Janko Lauenberger & Juliane von Wedemeyer - Ede und Unku: Die wahre Geschichte

  • Das Büchlein Ede und Unku von Alex Wedding endete vor der Nazizeit. Im Mai 1933 wurde es von den Faschisten verbrannt und es gehörte damit zu den verbotenen Büchern.

    Janko Lauenberger, Ur-Cousin von Unku, hat die Geschichte der Familie weitererzählt. Ein gutes Fazit kann er zum Schluss des Buches leider nicht ziehen. Der Rassismus scheint heute "in Wellen über unser Land zu schwappen". In den 90er Jahren hat er das nicht so schlimm empfunden. Wer ihn da nach seiner Herkunft fragte, tat das aus Interesse. Heute erntet er oftmals "unfreundliche und bohrende" Blicke.

    In einem meiner Kommentare bei Ede und Unku schrieb ich, dass es in dem Buch weniger um Unkus Familie ging als vielmehr um den Klassenkampf der Arbeiter. Ansonsten, davon ist Janko Lauenberger überzeugt, wäre es nie in den Schulplan mit aufgenommen worden. So haben es seit den 50er Jahren Millionen Schüler gelesen.

    Nach mehr als dreißig Jahren erst erfuhr die Familie, dass es über sie ein Buch gibt. Und während es dort ein gutes Ende nimmt, war dies für Unku keinesfalls so. Sie, ihre beiden Töchter und ihre Mutter starben in Auschwitz. Nur der Vater überlebte. Das einzige was ihm von Unku blieb, sind die Bilder aus dem Büchlein.

    Dieses nun vorliegende Buch hat Janko Lauenberger geschrieben, weil er, nun selbst Vater geworden, nicht will, dass seine Kinder denselben Vorurteilen gegenüberstehen. Vorurteile, die bis heute bestehen. Laut einer Umfrage aus dem Jahre 2014 stoßen die Sinti und Roma auf mehr Ablehnung, als jede andere Gruppe. "20 Prozent der Befragten würden uns nicht einmal zum Nachbarn haben wollen. Wenn ich so etwas höre, muss ich schon aus Verzweiflung etwas tun." - Wer sind wir, dass wir uns so dermaßen über andere Menschen erheben.

    Mit zwölf Jahren, als sich Unku taufen lässt, erfährt sie schon eine Spur von Rassismus von ihrer Patin Frieda Zeller-Plinzner. Zu dieser Zeit ist Grete Weiskopfs Buch schon verboten und sie selbst mit ihrem Mann im Exil.

    Im Juli 1936, zwei Wochen vor den Olympischen Spielen, werden die Berliner Wagenplätze geräumt. Angeblich wegen der Hygiene. Nun stehen sie zwischen den Rieselfeldern der Berliner, direkt an den Bahnschienen. Dort gibt es für alle nur zwei Toilettenanlagen und regelmäßig kommen LKWs mit Jauche, die hier entsorgt wird.
    Im August 1938, Unku ist mittlerweile mit Mucki verheiratet, bringt sie ihr erstes Kind zur Welt, eine Tochter. Mucki, gefangen in Buchenwald, erfährt erst einen Monat später, dass er Vater geworden ist und er wird seine Tochter nie im Arm halten.

    1. September 1939 - der Zweite Weltkrieg hat begonnen. Unku, die mittlerweile mit ihrer Gruppe in Magdeburg lebt, muss ein Papier unterschreiben. Kein Sinto, kein Rom darf Magdeburg verlassen. Sie dürfen nicht mehr reisen. Ihr wird übel.

    Unku wird Zwangsarbeiterin in der Sack- und Planfabrik "Curt Röhrich". Die Firma stellt auch "Zelte für General Erwin Rommels Afrikafeldzug her, dessen Truppen in der libyschen Wüste gerade gegen die Briten kämpfen. Und in ihrem anderen Betrieb in der Hennigestraße Uniformen".
    1941 geschieht etwas, dass Unkus Geheimnis bleiben soll, neun Monate später bringt sie ihre zweite Tochter Bärbel zur Welt.
    Mucki stirbt, ohne dass er seine Familie noch einmal gesehen hat, an den medizinischen Versuchen, die ihm in Buchenwald angetan wurden.

    Am 1. März 1943 werden Unku, ihre Töchter und alle anderen ihrer Gruppe mitten in der Nacht abgeholt und in geschlossene Güterwagen verfrachtet.

    Ich hoffe, ich konnte euch ein wenig neugierig machen auf Unkus wahre Geschichte. Und auch auf den Autor Janko Lauenberger, der hier auch aus seiner Kindheit erzählt, die er in der DDR zubrachte.

    Denn ich, ohne Bücher, bin nicht ich. - Christa Wolf


    2022 - 64

    2023 - 84 von 80 - geschafft :)

  • Mario

    Hat den Titel des Themas von „Janko Lauenberger mit Juliane von Wedemeyer: Ede und Unku - die wahre Geschichte - Das Schicksal einer Sinti-Familie von der Weimarer Republik bis heute“ zu „Janko Lauenberger & Juliane von Wedemeyer - Ede und Unku: Die wahre Geschichte“ geändert.
  • Ede und Unku – Die wahre Geschichte

    Autoren: Janko Lauenberger, Juliane von Wedemeyer

    Verlag: Güthersloher (26.02.2018)

    ISBN-10: 3579086944

    Seiten: 240


    Inhalt

    Das Buch “Ede und Unku” war in der DDR Schullektüre. In dem Buch geht es um das Sinti-Mädchen Unku und den Arbeiterjungen Ede, die sich in den 30er Jahren befreundet haben. Doch fast niemand weiß, dass Unku in Auschwitz ermordet wurde.


