Frank Goosen - Weil Samstag ist

  • Fragt ein Ruhrpöttler den anderen: "Warum gehst du heute ins Stadion?" Antwortet der andere: "Weil Samstag ist!"


    Ganz klar, Samstag ist Fußballtag im Pott. Natürlich nicht nur dort, aber Frank Goosens Fußballerinnerungen spielen sich nun mal dort ab, wo viele aktuelle und ehemalige Bundesligavereine zu Hause sind und man die Zugehörigkeit zu seinem Club buchstäblich mit der Muttermilch eingesogen hat. Das gilt auch für den Autoren. Einmal VfL Bochum, immer VfL Bochum, selbst wenn das ziemlich viel Leidensfähigkeit voraussetzt, denn der Verein ist nicht unbedingt als Dauerspitzenreiter bekannt ...


    Goosen schwelgt hier kräftig in Erinnerungen an seine fußballerische Sozialisation, an Glanz (wenig) und Elend (ziemlich viel) der Vergangenheit, an die WM 2006 in Deutschland und seine Versuche, seine Leidenschaft an seine Kinder weiterzugeben. Was man so gerne als die schönste Nebensache der Welt bezeichnet, ist für richtig eingefleischte Fans viel mehr als nur das, da geht es emotional ziemlich ans Eingemachte, wenn der Verein vom Abstieg bedroht ist oder ein wichtiges Pokalspiel dämlich verliert.


    "Heute im Stadion" war auch der Soundtrack meiner eigenen Kindheitssamstage; noch bevor ich überhaupt wusste, was ein Elfmeter ist, waren mir Bayer Uerdingen, Schalke 04 und Borussia Dortmund zumindest vom Hörensagen ein Begriff. Somit hatte ich mir von diesem Büchlein einen wohligen Nostalgietrip erwartet.


    Ansatzweise habe ich den auch bekommen, insbesondere bei den Rückblenden zur WM 2006, die bei mir schöne Erinnerungen an einen tollen Fußballsommer geweckt haben, und ich habe mich über einige Fußballkuriositäten, von denen Goosen erzählt, köstlich amüsiert, vor allem die Engländer, die mit einem Londoner Taxi für ihre Mannschaft bis nach Istanbul gefahren sind.

    Doch das Buch macht auch klar, warum sich das Wort "Fan" von "Fanatiker" ableitet - da wird über Anhänger anderer Mannschaften hergezogen, was das Zeug hält, Objektivität sucht man vergebens. Und ja, natürlich weiß ich, dass das gerade im Fußball nun mal so ist, aber ich habe bei der Lektüre festgestellt, dass ich aus dem Verständnis für diese Hardcore-Fan-Schiene rausgewachsen bin und ich Pöbeleien gegen die gegnerischen Fans inzwischen eher albern und kindisch als witzig finde. Auch Saufen und Wildpinkeln sind vor allem in gehäufter Form nicht unbedingt unterhaltsam in meinen Augen. Mehr schräge Geschichten rund ums Spiel und die Mannschaft hätte ich wahrscheinlich deutlich lustiger gefunden.

  • Danke für die Rezension Magdalena.

    Ich habe das Buch vor vielen Jahren gelesen und fand es einfach nur hervorragend. Mittlerweile bin ich in Sachen Fußball auch etwas ruhiger geworden, aber Frank Goosen hat das Gefühl, ein eingefleischter Fan zu sein und das Spiel zu lieben, hervorragend rübergebracht. Vielleicht fühle ich mich ihm auch noch eher verbunden, da mein Herzensverein der 1.FC Nürnberg ist und somit ebenfalls ein Verein, der in der jüngsten Vergangenheit deutlich mehr Tragödien und Tristesse statt Erfolge vorzuweisen hatte. Ich finde es in der heutigen Zeit mit Auswüchsen wie RB Leipzig, mit Ablösesummen jenseits von Gut und Böse, mit Scheichs und Mäzenen hinter vielen Großklubs wichtig, dass es noch die Otto-Normalfans gibt, für die Fußball mehr als nur Geschäft und Kommerz ist. Auch wenn die mal einen über den Durst trinken und in die Büsche pinkeln. :wink:

  • Ich habe Goosen schon öfter gehört, wie er aus seinen Büchern vorgelesen hat. Ich fand es jedesmal sehr, sehr gut und witzig. Daraufhin hab ich mir auch Bücher besorgt und war maßlos enttäuscht. Beim Lesen funktioniert es bei mir einfach nicht. Da ist es eher wie oben beschrieben, dass es oft sogar etwas Peinliches hat.

    Für mich also einer der sehr seltenen Fälle, wo ich eher zum Hörbuch greifen würde.

  • Klaus V. : Kann gut sein, dass mir die Geschichten, mit Ruhrpott-Einschlag vorgetragen, besser gefallen hätten.


    Kapo : das Fußballfan-Lebensgefühl bringt er schon gut rüber, aber mich hat irgendwann einfach der "Männerhumor" mehr genervt als amüsiert. Und natürlich bin ich ganz Deiner Meinung, dass der Fußball (wie eigentlich jeder Sport) Fans mit Herzblut braucht, denen es in erster Linie um den Sport und die Mannschaft geht. Allerdings schadet die Fähigkeit, über den Tellerrand hinauszuschauen, auch nicht. Ultras braucht kein Mensch.

  • Ich bin ja, um mich mal zu outen, seit vielen Jahren Fan und Dauerkartenbesitzer. Ultras haben viel zerstört an Fankultur, aber da gehört Goosen ja definitiv nicht zu.

    Wenn er selber liest, hat das so etwas Lakonisches, das gibt dem Text zusammen mit dem leichten Dialekt, den letzten Kick.

    Bücher von ihm kaufe ich nicht mehr.

  • Nicht, dass das falsch rüberkommt, ich wollte Goosen nicht unterstellen, ein Ultra zu sein ;) Aber die zeigen ja ziemlich deutlich, wohin das Fan-Sein auch führen kann, wenn man's übertreibt.