Alexander Pechmann - Sieben Lichter

  • Kurzmeinung

    Jean van der Vlugt
    Ein sehr reichhaltiges Buch über d. Zweifel als Ausdruck des Menschseins, über Glaube, Misstrauen, Schuld, Gerechtigkeit
  • In der kleinen Hafenstadt Cove liegt 1823 die "Mary Russell" vor Anker. Sie ist kein gewöhnliches Schiff, sondern Gegenstand einer Ermittlung und heißer Spekulation: in der Kajüte befinden sich die Leichen von sieben brutal erschlagenen Männern, der Kapitän ist verschollen. Dem Forscher und Prediger William Scoresby und seinem Schwager fällt die Aufgabe zu, die wenigen Überlebenden zu befragen und sich anhand der Zeugenaussagen ein Bild zu machen, warum und vor allem durch wen die sieben Seeleute zu Tode gekommen sind.


    Nach und nach setzt sich aus den zunächst teils widersprüchlich erscheinenden Augenzeugenberichten ein plausibles Bild zusammen, das die meisten Fragen beantwortet, dem Theologen Scoresby aber in ganz anderer Hinsicht Rätsel aufgibt.


    Alexander Pechmann trifft in diesem modernen Roman ausgezeichnet den Erzählton eines im positiven Sinne altmodischen Seefahrtsabenteuers (auch wenn die "Mary Russell" höchstens in Rückblenden tatsächlich auf See ist) und vermag sich auch hervorragend in die Denkweise jener Zeit hineinzuversetzen, in der etwa dem vermeintlichen Willen Gottes noch eine ganz andere Bedeutung zugemessen wurde, ohne aber in verquaste Philosophiererei zu verfallen.


    Mit 161 Seiten ist das Buch nämlich von der schmalen Sorte und schön kompakt gebaut. Zwar spielt sich ein Großteil der Handlung nicht "live" ab, sondern wird in Form mündlicher Augenzeugenberichte serviert, doch dadurch sind wir sofort mitten in den Nachforschungen und können gemeinsam mit den beiden "Ermittlern" trefflich spekulieren, was wirklich passiert sein könnte. Das Ganze kommt eher als psychologische Studie denn als Krimi daher, was dem Spannungsgehalt aber überhaupt keinen Abbruch tut und auch nicht bedeutet, dass es ein Buch für Zartbesaitete ist - die Beschreibungen von Tatort und -hergang haben es durchaus in sich.


    Ein sehr schöner kleiner Roman für Liebhaber von Segelschiffen, Meutereien und Seebären mit dem zusätzlichen Plus, dass er auf einer wahren Begebenheit beruht. (Das Buch von Scoresby, das im Roman über den Fall verfasst, existiert tatsächlich, gilt aber im Gegensatz zu diesem hier aufgrund zahlreicher theologischer Exkurse als ziemlich unlesbar :lol: ).

  • Ich habe dieses Buch heute beendet und weiß nicht so recht, was ich davon halten soll.

    Es ist von der Thematik gesehen interessant, weil es sich hier um einen Roman zu einem realen historischen Fall handelt. Zu Beginn hatte ich gewisse Probleme, die Aussagen der verschiedenen Seeleute, bzw. deren Persönlichkeiten auseinanderzuhalten. Im Laufe der Zeit kristallisierte sich dann besser heraus, was an Bord wohl vorgefallen war. Ich habe aber irgendwie ein Aha-Erlebnis vermisst. Mit der Hauptfigur Scoresby (Schwager des Erzählers) konnte ich nichts anfangen. Warum hat er sich so in den Fall verbissen, statt sich um seine reguläre Arbeit und um seine frisch angetraute Ehefrau zu kümmern?:-k

    Vom Sprachstil hat der kurze Roman mir gut gefallen, die Sprache des Ich-Erzählers wirkt authentisch.

    :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertungHalb:

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ich hab's leider schon wieder vergessen, aber hatte Scoresby nicht irgendeinen offiziellen Auftrag, die Überlebenden zu befragen?

  • Ich hab's leider schon wieder vergessen, aber hatte Scoresby nicht irgendeinen offiziellen Auftrag, die Überlebenden zu befragen?

    Ja, das ist möglich, aber er hat sich ja total in diesen Fall verbissen und wollte auch ein paar Jahre später keine Ruhe geben.

    Anstelle des Schwagers (Ich-Erzähler) hätte es mir im Übrigen gar nicht gefallen, dass Scoresby ständig mit anderer Menschen Angelegenheiten beschäftigt war und seine Frau Elizabeth so vernachlässigte.

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998

  • Ja, die Ehefrau tat mir auch leid.


    Dass es manche Fälle gibt, die den Ermittler extrem beschäftigten und nicht loslassen, finde ich allerdings gar nicht mal so weit hergeholt. (Aber natürlich sehr anstrengend für dessen Umfeld.)

  • Das Buch von Scoresby, das im Roman über den Fall verfasst, existiert tatsächlich, gilt aber im Gegensatz zu diesem hier aufgrund zahlreicher theologischer Exkurse als ziemlich unlesbar

    Das wäre dann das unten verlinkte Buch, falls sich doch jemand herantrauen möchte :wink:

    Ich habe dieses Buch heute beendet und weiß nicht so recht, was ich davon halten soll.

    Mir ging es direkt nach dem Lesen genauso. Die Atmosphäre auf dem Schiff, die Befragungen, wissend, dass es sich auch um einen wahren Fall handelt - das gefiel mir sehr! Allerdings hatte ich ebenfalls auf den Aha-Effekt gewartet, auf eine befriedigende Auflösung, nun ja, eine eindeutige Auflösung des Kriminalfalls.

    Jetzt, nach ein paar Tagen des "Sacken lassens" und grübeln, gefällt mir das Ende doch recht gut. Scoresbys Überlegungen, und auch seine Besessenheit über all die Jahre hinweg, empfand ich gar nicht sie abwegig. Klar, schade ums Familienleben, aber aber für den Forscher und Prediger blieb dieser Vorfall ein grosses Rätsel, das ihn in seinem Glauben stark beschäftigte - und seinen Gedanken zu folgen, war schliesslich ebenso spannend wie die vorherigen Ermittlungen.


    Alexander Pechmann übersetzte und editierte englische und amerikanischer Literatur des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, bspw Mary Shelley, Sheridan Le Fanu und Robert Louis Stevenson. Und ein wenig in diese Zeit und Atmosphäre dieser Literatur fühlte ich mich beim Lesen versetzt - und prima unterhalten.