Mareike Fallwickl - Dunkelgrün fast schwarz

  • "Ein österreichisches Debut, das einschlagen wird wie ein Böller auf einem Blechdach".

    Rotraud Schöberl, Buchhändlerin, bei Puls 4 "Cafe Puls"


    Verlag:

    "Raffael, der Selbstbewusste mit dem entwaffnenden Lächeln, und Moritz, der Bumerang in Raffaels Hand: Seit ihrer ersten Begegnung als Kinder sind sie unzertrennlich, Raffael geht voran, Moritz folgt. Moritz und seine Mutter Marie sind Zugezogene in dem einsamen Bergdorf, über die Freundschaft der beiden sollte Marie sich eigentlich freuen. Doch sie erkennt das Zerstörerische, das hinter Raffaels stahlblauen Augen lauert. Als Moritz eines Tages aufgeregt von der Neuen in der Schule berichtet, passiert es: Johanna weitet das Band zwischen Moritz und Raffael zu einem fatalen Dreieck, dessen scharfe Kanten keinen unverwundet lassen. Sechzehn Jahre später hat die Vergangenheit die drei plötzlich wieder im Griff, und alles, was so lange ungesagt war, bricht sich Bahn – mit unberechenbarer Wucht. Mareike Fallwickl erzählt von Schatten und Licht, Verzweiflung und Sehnsucht, Verrat und Vergebung. Ihr packendes Debüt bringt alle Facetten der Freundschaft zum Leuchten, die Leidenschaft, die Sanftheit – und die Liebe, in ihrer heilsamen, aber auch funkelnd grausamen Pracht."


    Die Autorin (Klappentext):

    Mareike Fallwickl, 1983 in Hallein bei Salzburg geboren, arbeitet als freie Texterin und Lektorin, schreibt für eine Salzburger Zeitung eine wöchentliche Kolumne und betreibt seit 2009 einen Literaturblog. Für ihr literarisches Debüt »Dunkelgrün fast schwarz« erhielt sie ein Arbeitsstipendium des Bundeskanzleramts Österreich. Mareike Fallwickl lebt im Salzburger Land.


    Und meine Meinung:

    Die Geschichte wird in zeitlichen Sprüngen erzählt sowie aus verschiedenen Perspektiven und verschiedenen Erzählhaltungen und -Zeiten. Nur die Hauptperson spricht nicht, über sie wird gesprochen, und so entfaltet sich die Geschichte einer kranken "Freundschaft".


    Der Plot ist, für sich betrachtet, spannend und interessant. Eine problematische Dreiecksbeziehung, die sich nach 17 Jahren in einer Art Katharsis (?) entlädt. Im Mittelpunkt steht Raffael: ein devil in disguise. Er heißt wie ein Engel, er sieht aus wie ein Engel, aber er ist ein Dämon. Er manipuliert, quält, dominiert. Wieso ist er so? Fallwickl macht es sich einfach: er ist eben ein "Arschlochkind", Punkt. Und damit der Leser nicht nachfragt, wieso das denn so ist, ob es vielleicht wirklich von Natur aus böse Menschen gibt und vielleicht einen Einblick in seine Seele erwartet, wiederholt sie das ständig.

    Wie so vieles andere auch.

    Gegen Ende des Buchs ein neuer Gedanke: seine Mutter ist schuld, zu wenig Liebe, und sein Vater war auch schon so. Aha? Transgenerationale Weitergabe? Auch da hätte ich mir mehr Differenzierung gewünscht...


    Moritz, Raffaels "Freund" und Opfer, ist offenbar synästhetisch begabt und sieht einige seiner Mitmenschen in einer farbigen Aura. Das ist doch mal ein schöner Ansatz, den die Autorin nicht nutzt. Sie erwähnt es wiederholt und macht nichts draus. Schade, aber das passiert ihr öfter.


    Andere Motive wiederum finden kein Verständnis bei mir. So erhält z. B. Moritz keine Ausbildung mit der Begründung, seine Freundin sei schwanger -?? Sein Vater durfte in derselben Situation immerhin sein Medizinstudium abschließen.

    Oder: die Ehefrauen sind unzufrieden, durch die Bank. Und auch der Grund dafür wird undifferenziert angeboten: die beiden Kinder. Klar.

    Solche und viele andere Klischees durchziehen das Buch und haben mir das Lesen erschwert.


