Stefanie Scheurich - Aussortiert

  • Deceptive City (Aussortiert) - Stefanie Scheurich


    Sternensand Verlag

    440 Seiten

    Dystopie

    Band 1

    Erscheint am 22. Juni


    Inhalt:


    Sicher. Sauber. Perfekt.

    Das ist die Stadt, in welcher die sechzehnjährige Thya ein sorgenfreies Leben hinter schützenden Mauern führt. Eltern können sich ihre Wunschkinder kreieren lassen, niemand wird je krank und alles läuft in geregelten Bahnen. Thya ahnt nicht, dass es außerhalb ihrer heilen Welt Menschen gibt, die täglich ums Überleben kämpfen müssen.

    So wie Mitchell, der nur einen einzigen Ausweg sieht, um seine kranke Mutter zu retten: Er muss in die Stadt schleichen und Antibiotika besorgen, sonst stirbt sie. Dass er dabei nicht nur sein Schicksal, sondern auch das von Thya verändert, scheint in einer Welt, in der alles perfekt geplant ist, ein Ding der Unmöglichkeit. Aber Menschen sind nicht perfekt. Sie machen Fehler.

    Und sie neigen dazu, andere den Preis dafür zahlen zu lassen.


    Meinung:


    Als ich gelesen habe, dass Stefanie Scheurich neben Fantasy auch Dystopie kann, war ich völlig aus dem Häuschen. Ich hatte schon seit längerer Zeit keine gute dystopische Geschichte mehr gelesen und dementsprechend neugierig war ich auf Mitchells und Thyas Story.


    Stellt euch zu Beginn also mal vor ihr lebt in einer Stadt in der alles perfekt ist.

    Es gibt geregelte Essenszeiten, kontrollierte Trainingseinheiten, euer Gesundheitszustand wird fast dauerhaft überwacht, alles ist sauber und ordentlich. Jeden Tag im Leben lernt ihr etwas dazu. Die Stadt ist euer Zuhause. Euer sicherer Hafen. Urlaub kennt und braucht man nicht. Und was außerhalb der Stadt passiert, interessiert niemanden. Manche wissen sogar nicht mal, dass dort draußen Leben existiert. Und dann PUFF, mit einem Schlag ist euer bisheriges Leben vorbei.


    Thya ist ein solches Stadtmädchen. Nach außen hin perfekt. Immer eine Rolle spielend, sich ins System einfügend, aber dennoch mit eigenen Ideen und Gefühlen. Was im Zyklus des Stadtlebens sehr gefährlich werden kann.

    Von Kindsbeinen an wurde ihr eingetrichtert niemals von der Norm abzuweichen. Bis ihr eines Tages ihr Körper einen Strich durch die Rechnung macht und sie ins medizinische Forschungszentrum gebracht wird.

    Eigentlich soll sie dort nur untersucht werden, damit alles schnell wieder seinen gewohnten Gang gehen kann.

    Doch die Begegnung mit Mitchell wird ihr Leben für immer verändern.


    Die Geschichte wird größtenteils aus zwei Perspektiven erzählt. Beide Male in meiner heiß geliebten Ich-Form, weil es die Charaktere einfach greifbarer für mich macht. In den Nebenparts spielen Susi und Theo eine Rolle, aber den Hauptanteil liest man aus Thyas und Mitchells Sicht. Der Schreibstil der Autorin verläuft flüssig.

    Im Sinne von: Man klebt förmlich am Buch, weil es so leicht von der Hand geht. Fr. Scheurich braucht kein großes Wordbuilding, um den Leser in den Bann zu ziehen. Sie steuert das viel eher über die Emotionen, die vor allem in Mitchells Part sehr intensiv und einnehmend wirkten.


    Mitchell ist für mich das typische „unzufriedener Arbeiter“ Klischee, das ich aus einigen anderen Dystopien kenne. Er arbeitet, um zu überleben und nicht, um sich einen angenehmen Lebensstil finanzieren zu können. Das ist für ihn, wie für viele außerhalb der Mauern, ein unerreichbarer Traum.

