Christoph Ransmayr - Die letzte Welt

  • Amazoninhaltsangabe: "Der Roman, der an Schauplätzen in Rom und am Schwarzen Meer Antike, Gegenwart und Zukunft zusammenfließen läßt, folgt den Spuren des römischen Dichters Ovid, der im Jahr 8 n. Chr. nach Tomi am Schwarzen Meer verbannt wurde. ›Die letzte Welt‹ erzählt von der abenteuerlichen Reise eines römischen Freundes von Ovid, der auf der Suche nach dem verschwundenen Dichter und seinem verschollenen Werk der ›Metamorphosen‹ immer tiefer in eine rätselhafte Welt der Bilder, Figuren und wunderbaren Begebenheiten gerät - und sich in eine Romanfigur verwandelt."


    Ransmayr ist für mich einer der besten deutschsprachigen Erzähler, so gut, dass ihn der eine oder andere vielleicht sogar altmodisch finden mag. Ich finde ihn wortgewaltig und kreativ, er kann wundervolle Sprachbilder erschaffen. Sein "Cox" ist eines der poetischsten Bücher der letzten Jahre, wunderbar unaufgeregt spannend und einfach toll zu lesen. In diesem Buch nun kommt eine ganz besondere Idee zum tragen: er lässt Ovidsche Figuren in einer fiktiven relativ modernen Zeit agieren, lässt die Metamorphosen sich anders entwickeln und setzt noch einen Erzähler in die Handlung (-en). Geniale Idee. ---- --- ---- Ich habe das Buch nicht zu Ende gelesen :-kO:-).


    Es hat für mich einfach nicht funktioniert, es kam kein Lesefluss auf, ich wurde nciht in die Handlung hineingezogen, es fehlte so etwas wie Spannung, die Lust zu erfahren, wie es sich entwickelt. Es war irgendwie schon alles da. Die eigentliche Idee war für mich so stark, dass sie auf die praktische Ausgestaltung einen übergroßen Schatten warf. Auch für mich als Leser, also als Interpret, war zu wenig Raum. Dieses Buch ist stärker als ich, - und ich vielleicht ein kleines bisschen zu dumm für dieses Buch. Ich werde auch keine Sterne vergeben, weil ich nicht weiß, nach welchen Kriterien ich sie vergeben sollte.


    Sehr interessieren würden mich allerdings die Meinungen anderer, die sich an das Büchlein heranwagen.

  • Es hat für mich einfach nicht funktioniert, es kam kein Lesefluss auf, ich wurde nciht in die Handlung hineingezogen,

    Du weißt, dass ich ein absoluter Ransmayr-Fan bin. Ich höre gerade "Der fliegende Berg", ein Buch, das er selber eingelesen hat, und bin

    wieder einmal wie eingesponnen-verzaubert von seiner Sprachkunst, von seinen zurückhaltenden Beschreibungen, die in mir aber ganze Landschaften

    entstehen lassen - ich bin aber auch begeistert vom Inhalt, wie bei "Cox" oder beim "Atlas eines ängstlichen Mannes". Inhalte, die immer über sich selber hinausweisen.


    ABER das Ovid-Buch, mein erster Kontakt mit Ransmayr, habe ich auch abgebrochen. Das ist aber schon ewig her, ich hatte das Buch damals kurz nach seinem Erscheinen gekauft. Ich konnte keine Geschichte entdecken, keinen roten Faden, ich strauchelte gewissermaßen zwischen den Kapiteln, den Personen und dem Esel hin und her. Und kam mir selber wie ein Esel vor.


    Das ist jetzt sicher nicht hilfreich für Dich. Ich werde mir das Buch nochmals vorknöpfen.

    Wär doch gelacht ….!

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • K.-G. Beck-Ewe

    Hat den Titel des Themas von „Christoph Ransmayr "Die letzte Welt"“ zu „Christoph Ransmayr - Die letzte Welt“ geändert.
  • Von Wegen!!! Das war sehr hilfreich für mich.

    1.) kenne ich "Der fliegende Berg" noch nicht. also ein wertvoller Tipp.

    2.) ist es schön, dass es noch andere Fans von ihm gibt, die an diesem Buch gescheitert sind. Da fühle ich mich gleich wieder normaler.

