Vivian Dittmar - Der emotionale Rucksack

  • Kurzmeinung

    Yvonne80
    Sehr guter Ratgeber, sowohl für Einsteiger in die Thematik, als auch für Menschen, die sich schon damit befasst haben.
  • Klappentext:


    Der emotionale Rucksack – das sind die schwierigen, unaufgearbeiteten Gefühle aus der Vergangenheit, die jeder mit sich herumschleppt: Angst, Wut, Trauer, Schmerz und andere mehr. Sie belasten uns im Alltag, in der Beziehung und im Job, indem sie zu emotionalen Überreaktionen führen und so selbst harmlose Situationen eskalieren lassen. Vivian Dittmar, bekannte Referentin und Seminarleiterin, stellt einen neuen, heilsamen Umgang mit dem emotionalen Rucksack vor. Sie zeigt, wie wir ihn kontrolliert und bewusst entladen können, sodass wir endlich freier und mit weniger Ballast durchs Leben gehen, ohne bei jeder Kleinigkeit aus der Haut zu fahren. So wird es sogar in emotionalen Ausnahmezuständen möglich, mit uns und anderen gelassener umzugehen.


    Meine Meinung:

    Vieles von dem, was die Autorin ausführt deckt sich mit meinen eigenen Erfahrungen, so dass ich mich sehr gut auf das Buch einlassen konnte. Vivian Dittmar hat einen leichten, verständlichen Schreibstil, so dass auch Anfänger auf diesem Gebiet sich gut in das Thema einlesen können. Aber auch Menschen, die sich bereits damit angefangen haben auseinander zu setzen werden neue Erkenntnisse oder Aha-Effekte haben. Es schadet nichts, sich einige Dinge immer mal wieder vor Augen zu führen.


    Zunächst geht es darum, deutlich zu machen, dass jeder von uns einen mehr oder weniger schwergewichtigen emotionalen Rucksack mit sich herumträgt. Das ist grundsätzlich erst einmal nichts Schlechtes. Schlecht wird es, wenn die in diesem Rucksack verpackten Emotionen uns in völlig unerwarteten Situationen überrollen. Wir reagieren dann nicht mehr als Erwachsene, sondern mit einem Anteil in uns, der in dieser Situation getriggert wird und völlig überfordert ist. Kennt sicher jeder, dass er mal völlig unangemessen reagiert und sich hinterher wundert, woher diese Reaktion nun kam.


    Mit kleinen Übungen nimmt die Autorin den Leser mit auf die Reise zum eigenen emotionalen Rucksack, um zu ergründen, was bei einem selbst alles so darin abgelegt ist.


    Fühlen ist in unserer Gesellschaft eine verkümmerte Funktion. Sie ist so verkümmert, dass viele Menschen sie weitgehend verlernt haben. […] Das geht so weit, dass er zu fühlen glaubt, wenn er eigentlich denkt.” (S. 131/132) – Wie wahr! Genau das ist es nämlich. Wir verlernen unsere Gefühle auch tatsächlich zu fühlen. Es ist nicht “in” Gefühle zu zeigen. Freude mag ja gerade noch angebracht sein, aber Trauer, Wut, Enttäuschung will doch niemand sehen, schon gar nicht im beruflichen Umfeld. Man lernt sehr schnell, diese Gefühle fest zu verpacken und bloß nicht zu zeigen.


    Womit ich nicht so gut klar gekommen bin ist der Ausdruck “emotionale Entladung“. Ich habe verstanden, was die Autorin damit meint und wie das Prinzip dahinter ist. Dennoch komme ich nicht davon weg, dass “Entladung” für mich etwas mit unkontrolliert zu tun hat und das ist es genau nicht. Es ist kein unkontrolliertes Explodieren oder so ist gemeint. Das Prinzip ist für mich nachvollziehbar, aber die Begrifflichkeit schreckt mich ab.


    Von mir gibt es 5 Sterne. Wer sich mit dem Thema “Emotionen und Gefühle” auseinandersetzen möchte wird hier einen guten Einstieg in das Thema finden.

    Gruß
    Yvonne

    Nicht die haben die Bücher recht lieb, welche sie unberührt in den Schränken aufheben, sondern, die sie Tag und Nacht in den Händen haben, und daher beschmutzet sind, welche Eselsohren darein machen, sie abnutzen und mit Anmerkungen bedecken.
    (Erasmus von Rotterdam)

  • Sachbuch mit Eigenheiten




    Mir hat das Buch eigentlich recht gut gefallen. Es hat auf jeden Fall gehalten, was die Leseprobe versprochen hat – griffig und anwendbar zu sein. Dennoch möchte ich nicht über eine mittlere Bewertung hinausgehen.