    Sein Freundeskreis ist klein, seine Freizeit noch kleiner. Die einzige Konstante in seinem Leben ist seine Mutter. Wen wundert es also, dass er alles in seiner Macht stehende tut, um ihr die nötige Medizin zu besorgen, damit sie ihm nicht wegstirbt? Auch, wenn er sich dabei selbst in Gefahr begibt - unwissend, dass er damit eine Kette von Ereignissen auslöst, über die er schnell die Kontrolle verlieren wird.


    Mitchell und Thya - zwei Charaktere, die unterschiedlicher nicht sein könnten, treffen im Laufe der Geschichte aufeinander.

    Der Eine selbstlos, die Andere oft nur auf sich selbst fokussiert.

    Ich muss an dieser Stelle gestehen - Mitchell mochte ich auf Anhieb und durchgängig. Bei Thya verschob sich meine Sympathie wie bei einer Achterbahnfahrt. Erschien sie mir in einem Moment stark, brach sie im nächsten zusammen wie ein kleines Kind, nur um dann wieder trotzig den Kopf zu heben. Ich denke, ich brauche bei sowas ebenfalls meine eigene Konstante.

    Und die war in diesem Fall Mitchell.


    Was soll ich sagen?

    Mir hat die Geschichte gefallen. Es ist ein guter Auftakt für eine Dystopie.

    Sie ist nicht temporeich, wie man das vielleicht gewohnt ist. Sie ist langsam und entwickelt sich stetig. Man begleitet die Protagonisten also gefühlt fast in „Echtzeit“ und durch den Perspektivwechsel erlangt man einen guten Überblick was beide Seiten der Mauer angeht.

    Emotional gesehen ist „Deceptive City“ für mich Schreibkunst auf ganz hohem Niveau. Die authentischen Gefühlswelten der Charaktere stehen für mich definitiv im Fokus. Man fiebert mit Mitchell mit, leidet mit Thya.

    Man flieht, hasst, hat Angst. Es werden Fragen aufgeworfen, wie das im Leben nun mal so ist.

    Wieso bin ich hier?

    Wie komme ich wieder weg?

    Kann ich ihm trauen?


    Die innere Konfliktwelt ist der Autorin wirklich großartig gelungen und das war es auch, was mich so an das Buch gefesselt hat. Die 440 Seiten sind wie im Flug vergangen. Aber nicht nur das hat mich magisch angezogen, auch das Setting fand ich super spannend gestaltet. Das Einzige, was mich ein bisschen gestört hat, war tatsächlich die fehlende Spannung.

    Es ist jetzt nicht so, dass es keine Action gibt. Keine „Halt die Luft an, bis es vorbei ist“ - Momente, nein. Die sind durchaus vorhanden. Dennoch kam mir der dystopische Kern der Geschichte manchmal ein bisschen zu kurz.

    Die Emotionalität der Story hat den Großteil der Spannung einfach überlagert. Hier hätte ich mir ein wenig mehr Ausgewogenheit gewünscht. Mehr Handeln, weniger Denken. Nichtsdestotrotz ein toller Auftakt.


    Fazit:


    Taucht mit Mitchell und Thya ein in die perfekte, unperfekte Welt im Stadtkern und jenseits der Mauer. Lasst euch von stark ausgeführten Emotionen lenken und die Geschichte hautnah erleben. Ein guter dystopischer Auftakt mit actionreichen Momenten, aber einem kleinen Mangel beim Spannungsaufbau.

    Die Geschichte bietet authentische Charaktere, von denen man unbedingt mehr erfahren möchte und Persönlichkeiten, die die Neugier schüren.


    „Wünsche und Träume haben diese nervige Angewohnheit, wie ein Kartenhaus einzustürzen, wenn sie in greifbare Nähe rücken.

    Vielleicht hätte ich mich nicht zu früh freuen dürfen.“

    (Pos. 1342 von 4466)


    Bewertung:


    ⭐️⭐️⭐️⭐️ (4/5)