    3.) Sind deine Erklärungen stringenter als meine und insofern auch eine Bereicherung.

    4.) Bin ich gespannt auf den Bericht vom zweiten Versuch.


    Ich habe momentan nicht die Idee, irgendwann noch einmal anzufangen. Aber ich muss natürlich auch sagen, dass ich Ovid praktisch überhaupt nicht kenne und daher vielleicht die Voraussetzungen für das Buch einfach nicht mitbringe .

  • dass ich Ovid praktisch überhaupt nicht kenne

    Das ging mir damals auch so, also habe ich mich über Ovid informiert.

    Leider wurde mein Leseerlebnis aber nicht besser davon:).

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    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich schließe mich an. Zwar habe ich das Buch fertig gelesen, aber auch ich war heillos damit überfordert. Ich habe wohl irgendwann einfach nur mehr die Erzählkunst Ransmayrs genossen und nicht mehr versucht, alles zu verstehen. Das Gefühl intellektueller Unterlegenheit habe ich bei ihm sowieso immer, normalerweise kann ich gut damit umgehen, aber bei "Die letzte Welt" war es so schlimm, dass ich mich bis jetzt nicht an "Der fliegende Berg" gewagt habe, das seit Jahren bei mir subt. (Asche auf mein Haupt!)


    Dabei konnte ich "Morbus Kitahara", "Atlas einen ängstliche Mannes" (zumindest das meiste davon), "Die Schrecken des Eises und der Finsternis" und (vor allem!) "Cox - oder der Lauf der Zeit" durchaus genießen. Ich war schon bei einigen seiner Lesungen und halte Christoph Ransmayer auch für einen der interessantesten und beeindruckendsten Menschen der Gegenwart. Und dabei ist er auch noch sympathisch. :wink:


    drawe wie ist denn "Der fliegende Berg"? Auch so schwer zu lesen oder sollte ich einen Versuch wagen? 8-[

  • wie ist denn "Der fliegende Berg"? Auch so schwer zu lesen

    Ich höre ihn ja :-)

    Was mir nur auffällt: der Erzähler - ein Ire - springt munter in den Zeiten hin und her. Er erzählt aus seiner Kindheit, dann vom Tod seines Bruders, dann von seiner Reise nach Khan, wieder von seinem Bruder, wieder von Irland, dann von seiner Seefahrt und so fort. Also eine sehr assoziative Erzählweise (bis jetzt).


    Aber - und darauf will ich hinaus: ich habe kein einziges Mal das Gefühl, die Orientierung zu verlieren. Die Handlung ist rund, es gibt keinerlei Verständnislücken. Ich fühle mich als Leser souverän geführt, und ich weiß noch nicht, woran das liegt.


    Der oft schwebende Tonfall von Ransmayr - er hat, wie gesagt, das Hörbuch selber eingelesen - mag dazu beitragen, dass mir "Der fliegende Berg" bisher so gut gefällt.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

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    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich wollte schon längst mal was von Ransmayr lesen und habe bereits zwei Bücher von ihm auf dem SUB. Jetzt weiss ich immerhin, dass ich die Finger vorerst von diesem hier lasse, und erst „Die Schrecken des Eises und der Finsternis“ lesen werde.


    Mal was anderes: ich lese in den Rezis stets wie wortgewaltig er sei, kreativ, geniale Erzählkunst, etc. Klingt wirklich spannend, aber mit wessen Schreibstil ist er ungefähr vergleichbar? Denn solche Adjektive treffen auch ungefähr auf Thomas Wolfe, José Saramago oder gar Charles Dickens zu. Bei altmodisch und intellektuell denke ich eher an W. G. Sebald... Klar sind die Schreibstile völlig einzigartig, aber kann man sagen, wer XY mag, der wird auch Ransmayr mögen?

    Ich schubse mal noch Hypocritia und SiriNYC an, die beide das Buch ziemlich gut bewertet haben. Eventuell mögt Ihr Euch noch erinnern, was Euch so gut daran gefiel?

