Joan Aiken - Der Geist von Lamb House/The Haunting of Lamb House

  • Toby fühlt sich zeitlebens unerwünscht, zumal ihn seine Eltern spüren lassen, dass er mit seinem lahmen Bein ein nutzloser Krüppel ist. Trost findet er nur bei seiner heißgeliebten Schwester Alice, und als sie eines Tages das Elternhaus verlässt, ist er am Boden zerstört. Zuneigung erlebt er jetzt nur noch bei seinem Onkel, einem eingefleischten Junggesellen, und seinem neuen Freund Hugo. Doch selbst dem verschweigt er, dass Lamb House von einer wiederkehrenden Geistererscheinung heimgesucht wird, ein Geheimnis, das er zeitlebens hütet und nur seinem Tagebuch anvertraut.


    Jahrzehnte später zieht der Schriftsteller Henry James in das Haus ein und findet Tobys Aufzeichnungen, die ihn faszinieren. Auch sonst hat er immer wieder das Gefühl, als wolle ihm das alte Gemäuer etwas mitteilen, und erlebt merkwürdige Dinge.


    Und auch bei einem dritten Hausbewohner, dem der letzte Abschnitt des Buches gewidmet ist - E. F. Benson, ein weiterer Schriftsteller - häufen sich seltsame Vorkommnisse rund um das Haus, gerade so, als ginge immer noch der Geist um, den Toby damals gesehen hat.


    Das Spukhaus, in dem über Generationen hinweg ein Geist sein Unwesen treibt, ist eine schöne Idee und wird im ersten Abschnitt, in dem Toby im Mittelpunkt steht, auch gut umgesetzt, doch die anderen beiden Teile fallen dagegen sehr stark ab und wirken konstruiert, vor allem, was Namensgleichheiten und andere Ähnlichkeiten zwischen den Handlungssträngen angeht. Henry James' ewige Auseinandersetzungen mit seinem Bruder über die Qualität seiner Werke werden irgendwann sogar ziemlich langweilig.


    Dass sich das paranormale Element nie richtig aufklärt, hat mich ebenfalls genervt, zumal das Buch trotz ein paar gruseliger Anteile nicht wie ein Schauerroman, sondern eher wie eine Reihe von komplizierten Familiengeschichten liest.


    Von Aiken gibt es weitaus Besseres.

  • Von Aiken gibt es weitaus Besseres.

    Was denn? Ich gebe zu, dass ich vor etlichen Jahren zwei Bücher von Aiken gelesen habe - darunter das hier vorgestellte - und danach einen Bogen um die Autorin gemacht habe, weil mir beide Bücher nicht gefielen.
    Gibts noch Hoffnung für eine positive Erfahrung? Und wenn ja, womit? :scratch:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • "Fanny und Scylla" liebe ich sehr (hab ich auch schon mehrmals gelesen) und "Anderland".


    Meine "Einstiegsdroge" war vor langer Zeit "Der letzte Satz", hab ich zwei- oder dreimal aus der Schulbibliothek entliehen.


    Ich habe einiges von Aiken gelesen und mit wenigen Ausnahmen auch alles gemocht. Welche Titel kennst Du denn, Marie?

  • Ich habe das Buch auch gerade beendet und kann nicht so recht was damit anfangen.


    Die drei Teile des Buches sind durch Ähnlichkeiten der Familienstrukturen, durch Ähnlichkeiten der Protagonisten (körperliche Behinderungen und homoerotische Neigungen), durch die Berufe und auch durch Namensgleichheiten miteinander verbunden; letzteres fand ich sehr gewollt.

    Der Spuk ändert sich auch. Zunächst ist es nur eine Gestalt, die der Ich-Erzähler sieht, und dann werden dem Haus magische Kräfte zugeschrieben: es zieht die Bewohner an, es lebt, es droht, es rumort und schafft Unordnung und so fort. im zweiten Teil soll dann der Ich-Erzähler des ersten Teils die Spukgestalt sein - und im dritten Teil geht wohl einiges durcheinander: da ist es dann Henry James, der Bewohner des 2. Teils - also es ist etwas chaotisch.


    Dass sich das paranormale Element nie richtig aufklärt, hat mich ebenfalls genervt

    Ja, mich auch. Da werden im dritten Teil Seancen bemüht und auch ein Exorzist - und etwas Spannung kommt auf, weil die Seancen-Künstler und der Exorzist sofort abreisen wollen - aber die Spannung löst sich nicht, ich bin drauf reingefallen.

    Das Buch wirkt auf mich wie eine literarische Übung ohne einen zugrundeliegenden Plan, was das Ende angeht. Ich habe nichts gegen einen offenen Schluss, abe hier bleiben für mich zu viele Fäden locker in der Luft hängen.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • drawe: Du bringst es schön auf den Punkt, was auch mich gestört hat. Vor allem die Namensgleichheiten fand ich viel zu konstruiert.


    Wirklich schade, denn Joan Aiken kann es so viel besser.

  • Welche Titel kennst Du denn

    Etwas verspätet meine Antwort, denn ich musste im Katalog meiner Bücherei nachsehen. Mein zweiter Versuch mit der Autorin war dieses hier, eine Verwechslungsgeschichte.

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Ich habe zwei ihrer Austen-Nachfolge-Romane gelesen:

    "Emma Watson" und "Jane Fairfax".

    Es gelingt ihr gut, den Ton von Jane Austen zu treffen, sie spinnt die

    Geschichte dieser Figuren durchaus glaubwürdig weiter, und ich

    wurde als Leser angenehm und unverbindlich unterhalten.

    Das war's dann aber leider auch schon.

    :study: Edvard Hoem, Der Heumacher.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Marie: dann hast Du tatsächlich zwei erwischt, die ich auch nicht so mochte ("Du bist Ich" allerdings wesentlich lieber als "Der Geist von Lamb House" ). Falls Du Aiken irgendwann noch mal eine Chance geben willst - siehe oben meine Empfehlungen.