Allein unter Juden
Eine Entdeckungsreise durch Israel
Autor: Tuvia Tenenbom
Übersetzer: Michael Adrian
Erzähler: Stefan Krause
MP3 CD: 16 Std und 2 Min Verlag: John Verlag (1. Juli 2015)*
Seiten: 473 Verlag: Suhrkamp Verlag; Auflage: 1 (11. Juli 2016)
Sprache: Deutsch
CD-ISBN-10: 3942057700
Buch-ISBN-10: 3518466844
Das Buch hat mich tief verstört.
Tuvia Tenenbom, in Israel geboren und Sohn eines Rabbiners, lebt seit über 35 Jahren in Amerika. Für dieses Buch zieht er für ein halbes Jahr nach Israel. Er fährt quer durch das Land. Vom Gazastreifen bis zu den Golanhöhen, von Eilat bis zu den Hisbollah-Stellungen im Norden. Er spricht mit Juden und mit Palästinensern, mit Ultraorthodoxen und Atheisten, mit Fundamentalisten auf beiden Seiten. Er redet mit Prominten, Politikern, dem Militär und NGO-Aktivisten (NGO = Nicht Regierungsorganisationen).
Dabei gibt er sich überwiegend als Tobi der Deutsche aus. Manchmal auch als Abu Ali, der Araber. Tenenbom spricht so wohl Hebräisch, als auch Arabisch. So kann er mit Menschen reden, die nie mit ihm gesprochen hätten, wenn sie gewusst hätten, dass er Jude ist. Schlimmer noch, sein Leben wäre bedroht gewesen.
Dabei entsteht im Laufe des Buches ein Bild, dass mich sehr erschreckt und verstört hat.
Zu Anfang ist das Buch noch etwas flappsig geschrieben, sein Ton oft ironisch. Mir fiel es nicht so leicht, reinzukommen, auch weil ich nicht immer alles verstanden habe.
Doch schon von Anfang an war deutlich: Was für ein Hass in der Region. Das wäre für sich genommen schon schlimm genug. Aber es wurde im Laufe der Hörzeit immer deutlicher: Die EU mischt da ordentlich mit, ganz vorne weg die Deutschen. Und zwar nicht auf Seiten der jüdischen Israelis.
Da werden Nachrichten zu Gunsten der Palästinensern gefakt und Diplomaten haben dabei ihre Hand im Spiel. Die BBC bringt Falschmeldungen - ob nun bewusst oder weil sie einfach alles glauben, was die Palästinensern sagen, weiß ich nicht.
Die EU finanziert Bildungsurlaube für europäische Jugendliche und engagieren dabei auf Seiten der Israelis "Ex-Juden". Juden, die sich völlig gegen ihre Landsleute stelle. Von denen wird sogar der Holocaust bagatellisiert oder gar ganz geleugnet!!
So nimmt Tenenbom zB mit europäischen Jugendlichen an einer Führung im Museum für die Geschichte des Holocaust teil. Der von der EU finanzierte Führer sagt:"Heute werden Afrikaner von den Juden ins KZ gesteckt." Und meint damit illegale Einwandere.
Oder "Mit dem Beginn der Verluste 1942 setzte die sogenannte Judenvernichtung ein. Was ihr hier in Yad Vashems seht, ist alles aus der Perspektive der jüdischen Opfer dargestellt. Schließlich ist das hier ein jüdisches Museum. Aber das hier, zwischen Nazis und Juden, passiert auch heute. In Palästina."
Überhaupt begegnet Tenenbom vielen judenhassenden Juden.
Mir wird schlecht, wenn ich denke, das dies vermutlich die Nachwirkungen des kollektiven Traumas sind. Ich kann es mir jedenfalls nicht anders erklären, als das es wie bei Kindern ist, die sich für schlecht halten, wenn ihre Eltern es ihnen immer wieder einreden, wie schlimm sie doch wären.
Von den Palästinensern und den NGOs wird Israel schlimmer dargestellt als Nordkorea. Sie beschuldigen Israel der Apartheid, vergleichen sie mit Nazi-Deutschland. Sagen, Hitler hätte von den Juden lernen können.
Die NGOs behaupten, Israel würde Dörfer zerstören und ziehen dafür sogar vor das israelische Gericht. Tenenbom entdeckt unterdessen, dass in diesem Dorf niemand je gewohnt hat, außer Schafen.
Irgendwann sagt Tenenbom, man muss kein Genie sein, um zu kapieren, was hier passiert. Und ich dachte nur: "Oh Gott, ich kapier nicht, was passiert. Warum machen die NGOs so Sachen? Klär mich doch mal bitte einer auf!"
Denn ich war noch nicht bereit. War noch nicht bereit zu sehen, dass es nur eine mögliche Erklärung gibt: Antisemitismus.
Es dauerte noch viele weitere schreckliche Beispiele, bis ich verstand: Ich habe nichts missverstanden.
Während ich das schreibe, ist mir schlecht. Es macht mich wirklich fassungslos.
Ich habe das Hörbuch immer abends gehört und es ließ mich jeden Abend schlaflos zurück, erschüttert von diesem ganzen Hass.
Wie kann es sein, dass deutsche Journalisten nicht sehen, was da vor sich geht?
Die Antwort liegt klar auf der Hand: Sie wollen es nicht sehen. Tenenbom eckte oft an, wenn er nachfragte. Den man war es nicht gewohnt, dass deutsche Journalisten nachfragen.
Tenenbom provoziert. Er macht sich über die eine, wie die andere Religion auch mal lustig, ist nicht immer politsch korrekt. Reißt auch mal Witze über Frauen. Das alles ist nichtig, wenn man sich die tiefere Bedeutung dieses Buches bewusst macht.
Der Sprecher liest sehr überzeugend. Als am Ende des Hörbuches gesagt wurde: "Gelesen hat Stefan Krause" war ich total irritiert.
Wie, Stefan Krause? Das war doch Tuvia Tenenbom. ^^
Fazit:
Kein leichtes, aber ein extrem wichtiges Buch.
Das, was Tuvia Tenenbom herausgefunden hat, sollte die Welt wissen.
Tenenbom:
"Als ich meine Reise begann, war Gelächter mein stäniger Begleitert, jetzt, da ich sie beende, kommt mir eine Träne."
Der Autor:
Tuvia Tenenbom wurde in Israel geboren und wuchst dort in einer ultra-orthodoxen, antizionistischen Familie auf, die damals im elitärsten, ultra-orthodoxen Umfeld auf.
Sein einer Großvater wurde von den Nazis vergast, seine Mutter war eine Holocaust-Überlebende. Auf Seitens seines Vaters überlebte nur sein Vater und Großvater.
Er stammt aus einer Dynastie europäischer Rabbiner und auch er sollte ein Rabbiner werden. Das wollte er am Anfang auch, doch dann entschied er sich anders und zog 1981 nach Amerika. "Er studierte u. a. englische Literatur, angewandte Theaterwissenschaften, Mathematik und Computerwissenschaften sowie rabbinische Studien und Islamwissenschaften. Er arbeitet als Journalist, Essayist und Dramatiker und schreibt für zahlreiche Zeitungen in den USA, Europa und Israel, darunter für Die Zeit. 1994 gründete er das Jewish Theater of New York." (Zitat:Shurkamp)