  • Siegfried Lenz würde mir einfallen. Und dann dieser Frankfurter Autor, dessen Name mir partout nicht einfallen will, im weiteren Dunstkreis der Neuen Frankfurter Schule. Ich meine etwas mit G....

  • aber kann man sagen, wer XY mag, der wird auch Ransmayr mögen?

    Keine Ahnung. Mir fällt niemand Vergleichbares ein :scratch:??


    Ich würde eher sagen: wer die innere Ruhe hat bzw. sich die Ruhe gönnt, sich auf lange Sätze einzulassen, wer Freude an

    kleinen Beobachtungen hat, wer einfach Vergnügen hat an einer schönen Sprache (die aber niemals Selbstzweck ist, niemals

    totes Geklingele!) und wer einen Roman über eine Bergbesteigung nicht als Bergroman sieht, sondern als Roman über das Menschliche,

    über Grenzerfahrungen, über Magisches, über Tod und Liebe -

    und wer gerne einem gebildeten, bescheidenen Menschen zuhört -

    dem gefällt "Der Fliegende Berg".


    Ich kann es nicht konkreter benennen, tut mir leid. Für mich sind die wenigen Werke, die ich bisher gelesen/gehört habe,

    einfach ein Ereignis.

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    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Du hattest damals meine Rezi zu diesem Buch gelesen, Susannah , insofern gibt sie nicht einen nochmals anderen Eindruck. Aber vielleicht für die anderen, die sich zu erwähntem Werke Fragen stellen:

    Christoph Ransmayr – Der fliegende Berg

  • tom leo , danke für den Hinweis auf Deine Rezension!

    Juhu, das freut mich, dass Dir das Buch auch so gut gefällt.


    Die "Flattersätze" (wo kommt der Begriff her?) habe ich bei dem Hörbuch nicht gehört, da werde ich

    nachher drauf achten.


    Muss ich mir das Werk dann als eine große Ballade vorstellen?

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

    :musik: Leonie Schöler, Beklaute Frauen.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Die "Flattersätze" (wo kommt der Begriff her?) habe ich bei dem Hörbuch nicht gehört, da werde ich

    nachher drauf achten.


    Muss ich mir das Werk dann als eine große Ballade vorstellen?

    Das mit den "Flattersätzen" muss ich irgendwo in einem klugen Kommentar gelesen haben. Das Buch ist linksbündig geschrieben, aber quasi wie ein "Gedicht" mit nicht bündigem Ende. Dabei nicht sich reimend. Dennoch in seinem Sprachfluss von atemberaubender Schönheit. Sprachgenuss pur.

  • Das mit den "Flattersätzen" muss ich irgendwo in einem klugen Kommentar gelesen haben

    Ich habe auch nachgeschaut; der Begriff scheint von ihm selber zu stammen.

    Beim nächsten Muße-und-Hörbuch-hören-Stündchen werde ich darauf achten, ob diese

    besondere Form auch im mündlichen Vortrag aufleuchtet.

    Wobei ich das Hörbuch auch ohne das Bewusstsein der Flattersätze einfach rundum

    als Genuss erlebe.

    :study: Joseph Roth, Hiob. MLR.

    :study: Vigdis Hjorth, Ein falsches Wort.

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    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Nungesser : Etwas verspätet meine Antwort. Das Buch habe ich 2017 hier in mein Regal gestellt, es ist aber schon länger her, dass ich es gelesen habe. Daher habe ich keine Erinnerung mehr, was mir an der Sprache gefallen oder nicht gefallen hat.


    Mich faszinierte damals vor allem die Geschichte. Ich hatte Latein in der Schule, es war okay, aber nicht gerade mein Lieblingsfach. Eher altertümlich kam es mir damals vor, im negativen Sinn. Auch gerade die „Metamorphosen“ von Ovid, die man immer wieder auseinanderpflücken und wieder zusammensetzen musste.


    Die Idee, diese Geschichte auf eine neue Art und Weise zu erzählen, gefiel mir einfach richtig gut.

  • Ein Kaleidoskop ist ein optisches Spiel, das die Vielfältigkeit der Dinge zeigen soll.