    Doch von vorn. Wie mir schon in der Leseprobe aufgefallen war, ist das Buch in sehr eingängiger Sprache gehalten. Die Autorin verwendet Bilder und Metaphern, die jeder versteht. Auf Fachchinesisch wird weitestgehend verzichtet. Das Buch richtet sich eindeutig an Anwender, nicht an Rezensenten. Das wird auch durch die Verwendung von Beispielen aus dem Lebensalltag der Autorin oder ihr bekannter Personen deutlich.


    Den Aufbau finde ich auch recht schlüssig. Teil Eins, „Emotionales Gepäck“, macht den Leser mit der Funktionsweise der menschlichen Psyche vertraut – so wie die Autorin es sieht und beschreibt. Besonders hier werden viele griffige Bilder verwendet; das Konzept des „Rucksacks“ wird eingeführt und erläutert. Besonders nett fand ich die Erläuterung, mancher habe einen „Trekking-Rucksack“ wie für eine Polarexpedition, mancher eher eine Handtasche…! Auch werden dem Leser eventuelle Schuldgefühle genommen. Einen Rucksack zu haben, ist normal, und hat eine Funktion. Leicht missverständlich ist vielleicht nur der Begriff des „emotionalen Schließmuskels“.


    Teil Zwei, „Ein bewusster Umgang“, erläutert nun die Technik, die die Autorin im Umgang mit besagten Rucksäcken entwickelt hat. Oder besser gesagt, die sie anwendet, und als „ihre Methode“ verkauft (doch dazu gleich mehr). Die Technik der „bewussten Entladung“ ist schon recht eigen; auch das „Halten von Räumen“ für einen Gesprächspartner wird sicher so manchem Leser nicht unmittelbar einleuchten. Deutlich wird in diesem Abschnitt vor allem eins: dass wir andere Menschen brauchen, um uns weiterzuentwickeln, und dass wir um seelischen Schmerz bei der Heilung unserer Wunden leider nicht herumkommen.


    Teil Drei, „Emotionale Hygiene“, behandelt eher gesamtgesellschaftliche Themen. Wie alles wäre, würde die Technik der „bewussten Entladung“ flächendeckend angewendet. Wie wichtig es wäre, sich seiner Emotionen (und der unheilvollen Kettenreaktionen, die diese hervorrufen) bewusst zu werden. Die Autorin nennt dies „emotionale Hygiene“, und verwendet griffige Vergleiche zum Händewaschen oder Zähneputzen. In diesem Abschnitt würde ich schon einen Stern abziehen, da sich manches wiederholt. Auch hat mich die Tendenz der Autorin ein wenig genervt, immer wieder zu sagen, „das habe ich schon erwähnt, möchte es aber noch einmal aufgreifen“. Ich finde, hier wird manches aufgebauscht, was sich kürzer hätte sagen lassen.


    Nun zu meiner Kritik insgesamt. Hier fließen für mich zwei Aspekte ineinander. Die Technik, die in diesem Buch vorgestellt wird, ist eben nicht (!) neu, nicht das alleinige Produkt der Autorin. Sie hat es umformuliert, und einen eigenen Anstrich gegeben. Im Wesentlichen ist das, was sie hier beschreibt, schlicht eine Wiedergabe der buddhistischen Sicht menschlicher Kommunikation. Achtsamkeit, liebende Güte, Hinwendung im Dialog, „die Lücke finden“ im emotionalen Karussell – das alles kennt man aus diversen Werken buddhistischer Meister. (Vielleicht daher kein Wunder, dass das Buch im „Kailash“-Verlag erschienen ist – der Kailash ist der heilige Berg der Tibeter).