    Der Autor Janko Lauenberger ist ein Urgroßcousin von Unku und erzählt in diesem Buch die wahre Geschichte.

    Er erzählt von dem abscheulichen Mord der Nazis an Sinti und Roma, die noch weniger wert waren als Juden. Wie sind einem Lager in Brandenburg zusammen getrieben wurden und dort so lange bleiben „durften“, wie sie als Arbeitskräfte gebraucht wurden. Wie sie nach Auschwitz kamen und sich dort ihr Lager, ihre Barken selber bauen mussten. Wie der Lagerarzt Erwin Ding-Schulter die Sinti und Roma als Versuchspersonen nutze, für seine Fleckenfieber-Impftests.


    Janko Lauenberger erzählt abwechselnd auch von seinem eigenen Leben in der DDR. Wie er von seinen Mitschülern schlimm beschimpft und attackiert wurde. Und als er sich wehrte, kurzerhand in ein Kinderheim kam.

    Meine Meinung

    Bisher wusste ich nicht viel über Sinti und Roma. Ich kenne auch das Buch „Ede und Unku“ nicht.

    Es war sehr interessant, einen Einblick in die Kultur der Sinti zu bekommen. So haben sie einen deutschen Namen, für die Behörden, und einen Sinti Namen. Unku hieß mit deutschem Namen z.B. Erna Lauenburger. Sie sprechen untereinander nur Romanes und diese Sprache ist nirgendwo schriftlich festgehalten, was so gewünscht ist.


    Wie sie in der Nazi-Zeit behandelt wurden und was sie erleiden mussten, ist schrecklich.


    Und seit dem 3.Januar.1936 ist sie [Unku] auch »minderwertig und artfremd«. So hat es Reichsminister Wilhelm Frick an diesem Tag verfügt: »Zu den artfremden Rassen gehören alle anderen Rassen, das sind in Europa außer den Juden regelmäßig nur die Zigeuner.« Nun ist es amtlich: Sinti und Roma sind keine deutschen Reichsbürger mehr. Für sie und die Juden gelten die neuen Nürnberger Gesetze, mit denen die Regierung das »Blut der Deutschen schützen« und ihre »deutsche Nation für alle Zukunft sichern« will.„


    Sie werden von der „Rassenhygienischen Forschungsstelle“ erfasst, manche Sintis müssen ins Krankenhaus und werden dort zwangssterilisiert.


    Das alles ist unsagbar schrecklich, keine Frage. Und doch hat mich dem Autor seine Geschichte mehr berührt. Er ist fast so alt wie ich, also auch in den 80zigern in die Schule gegangen. Ich musste die ganze Zeit daran denken, was er, parallel zu meiner Schulzeit, erleiden musste.

    So was wie dich hätte mein Großvater vergast!“ bekommt er von seinen Mitschülern gesagt.

    Lauenberger mag da Wort Zigeuner nicht. „Ich mag das Wort nicht, Menschen verändern sich, sobald sie wissen, dass ich einer bin.“


    Äußerst irritiert hat mich, dass er in der Schule übelst wegen seiner Hautfarbe beschimpft wurde und immer noch, wenn er als Musiker auf der Bühne steht, angesprochen wird, wo er denn her kommt. (Video). Denn ich käme nicht auf die Idee, dass er woanders her kommt.

    Da merke ich, wie dankbar ich bin, auf eine Schule gegangen zu sein, die uns schon in der 5. Klasse beigebracht hat, dass es Sinti und Roma gibt und in einer Stadt lebe, in der 47% einen Migrationshintergrund haben.


    Ich finde es äußerst furchtbar, dass es immer noch Menschen gibt, die Zigeuner sagen, die andere Menschen auf ihre Haut- und Haarfarbe reduzieren


    „Trotzdem gibt es Momente, in denen ich mich fremd fühle. Es kommt sogar vor, dass ich so etwas sage wie: „Ich als Ausländer“ oder „Ihr Deutschen“. Ich glaube, das liegt daran, dass ich immer wieder Menschen treffe, für die wir eben nicht dazu gehören. Im besten Fall geben solche Leute einem das Gefühl, freundlich geduldet zu sein, sofern man sich anpasst. Nach dem Motto: Wenn ihr nicht auffallt, dann kommen wir schon gemeinsam klar … Aber ich möchte nicht geduldet sein. Sinti und Roma leben seit 600 Jahren hier. Ich bin ein teil dieses Landes. Niemand hat das Recht, mich zu dulden.“

    Fazit

    Ein sehr, sehr wichtiges Buch über eine Gemeinschaft, die es seit 600 Jahren in Deutschland gibt. Die zu Deutschland gehört und zu unsere Geschichte. Es wird Zeit, dass wir das sehen und anerkennen.


    5 ♥ ♥ ♥ ♥ ♥