Über den Autor:
Jonas Lüscher, geboren 1976 in der Schweiz, lebt in München. Seine Novelle „Frühling der Barbaren“ entwickelte sich zum Bestseller, stand auf der Longlist für den Deutschen Buchpreis und war nominiert für den Schweizer Buchpreis. Auch sein Roman „Kraft“ schaffte es auf die Longlist für den Deutschen Buchpreis.
(Quelle: Klappentext)
Buchinhalt:
Richard Kraft, Rhetorikprofessor in Tübingen, unglücklich verheiratet und finanziell gebeutelt, hat womöglich einen Ausweg aus seiner Misere gefunden. Sein alter Weggefährte István, Professor an der Stanford University, lädt ihn zur Teilnahme an einer wissenschaftlichen Preisfrage ins Silicon Valley ein. In Anlehnung an Leibniz’ Antwort auf die Theodizeefrage soll Kraft in einem 18minütigen Vortrag begründen, weshalb alles, was ist, gut ist und wir es dennoch verbessern können. Für die beste Antwort ist eine Million Dollar ausgelobt. Damit könnte Kraft sich von seiner anspruchsvollen Frau endlich freikaufen.
Komisch, furios und böse erzählt Jonas Lüscher in diesem klugen Roman von einem Mann, der vor den Trümmern seines Lebens steht, und einer zu jedem Tabubruch bereiten Machtelite, die scheinbar nichts und niemand aufhalten kann.
(Quelle: Amazon)
Das Buch umfasst 233 Seiten unterteilt in 14 Kapitel, die jeweils mit einem Zitat eingeleitet werden. Ein Zitatenachweis sowie eine Danksagung, die u.a. die Entstehung dieses Romans anstatt der geplanten Dissertation erklärt, finden sich am Ende des Buchs.
Meine Meinung:
Bereits beim Lesen habe ich geschwankt, ob ich dieses Buch nun bescheuert und überbewertet oder genial finden soll. Ich hab auch sehr lange gebraucht, um diese Rezension zu schreiben. Aber schlussendlich hab ich mich entschieden, das Buch genial zu finden bei aller Unleserlichkeit in vielen Teilen und zu erklären, warum ich das so empfinde.
Der Klappentext vermittelt den Eindruck, man habe es mit einem armen gebeutelten Professoren zu tun, aber sehr schnell erkennt man beim Lesen, dass der Protagonist ein Schwafler und Schaumschläger ist, zwar ein sehr intelligenter, aber leider eben doch ein Schwafler. Er ist einer, der mit aller Macht auffallen und einzigartig sein will und einzig darauf ausgerichtet trifft er seine Entscheidungen, sucht nach Alleinstellungsmerkmalen ohne darüber nachzudenken, ob er diese inhaltlich mittragen und füllen kann. Gleichzeitig erkennt er in sich selbst die Unfähigkeit, irgendetwas zu Ende zu denken oder zu Ende zu bringen – nur er ändert es nie. So schwafelt er sich hochtrabend und inhaltsleer durch sein berufliches Leben, macht Karriere und bleibt doch leer – so inhaltsleer, dass auch die Kollegen nur noch die Augen verdrehen und sich abwenden bzw. ihn ignorieren. Sein Privatleben verläuft nicht besser und am Ende scheint der Gewinn dieser Preisfrage sein einziger Ausweg aus dieser Falle zu sein. Doch selbst daran scheitert er am Ende und der Schluss? Der Schluss ist für mich eigentlich das Beste am Buch, grandios bösartig und doch so treffend.
Lüscher karikiert und entlarvt hier den v.a. geisteswissenschaftlichen Wissenschaftsbetrieb, das hochintellektuelle Getue, das an manchen Instituten, aber auch an anderen Stellen vielfach vorherrscht ohne das Fach oder das Wissen weiter voran zu bringen. Viel Gerede ohne etwas zu sagen und viel Getue um die eigene Person, um sich möglichst intellektuell zur Schau zu stellen, findet man heute ja leider an vielen Stellen, da muss man nicht weit schauen – und leider trifft das auf viele Bereiche zu, nicht nur den geisteswissenschaftlichen.
Gleichzeitig lässt er die letzten Jahrzehnte an einem vorbeistreifen, v.a. die 80er Jahre, und das treffend und pointiert. Dieser Rückblick hat mir durchaus gefallen.
Sprache und Stil im Roman passen hervorragend zur Intention des Autors, aber leider machen sie das Buch auch über große Teile schwer lesbar. Schachtelsätze, die auch durchaus mal länger als eine Seite sind, machen es uns Lesern echt schwer, bei der Stange zu bleiben. Mehr als einmal schwankte ich zwischen weiterlesen oder zuklappen und in die Ecke pfeffern. Wie gesagt, lange wusste ich nicht, wie ich das Buch bewerten soll. Komisch und vor allem böse ist es, als furios würde ich es nicht bezeichnen. Etwas weniger wäre in meinen Augen mehr gewesen, der Autor hätte sein Ziel auch mit mehr Lesbarkeit und weniger Geschwafel erreicht und vielleicht wäre er dann ja auch von der Long- auf die Shortlist gerutscht – wer weiß.
PS: ich hätte mir gewünscht, Hypocritia würde das Buch auch rezensieren, sie kann das bestimmt um einiges besser als ich