    Ein Literaturblog rühmt die Sprache, "in die man eintauchen möchte, in der man Worte schmecken, fühlen und riechen kann und die die Buchstaben auf Papier zum Tanzen bringen. Sätze, nach denen man seine Hand ausstrecken will, um sie heranzuziehen und zu umarmen."

    Boahhhhh .....


    Fallwickl hat durchaus sprachmächtige Momente, aber ich habe den Eindruck, dass sie die Latte zu hoch gelegt hat.

    Einige Beispiele:


    " Er sieht den zementfarbenen Schleier der Erschöpfung auf ihren Augenlidern. Eine schimmerblaue Unsicherheit in ihrem Schulterkreisen. Ihre Empörung macht ein klackendes Geräusch." (S. 221)


    "Die Wut klebt an ihrem Körper wie eine Zuckerschicht, feinkörnige Brösel aus Zorn." S. 224


    "Das Sehnen sitzt auf ihrer Schulter und kratzt über ihre Haut, sie kann es im Spiegel sehen, als verwischten Schatten. Fick dich, sagt Jo. " S. 291


    Das mag vielen gefallen, mir nicht. Ich finde es nur gewollt und überzogen, aber ich bin offensichtlich nicht der richtige Leser für dieses hochgelobte Buch.

    Und da diese Rezension sowieso niemand liest, mag es damit genug sein.






    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • drawe

    Hat den Titel des Themas von „Mareike Fallwickl - Dunkelgrün, fast schwarz“ zu „Mareike Fallwickl - Dunkelgrün fast schwarz“ geändert.
  • Oh doch...hab sie gelesen, deine Rezension und sie gefällt mir.

    Die Beispielsätze sind ja auch genau mein Fall :) Da fragt man sich dann, was soll eine "schimmerblaue Unsicherheit" sein. Als müsste man alles so krampfhaft "poetisch" ausdrücken.


    So vom Inhalt hört es sich aber an als könnte es mir gefallen. Hat es vielleicht Ähnlichkeit mit "Das Wunschspiel" von Patrick Redmond so von der Stimmung her?

  • Hat es vielleicht Ähnlichkeit mit "Das Wunschspiel" von Patrick Redmond so von der Stimmung her?

    Den Titel kenne ich nicht - vielleicht musst Du das selber herausfinden:)

    Danke für Dein positives Echo!

    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Ich denke schon, dass die Rezensionen hier von vielen Usern gelesen werden, wenn auch meistens nicht kommentiert oder gelikt. Ich bin da leider auch nicht besser. Ich lese sie, schreibe aber nichts dazu. :uups:


    Nun, auf jeden Fall habe ich diese Rezension gelesen, die mir vom Aufbau her gut gefällt. Sachlich, übersichtlich gegliedert, mit Beispielen versehen - was will man mehr.

    Davon mal abgesehen, dass mich die Story an sich nicht reizt, enthält deine Rezi einige wirklich gut erklärte Gründe, die mich davon abhalten, dieses Buch jemals lesen zu wollen. (Und die Beispielsätze, die du außerdem rausgesucht hast, sind ja echt zum Schütteln.)


    Was ich damit sagen will: Lass dich vom fehlenden Feedback bitte nicht beirren oder entmutigen, drawe. Das wäre schade. :winken:

  • Wie so oft sieht man auch an Deiner Rezi, dass die über Bücher, die man nicht mochte interessanter sind als solche über 4-5 - Sterne - Werke:).


    PS: Das letzte Zitat musste ich mehrmals lesen, bis ich verstand, dass die Frau keine Nackenverspannungen hat. Ja, ja, das Sehnen und die Sehnen... :loool:.

  • Ich habe deine Rezension mit großem Interesse gelesen. :thumleft:


    Als der Roman im Februar erschienen ist, überschlug sich die Bloggerszene mit Begeisterungsstürmen. Die Marketingabteilung des Verlags hatte vorab ganze Arbeit geleistet. Sofern mich das Thema interessiert, was hier der Fall ist, lasse ich mich gern vom Hype anstecken und hole mir das Buch in der Bücherei, um mir selbst eine Meinung zu bilden. Ich habe es recht zügig und auch gern gelesen, aber es gab auch einiges, was mich gestört hat. Vor allem die Metaphern wirkten oft überzogen und gekünstelt. Hier wäre weniger oft mehr gewesen. Auch das sprachliche Abdriften ins Vulgäre hätte der Roman meiner Ansicht nach nicht gebraucht. Leider habe ich das Buch nicht mehr hier und kann keine Textbeispiele beisteuern, aber die von drawe genannten Zitate gehen sehr in die Richtung. Durch die wechselnde Erzählperspektive blieb die Spannung konstant und hat mich das Buch nur ungern aus der Hand legen lassen.


