Mitten im Zweiten Weltkrieg lebt Frederike „Freddy“ mit ihrer Familie auf Gut Mansfeld in Ostpreußen. Bis auf einige Einschränkungen konnte ihnen der Krieg nicht viel anhaben, doch nun stehen die Russen fast vor der Tür und die Alliierten nehmen Deutschland immer mehr von der anderen Seite ein. Als ihr Ehemann Gebhard und seine Mutter verhaftet werden, bekommt Freddy zum ersten Mal hautnah die Auswirkungen des Krieges zu spüren. Verzweifelt versucht sie, ihren Mann aus den Händen der Nazis zu befreien, doch es gelingt ihr nicht. Allein mit den Kindern muss sie sich dem Alltag auf dem Gut stellen, wo immer mehr Fremde auf Befehl Unterschlupf finden und wo ein Nazioffizier Teile ihres Besitzes beschlagnahmt. Immer mehr rationiert und eingeschränkt versucht Freddy, die Familie zusammenzuhalten. Aber dann ist auch sie gezwungen, alles zurückzulassen und mit ihren Kindern vor den Russen zu fliehen, um nicht selbst verhaftet zu werden. Freddy muss für sich und die Kinder ein völlig neues Leben aufbauen…
Ulrike Renk hat mit ihrem Buch „Die Zeit der Kraniche“ den
letzten Teil ihrer Ostpreußen-Trilogie vorgelegt, der die Geschichte um Freddy
und ihre Familie abrundet. Der Schreibstil ist flüssig und nimmt den Leser
schnell mit auf das Gut Mansfeld, um sich unsichtbar innerhalb von Freddys
Familie und ihren Gutsleuten zu bewegen und sie bei ihren Gedanken und Gefühlen
zu belauschen. Gleichzeitig erhält der Leser einen guten Einblick darüber, was
die Menschen im damaligen Krieg alles zu ertragen hatten und mit welchen
Einschränkungen sie leben mussten. Denunziation und Falschaussagen waren an der
Tagesordnung, man wusste nie, wer Freund und wer Feind ist und was oftmals auch
einfach nur aus Neid geschah. Der Roman basiert auf wahren Begebenheiten, und
die Autorin hat sehr gute Hintergrundrecherche betrieben, um dem Leser ein
ausgebombtes Berlin sehr bildhaft zu präsentieren ebenso wie die Zustände in
einem Gefängniskrankenhaus oder aber auch die Trecks der Gefangenen aus den
Konzentrationslagern sowie das rüpelhafte und zerstörerische Verhalten der
Soldaten verschiedener Ländern, die mit ihren Gefangenen nicht gerade
zimperlich umgehen. Die drückende und düstere Stimmung wird sehr gut
transportiert, so dass der Leser sich annähernd gut in die jeweiligen
Situationen hineinversetzen kann.
Die Charaktere sind sehr lebendig und liebevoll ausgearbeitet, sie wirken aufgrund ihrer Eigenschaften individuell und authentisch. Der Leser kann sich gut mit ihnen identifizieren und sich als Teil der Gutsfamilie fühlen. Freddy ist eine mutige und energische Frau, die alles Menschenmögliche versucht, ihre Familie zu beschützen, aber auch die Gutsleute und ihr anvertraute politische Gefangene. Sie behandelt alle gleich gut, ist hilfsbereit und mit Empathie gesegnet. Freddy musste sich schon durch manch schlimmen Schicksalsschlag kämpfen, doch ließ sie sich dadurch nie entmutigen, sondern wurde dadurch nur noch stärker. Aber auch sie ist irgendwann mal mutlos und verzweifelt, kann aber mit der Unterstützung von vielen Freunden und Verwandten rechnen, was mehr als Geld bedeutet. Lore ist die Köchin des Gutes und der Geist des Hauses, sie zaubert aus langweiligen Resten noch etwas Besonderes und bleibt immer warmherzig und loyal. Auch die weiteren Protagonisten wie Gebhard, Caspar oder auch Thea geben der Handlung zusätzlichen Input und Spannung.
„Die Zeit der Kraniche“ ist der krönende Abschluss um die Frederike von Mansfeld und ihre Familie in Ostpreußen. Die Trilogie sollte der Reihe nach gelesen werden, um alle Zusammenhänge und die familiären Verbindungen zu verstehen und nachvollziehen zu können. Der Abschied von Freddy fällt nicht leicht, sind sie doch während der Lektüre zu engen Freunden geworden. Eine Leseempfehlung für ein Stück Zeitgeschichte!
Schöner Abschluss für