    Dieses Buch ist ein Kaleidoskop für die mythischen Vorstellungen des Dichtes Ovid, zeigt sie in aller, manchmal verwirrender, Farbigkeit und Fülle. Dabei ist nichts, wie es scheint, nichts wird direkt sichtbar, der Leser bleibt ein Suchender.

    Alle Protagonisten sind aus dem fragmentarisch erhaltenen Original erwachsen, führen jedoch in ihrer "Verbannung" am Schwarzen Meer ein Eigenleben in neuer Gestalt und interagieren mit dem Protagonisten Cotta, dessen Suche nach dem verschwundenen Original der Metamorphosen der Leser miterlebt und erleidet.

    Auch der Dichter Publius Ovidius Naso wird zur Romanfigur und in Cotta reift schließlich die verstörende Erkenntnis, das Erlebnis und Vorstellung, Traum und Wirklichkeit nicht mehr trennbar sind in einer amphibischen Welt.

    Auch Zeit und Raum werden aufgehoben, Vergangenheit und Gegenwart eliminiert.

    Die Figuren verselbstständigen sich und handeln unabhängig und werden zu Akteuren, so Cottas Geliebte Echo, sowie auch Battos, Arachne und Lykaon.

    Eine reife und wuchtige Sprache grundiert diesen doppelbödigen Roman, der Autor lässt das Ende kaum erahnen, ganz bewußt, die Metamorphosen sind Verwandlungen, keine Bestimmungen.

    Keine ganz leichte Kost, thematisch und sprachlich. Es ist allen Lesern (m/w/d) zu empfehlen, den Dichter Ovid schon kennengelernt zu haben, um den schwierigen Kunstgriff des Autors nachzuvollziehen, den Fragmenttext ergänzend zu erzählen und ihm ein "Eigenleben" zu geben.

    Zu empfehlen wäre die Versdichtung der "Ars Amatoria" etwa, bevor man sich an die "Metamorphosen" macht.

    Dann ist dieses Buch ein sprachliches und thematischen Lesevergnügen der ganz besonderen Güte und bekommt von mir

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: Sterne.

  • Das Buch lag recht lange auf meinem SUB. Eigentlich wollte ich es erst lesen, wenn ich etwas mehr über Ovid und seine Metamorphosen Bescheid weiss. Ansonsten hatte ich sehr Anspruchsvolles wie James Joyce Ulysses befürchtet, an dem ich gescheitert bin; womöglich entging mir der Spass, weil ich von Homers Versepos "Die Odyssee" zu wenig Ahnung habe.


    Trotzdem, nachdem mir der "Atlas eines ängstlichen Mannes" so gut gefiel, nahm ich mich des letzten Ransmayr-Buchs auf meinem SUB an - und siehe da: so schlimm ist es gar nicht!


    Auch ohne sonderliche Kenntnisse von Ovid kann man den Text mit Vergnügen lesen. Parallelen zu den Personen in beiden Werken sind im Anhang aufgeführt; und als unbedarfter Leser konnte ich eine Vorstellung von den inhaltlichen Bezügen, Querverweisen usw bekommen. Sicherlich ist der Genuss noch höher, kennt man sich zudem in der griechischen und römischen Mythologie aus, Stichwort Lykaon, Tereus, Proserpina, Fama, Iason und die Argonauten um nur mal ein paar Personen zu nennen.


    Persönlich gefallen mir immer die sprachlichen Kompositionen und Beschreibungen von Ransmayr. Hinzu kommt in diesem Roman auch noch das anachronistische Setting: scheinbar um die Zeit von Ovids Verbannung nach Tomis angesiedelt (8 n. Chr), aber es gibt Kino und Buslinien, und ein Deutscher berichtet vom Holocaust. Und so wie es zeitlich starke Brüche gibt, so ist auch das Personal sonderbar: es gibt zwar keine Götter, aber wundersame Dinge geschehen einige - und nach kurzem Staunen findet man sich ab oder findt eine einfache Erklärung hierfür. Tatsächlich verschwinden hier die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit, auf Zeit und Ort ist kein Verlass, als Leser habe ich mich einfach neugierig durch die Handlung führen lassen - und hingenommen, dass ich sicherlich nicht alles verstanden habe.

    Aber ein beeindruckendes Vergnügen war es trotzdem!