich eine unschuldige Glut getötet hätte – niemals. [-(


    S. 281: (Eine Leiche wurde mit einem Tuch um den Kopf gefunden.) „Ihr Tod war vielleicht `n Unfall, so eine Art Lustmord während einer Vergewaltigung“, mutmaßte Schuster mit gierigem Funkeln in den Augen.

    Gierig funkelnde Polizistenaugen beim Gedanken an eine Vergewaltigung??? Hoppla. :shock:


    Merkwürdig, dass Bettina auf Seite 334 anfängt, im Beisein einer Jugendlichen, die sie verhören soll, um ihre Schwester zu weinen, von der man seit Seite 23 nichts mehr gehört hat. Wie professionell ist das denn? :wuetend:


    Was aber in meinen Augen wirklich schlimm ist: Die Verachtung, die die Autorin für ihre Figuren empfindet. Nie-nie-niemals darf ein Autor überheblich auf seine Figuren hinabschauen. Wenn, dann muss er sich der Augen eines Protagonisten bedienen, aber nicht einmal das schafft Geier.


    Dumm, dass ich dieses Buch ganz lesen musste, weil ich auf eine so lange Wartezeit nicht eingestellt war und kein anderes bei mir hatte. Rückschauend betrachtet hätte ich doch lieber zum herumliegenden Rosa Blatt greifen sollen, um das Neueste über Harrys erste Ehekrise zu erfahren. Die hätte mich sicher besser unterhalten und weniger geärgert als dieser Krimi. :love::eye::king:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Zufällig habe ich den bisher letzten Band dieser Reihe in die Hand bekommen, fand ihn sehr gut und habe deshalb von vorne begonnen und diesen 1. Band gelesen (inzwischen auch noch die Bände 2, 3, und 4). Mir ging es da ganz anders als Marie. Ich habe das Buch sehr gerne gelesen, kann auch diese Verachtung der Autorin für die Figuren nirgendwo finden. Und dass Bettina Boll um ihre Schwester weint, ist eigentlich ziemlich klar, wenn man das Buch bis zu dieser Stelle gelesen hat und für mich in keiner Weise überraschend.

  • Liebe Marie


    Ich habe Deine Rezension gern gelesen und sie als gut gemachten, sowie hervorragend dokumentierten Verriss empfunden, den ich gerne gelesen habe.

    Bei dem Beispiel mit der Glut musste ich tatsächlich lachen, denn es ist mitunter putzig, wie manche Autoren sich an Großartigkeit versuchen und dann scheitern.

    Anderen gelingt dies mit beiläufiger Mühelosigkeit.

    Gut finde ich auch die Gegenmeinung von Mafalda, die die Sache irgendwie abrundet. Wahrscheinlich wird das Buch dann nicht in die nähere Auswahl kommen, dabei suche ich eigentlich schon seit geraumer Zeit mal wieder, nach einem ordentlichen Krimi.

    "Ich bin eitel, hochmütig, tyrannisch, blasphemisch, stolz, undankbar, herablassend - bewahre aber das Aussehen einer Rose" Pita Amor

  • dass Bettina Boll um ihre Schwester weint, ist eigentlich ziemlich klar

    Aber an dieser Stelle total unpassend. Als Leser weiß man bis dahin nicht, was der Schwester fehlt und wie es ihr geht. Und urplötzlich weint Bettina, weil Metastasen gefunden wurden. Von irgend einem Kontakt mit der Schwester oder mit deren Kindern weiß man als Leser nichts. Wenn die ermittelnde Polizistin dann auch noch in Gegenwart einer Jugendlichen ihren Gefühlen so extremen Lauf lässt, ... dann ist sie für mich einfach inkompetent an dieser Stelle.


    Was die Verachtung für die Figuren angeht: Liest man, wie die Autorin sie einführt, wie sie ihre Lebensumstände abfällig schildert, ihre Biederkeit spöttisch kommentiert, entdecke ich eine Menge Verachtung.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)