    Was das "Arschlochkind "angeht,



    Interessant fand ich, dass die Autorin Moritz mit einer synästhetischen Wahrnehmung ausgestattet hat. Das passte für mich gut zu seinem sensiblen Charakter und war auch eindrücklich umgesetzt. Anders als drawe hat mir da nichts gefehlt.


    Ich freue mich, eine neue Autorin kennengelernt zu haben, die ich trotz einiger Kritikpunkte im Auge behalten werde. :bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5::bewertung1von5:

    :montag: Judith Hermann - Daheim


    "Sehnsucht nach Liebe ist die einzige schwere Krankheit, mit der man alt werden kann, sogar gemeinsam."
    (Bodo Kirchhoff: Die Liebe in groben Zügen)


  • Das passte für mich gut zu seinem sensiblen Charakter

    Ja, das habe ich auch so gesehen. Und von daher hätte ich mir da etwas mehr gewünscht.

    Für mich blieben die Farben, auch die Farbspiele und ihre Positionierung, reines Ornament.


    überschlug sich dieBloggerszene mit Begeisterungsstürmen

    ... und an solche Bücher geht man mit einer gewissen Erwartungshaltung heran. Vielleicht bin ich deswegen eher enttäuscht

    als begeistert.


    Was das Vulgäre angeht: mich haben die ständigen "F... dich", "A..." etc. zunehmend mehr gestört - aber sie zeigen auch das Triebhaft-Böse

    des Raffael. Ich konnte mich irgendwie arrangieren:)

    :study: Percival Everett, James.

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    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Danke für die Rezension drawe, hat mich echt neugierig gemacht. Natürlich haben mich auch die weiteren Beiträge etwas "angefixt"

    Morgen kann ich es von der Onleihe runterziehen - "bin gespannt wie ein flitzebogen" :wink:

    Denn bei den Bloggern!!! mag sie hochgelobt sein, denn sie ist ja ebenfalls eine Bloggerin. Jedoch ich habe schon andere Literaturseiten gelesen welche nicht so positiv klingen.

    Gebt gerne das, was ihr gerne hättet: Höflichkeit, Freundlichkeit, Respekt. Wenn das alle tun würden, hätten wir alle zusammen ein bedeutend besseres Miteinander.

    Horst Lichter

  • schon andere Literaturseiten gelesen

    Die habe ich nicht gelesen, leider.


    Es ist nämlich ein unangenehmes Gefühl, wenn man mit seiner Meinung - die man sich ja gut überlegt hat -

    alleine dasteht.

    Ich denke da immer an den Aphorismus von Lichtenberg, der sinngemäß sagt:

    Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen und es klingt hohl, ist nicht immer das Buch schuld.


    :study: Percival Everett, James.

    :musik: Agatha Christie, Mord im Pfarrhaus.


    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Es ist nämlich ein unangenehmes Gefühl, wenn man mit seiner Meinung - die man sich ja gut überlegt hat -

    alleine dasteht.

    "Das erste Mal tat's noch weh, beim zweiten Mal nicht mehr so sehr und heut weiss ich, daran stirbt man nicht mehr" :lol::winken:

    Bücher sind auch Lebensmittel (Martin Walser)


    Wenn du einen Garten und eine Bibliothek hast, wird es dir an nichts fehlen. (Cicero)



  • Lass dich vom fehlenden Feedback bitte nicht beirren oder entmutigen

    Du bist ja eine Liebe ...:love:

    Es war eigentlich mehr die Tatsache, dass niemand sonst das Buch hatte - jedenfalls als ich die Rezension geschrieben habe.

    Und da hatte ich so das Gefühl, dass ich die nur für mich schreibe.

    Ist ja auch kein Fehler ... :)

    :study: Percival Everett, James.

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  • drawe, vielleicht habe ich in die Endzeile deiner Rezension mehr hineininterpretiert, als du damit sagen wolltest. :wink::friends:

    Dennoch hast du mich zum Nachdenken angeregt. Künftig werde ich den fleißigen Rezensionsschreibern hier mehr Beachtung schenken. Verdient haben sie es allesamt. :applause:

  • vielleicht habe ich in die Endzeile deiner Rezension mehr hineininterpretiert, als du damit sagen wolltest.

