John Boyne - Cyril Avery / The Heart's Invisible Furies

  • Marie : witzig, dass es Dir genauso ging mit dem Irving-Vergleich. Am Anfang war ich von den Überzeichnungen teilweise echt genervt und auch ein bisschen enttäuscht, weil ich ja weiß, wie gut Boyne zu schreiben versteht und dass er das eigentlich nicht gebraucht hätte, aber als mir Irving einfiel, war alles gut :wink:

  • Autor: John Boyne

    Titel: Cyril Avery

    Seiten:
    ISBN:

    Verlag: Piper

    Übersetzer: Werner Löcher-Lawrence


    Autor:

    John Boyne wurde 1971 in Dublin geboren und ist ein irischer Schriftsteller. Nach der Schule studierte er Englische Literatur am Trinity College in Dublin, sowie Kreatives Schreiben in Norwich. Zahlreiche seiner Romane wurden ins Deutsche übersetzt, bekannt wurde er einer größeren Menge mit "Der Junge im gestreiften Pyjama" (2006), welcher zudem verfolt wurde. Boyne nimmt sich in seinen Romanen und Kruzgeschichten immer wieder gesellschaftlichen und kontroversen Themen an und war 2013 Jurymitglied im Kinder- und Jugendprogramm für "Das außergewöhnliche Buch" beim Internationalen Literaturfestival Berlin. Seine Werke wurden in über 46 Sprachen übersetzt. Boyne lebt in Dublin.


    Inhalt:

    Schon vor seiner Geburt steht Cyril Averys Leben unter einem ungünstigen Stern. Als uneheliches Kind hat er keinen Platz in der konservativen Gesellschaft Irlands der 1940er Jahre. Ein exzentrisches Dubliner Ehepaar nimmt ihn bei sich auf, doch auch dort fühlt er sich nicht zu Hause. Bis eines Tages ein Junge im Hausflur steht - und mit ihm ein Abenteuer beginnt, das Cyril genau das finden lässt, wonach er immer gesucht hat: seinen Platz in dieser verrückten Welt. (Klappentext)


    Rezension:

    Irland war vor noch wenigen Jahrzehnten das Armenhaus Europas, in dem die katholische Kirche noch vor den staatlichen Politikern, mit all ihren veralteten Moralvorstellungen und Predigten das Sagen hatte und das Leben der Menschen, besonders in den Dörfern, bestimmte. Ohnehin zerrüttet durch die ständigen politischen Auseinandersetzungen, gab es nicht viel, woran sich die einfache Bevölkerung orientieren und halten konnte, doch die angespannte gesellschaftliche Situation ließ Abweichungen von der Norm nicht zu. John Boyne, einer der großen irischen Schriftsteller hat sich der Geschichte und vor allem den Wandel moralischer Vorstellungen angenommen und erzählt die Geschichte seines Heimatlandes und den gesellschaftlichen Wandel in großen Bildern.


    Erzählen kann der Autor, wie er in unzähligen Romanen, allen voran "Der Junge im gestreiften Pyjama" und "Der Junge auf den Berg" bewiesen hat und es ist eine Großtat, sich ebenso mit einem entscheidenden Aspekt der irischen geschichte auseinandergesetzt zu haben. Anhand des Protagonisten Cyril, der von der Mutter gezwungenermaßen weggegeben wird und bei Adoptiveltern aufwächst, die sich alles andere als solche verhalten, beschreibt Boyne die Leidensgeschichte derer, die nicht in das erzkonservative gesellschaftliche Bild passten, die katholische Kirche und Politik ihrer Bevölkerung aufzwangen.


    John Boyne, der sich in seinen anderen Erzählungen durchaus auf das Beschreiben von Coming-of-age-Situationen versteht, misslingt hier der erste Teil des Romans, in sofern, dass dieser verhältnismäßig blass bleibt. Frank McCourt hat dies in den Romanen, die er über seine Lebensgeschichte verfasst hat, besser verstanden, berichtete jedoch von tatsächlich Erlebten, während Boyne Geschichte erdenken musste. Dieser Funke springt jedoch nicht über, was dann erst im zweiten Teil passiert.


    Der Handlungsverlauf versteht sich erst im Mittelteil zu steigern, in einer Wucht, die den ersten Seiten nur am Anfang zu Gute kommt, dann jedoch eine ganze Weile abebbt. Doch, es scheint als habe der Autor erst nach mehreren hundert Seiten wirklich in die Geschichte eingefunden und so lohnt es sich für den Leser auch, durchzuhalten. Man ist gefangen von der Dynamik der Protagonisten, den Tragödien, kurzen Momenten des Glücks, bevor die Figuren dann wieder allzu hart auf den Boden der Tatsachen gedrückt werden.


    Damit allein hätte der Roman das Zeug zu einem Meisterwerk, alleine der Schluss zeigt, dass "Friede, Freude, Eierkuchen" und alle verstehen sich irgendwie, alle kommen miteinander aus oder machen eben ihren Frieden miteinander im wirklichen Leben zwar wünschenswert ist, aber wann passiert das schon so? Doch, nur in den wenigsten Fällen und gerade bei der bewegten Geschichte, die uns Boyne hier erzählt, nehme ich das ihn nicht ab. Eine Prise mehr Nachdenklichkeit, weniger Sentimentalität und eine Spur weniger Anlehnung an John Irving hätte der Handlung ganz gut getan. So ist es dennoch eine Geschichte mit Ecken und Kanten, die zwar nicht besonders aber dennoch irgendwie im Gedächtnis bleibt.

  • Aber ich gehe davon aus, dass mir auch dieses Buch von John Boyne gefallen wird.

    Das war leider eine irrige Annahme. :cry: Ich habe schon viele Bücher von John Boyne gelesen und alle haben mich begeistert. Aber dieses Buch gefällt mir überhaupt nicht und ich werde es - obwohl es mein Buch für die Monats-Challenge sein sollte - abbrechen.

    Julians Geplapper über Sex, die Frauen, die er schon nackt gesehen hat, und seine Vorfreude auf Geschlechtsverkehr würden ihn als pubertär darstellen; tatsächlich ist der Junge erst sieben Jahre alt.

    Hier kommt zum ersten Mal der Verdacht auf, dass John Irving in etlichen Szenen Pate gestanden hat. Denn auch Cyrils Adoptiveltern wirken, als wäre sie einem Irving-Roman entsprungen: Skurril am Rande der Überzeichnung. Dick trägt Boyne auch in der Szene auf, in der Charles die Geschworenen seines Prozesses zwecks Bestechung zum Essen einlädt; nah am Slapstick wie man es auch von Irving kennt.

    Von Irving habe ich nichts gelesen und werde das nach obigen Aussagen auch nicht tun.

    Durch dieses "Sex-Geplapper" und sonstige, für einen Sieben(!)jährigen völlig unglaubwürdige, Verhaltens- und Ausdrucksweisen wird für mich ein Roman, der mich grundsätzlich thematisch sehr interessiert, unlesbar. Auch die Schilderung der Erwachsenen (Charles und Maude) ist total unrealistisch und einfach nur abstoßend.

    Sehr bedauerlich, dass ein so großartiger Autor wie John Boyne hier von seinem üblichen Stil abweicht und Anleihen bei einem Autor nimmt, der offenbar vollkommen anders schreibt!

    Nun muss ich mich nach einem anderen Challenge-Buch umsehen...

    "Books are ships which pass through the vast sea of time."
    (Francis Bacon)
    :study:
    Paradise on earth: 51.509173, -0.135998