    Zweitens ist mir das Buch zu unwissenschaftlich – es gibt noch nicht einmal ein Literaturverzeichnis! Es gibt zwar Anmerkungen auf Quellen, aber die beziehen sich nur auf einige wenige Fußnoten. Keine einzige Studie, keine Monographie wird aufgeführt! Das finde ich besonders dreist, da sie im laufenden Text immer mal wieder Vorbilder wie Ken Wilber oder Daniel Goleman erwähnt – ohne sie in ein Literaturverzeichnis aufzunehmen! Extrem aufgefallen ist mir das im Teil, der sich mit der Ausführung der „bewussten Entladung“ befasst. Wie man mit emotional aktivierten Menschen umgeht – da fanden sich Formulierungen, die kenne ich 1:1 aus der „Gewaltfreien Kommunikation“ nach Marshall Rosenberg, oder aus der „Validation“ nach Naomi Feil! Aber eben nicht von Vivian Dittmar.


    Drittens, und das wurmt mich besonders… ich erfahre nichts, aber auch gar nichts über Vivian Dittmar. Welche Ausbildung hat sie? Hat sie studiert? Ist sie Ärztin, Psychologin, Journalistin?? Sogar auf ihrer eigenen Website steht nichts (!) dazu. Nur, sie habe Weltreisen gemacht, und danach Seminare geleitet und Bücher geschrieben. Sorry, das ist mir zu wenig. Hingegen macht sie im laufenden Text sehr wohl Werbung für ihre eigenen, anderen Bücher. Das vermittelt mir keinen guten Eindruck, und wirkt auf mich leicht unseriös.


    Insofern würde ich sagen, es handelt sich nur halb um ein Sachbuch – eine sachliche, aber sehr persönlich gefärbte Auflistung einer Strategie, die aus anderen Quellen zusammengewürfelt worden ist. Ich scheine mir hier zu widersprechen, dass das Buch an Anwender gerichtet ist, nicht an Rezensenten – aber auch Anwender haben ein Recht darauf, zu erfahren, woher etwas stammt, und woher man weitere Informationen bekommt. Sicher mag die Autorin damit in ihren eigenen Seminaren Erfolg haben; und sicher ist dieses Buch an sich recht gut lesbar. Aber meinen Ansprüchen an „echte Sachbücher“ hat sie damit nicht ganz genügt.



    Meine Wertung: 3/5

    "Ein Mensch, der Ideale hat/
    Der hüte sich, sie zu erreichen!/
    Sonst wird er eines Tags anstatt/
    Sich selber andern Menschen gleichen."
    (Erich Kästner) :):)

  • Besonders viel konnte ich mir unter dem Titel nicht vorstellen, dachte aber, vielleicht wird es ganz interessant. Wer geht schon so problemlos durchs Leben, dass er nicht ein bisschen Unterstützung bei emotionalem Gepäck brauchen könnte.


    Ein leicht umzusetzender Ratgeber ist es für mich dann tatsächlich nicht geworden. Die Autorin arbeitet häufig mit Bildern und bestimmten Situationen, die sie immer wieder aufgreift um Sachverhalte deutlich zu machen. Das gelingt ihr eigentlich recht gut, trotzdem fand ich es mit fortschreitendem Lesen schwieriger und bisweilen anstrengend ihren Ausführungen zu folgen. Sie gibt schon gewisse Anleitungen, die mir persönlich aber meist nicht ausgereicht haben. Irgendwie zu unbestimmt – vielleicht liegt es aber auch an der Schwierigkeit, so etwas schriftlich darzustellen. Ich könnte mir vorstellen, im persönlichen Gespräch bzw. in einem Workshop klappt das besser.


    Gerade mit den Übungen hatte ich Schwierigkeiten. Begrifflichkeiten wie z.B. „der inneren Zündschnur folgen“ , „Emotionen sprechen lassen“ oder „die bewusste Entladung“ werden ausführlich erklärt, aber ich bekam trotz aufrichtigen Bemühens keinen Zugang, auch nicht mit den entsprechenden Übungen dazu. Dass Zuwendung und Anteilnahme wichtig sind, steht auch für mich außer Frage, doch mit dem detaillierten Zerpflücken und der „Verwissenschaftlichung“ habe ich meine Probleme.


    Trotzdem fand ich es insgesamt in Ordnung. Für ein Sachbuch lässt es sich angenehm und flüssig lesen. Die Autorin stellt ihr Anliegen ausführlich dar und bringt auch mögliche Schwierigkeiten und Hindernisse zur Sprache was „Erkenntnis“ und Umsetzung angeht. Ich konnte einige interessante Informationen für mich mitnehmen, aber ein Handbuch für meine „emotionale Hygiene“ wird es nicht werden.


    Das Cover gefällt mir, sachlich-neutral und unspektakulär, passend für ein Sachbuch.