Tilman Birr - On se left you see se Siegessäule

  • Klappentext: Tilman ist jung, und er braucht Geld. Kurz entschlossen heuert er als Stadtführer – in Berlin „Stadtbilderklärer“ genannt – auf einem Ausflugsschiff an und erklärt Touristen die deutsche Hauptstadt. Er kämpft mit Bayern, die nicht Deutsch sprechen, trotzt Sturm und Hagel sowie erbosten Senioren und macht aus gelangweilten fränkischen Schülern eine fanatisierte Masse begeisterter Berlinfreunde. Bald bringt ihn nichts mehr aus dem Konzept, und er findet sogar Antworten auf die wichtigsten Fragen jedes Berlin-Touristen: Wenn man nicht über die Mauer konnte, warum sind die Leute nicht außenrum gegangen? War Berlin wirklich die Hauptstadt Russlands? Und wann war eigentlich Horst Tappert Bundespräsident?


    Inhalt: Geschichtsstudium fertig, jetzt kommt die Arbeit! Aber so richtig kann sich Tilman nicht damit abfinden, bis zur Rente den gleichen Job zu machen und in einer 40-Stunen-Woche zu versauern. Außerdem gibt es sowieso keine Arbeit für seine Qualifikation und den "Studentenlifestil" ist er auch noch nicht bereit aufzugeben. Eher ungewollt wird er Stadtbilderklärer auf den Ausflugsschiffen der Hauptstadt und kämpft fortan mit schrägen Touristen und typischen Berlinern.


    Meine Meinung: Tilman ist Poststudent der heutigen Generation: Zum Studieren nach Berlin, weil Berlin ja die hippe Stadt Deutschlands ist. Das Leben in der WG und die Partykultur genießend hat er sein Studium abgeschlossen und ist jetzt so planlos wie zuvor. Eigentlich passt der Beruf eines "Stadtbilderklärers" - "Stadtführer" geht namenstechnisch nicht aufgrund gewisser historischer Umstände - gut zu dem nun ehemaligen Geschichtsstudenten. Und als er nach wenigen Kapiteln endlich auf den Schiffen der Stadt angekommen ist, serviert er dem Leser schräge Geschichten aus einem Sommer, die vom "clash of culture" leben und in denen fast jede Tour beinahe individuell auf die Bedürfnisse der Kundschaft abgestimmt ist: Er verkauft ein paar betrunkenen Spaniers den Reichstag als Bierbrauerei; für eine Schulklasse reduziert er die Geschichte Berlins erfolgreich auf "zerstört und wiederaufgebaut" und muss sich auch mal als Nazi beschimpfen lassen, weil er sich verkatert als "Führer" deklariert.


    Das Buch ist in großen Teilen lediglich eine Aneinanderreihung von Kapiteln mit Anekdoten aus dem Leben eines Stadtbilderklärers, von denen es wirklich genug gibt. Sicher gibt es auch übergreifende Handlungsstränge vor allem in Form von Nebenfiguren. Da ist zum Beispiel der Kellner Klaus, der Tilman quasi in seinen Job einführt und auch mal in brenzligen Situation rettet, oder sein Kollege Michael, der als Berliner Urgestein allem Nichtberlinerischem skeptisch gegenüber steht. Die Bandbreite der Geschichten ist groß und reicht von unzufriedenen Senioren, über Singer-Clubs bis hin zu einem eskalierenden Abend mit einem echten Rockstar. Dabei wird vor allem mit Klischees gespielt, es wird absurd, aber zumeist doch höchst amüsant.


    Man muss Tilman auch nicht unbedingt sympathisch finden, wobei das Buch sowieso so oberflächlich bleibt und einen größeren Fokus auf Kundschaft und Begegnungen legt. Seine Lebenseinstellung bedient aber doch Klischeevorstellungen fauler Studenten und mag deshalb nicht jeden ansprechen. Irgendwo ist in den mal kürzeren, mal längeren Kapiteln doch die ein oder andere Erzählung für jeden dabei, bei der man mal herzhaft lachen oder ungläubig den Kopf schütteln muss. Und man mag auch das ein oder andere als geschmacklos empfinden - Stichwort: "Hitler hatte nur einen Hoden".


    Das ist letztlich seichte und unterhaltende Lektüre, die vermutlich am besten zur Geltung kommt, wenn man sich selbst gerade in der Rolle des Touristen befindet. Ob gerade in Berlin, ist wohl unwichtig, aber man mag sich auf Reisen vielleicht doch mit der ein oder anderen Figur vergleichen können. Ob das gut ist oder schlecht, muss dann jeder selbst entscheiden.

    "All we have to decide is what to do with the time that is given to us."