    Nein, ich gebe es zu - es klang bisschen Frust mit.

    :friends:

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  • Ich habe etwas Angst, denn nach 20 Seiten lesen, befürchte ich durch die gelesenen Beiträge voreingenommen zu sein, denn wie ich -Moritz 2017 gelesen habe und nun -Marie 1986 habe habe ich den Eindruck das sind zwei verschiedene Personen welche das Buch geschrieben haben so unterschiedlich ist der Stil.


    Bei Moritz klingt die Sprache farbig, "An behäbige Eisbären und Weiß in allen Schattierungen, Zinkweiß, Bleiweiß, verräterisch strahlendes Barytweiß."

    Bei Marie sehr nüchtern, ohne grosses "Brimborium" erzählt sie ihre Geschichte.


    Ich kann mir noch kein richtiges Bild machen, vielleicht ist das gewollt von der Autorin. Da muss man sich jedoch daran gewöhnen.

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    Horst Lichter

  • Und da diese Rezension sowieso niemand liest, mag es damit genug sein.

    Das finde ich sehr schade, wenn du so denken würdest. Hier gibt es viele Leser der Rezensionen, auch wenn die sich nicht zeigen,:-, ob durch einen Beitrag, oder wenigstens durch einen "Like"- was ich persönlich sehr schade finde. Ich lese Rezensionen sehr gerne, allerdings vielleicht nicht gleich nach der Erscheinung. Manchmal geschieht es auch viel später, nämlich wenn ich auf das Buch aufmerksam geworden bin. Aber ich bin immer, und da übertreibe ich nicht, immer dankbar dafür, wenn ich die Meinung von anderen Lesern lesen kann. Vielen Dank dafür:friends:

    2024: Bücher: 90/Seiten: 39 866

    2023: Bücher: 189/Seiten: 73 404

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    Mein Blog: Zauberwelt des Lesens
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    "Das Nicht-Wahrnehmen von Etwas beweist nicht dessen Nicht-Existenz "

    Dalai Lama

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    Lese gerade:

    Scalzi, John - Die Gesellschaft zur Erhaltung der Kaiju-Monster

  • Das finde ich sehr schade, wenn du so denken würdest

    Da war ich wohl etwas gefrustet, ich weiß es nicht mehr, nimm es nicht so ernst :wink:!

    Eigentlich schreibe ich alle Rezensionen für mich selber: ich muss nach einer Lektüre innehalten und das Ganze überdenken.


    Mir geht es so wie Dir: ich lese Rezensionen immer erst nach meiner Lektüre (und meiner Sternevergabe), und da haben die Rezensionen teilweise schon einige Jahre auf dem Buckel. Und wenn sie mir gefallen - was nicht heißt, dass ich derselben Meinung bin - , dann gibt es ein Like.

    Vermutlich wundert sich der Empfänger über die späte Reaktion!

    :study: Percival Everett, James.

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  • Und wenn sie mir gefallen - was nicht heißt, dass ich derselben Meinung bin - , dann gibt es ein Like.

    Vermutlich wundert sich der Empfänger über die späte Reaktion!

    auch bei mir kann es sehr spät kommen.O:-) Aber ich gebe mein "like" auch als Dankeschön ab. Denn wir haben keine "Danke" Funktion mehr, was ich persönlich schade finde. Ich finde es sehr schön, wenn Rezensionen und Meinungen zu den Büchern geschrieben werden, da kann man sich ein besseres Bild machen :)

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    Lese gerade:

    Scalzi, John - Die Gesellschaft zur Erhaltung der Kaiju-Monster

  • Aber ich gebe mein "like" auch als Dankeschön ab.

    Genau so sehe ich das auch.

    :winken:

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    "Der echte Bibliophile liebt mehr als Form und Inhalt eines Buches seine Existenz; er muss es erst gar nicht lesen" (Werfel, Die vierzig Tage des Musa Dagh, S. 49).

  • Klappentext


    Raffael, der Selbstbewusste mit dem entwaffnenden Lächeln, und Moritz, der Bumerang in Raffaels Hand:


    Seit ihrer ersten Begegnung als Kinder sind sie unzertrennlich, Raffael geht voran, Moritz folgt. Moritz und seine Mutter Marie sind Zugezogene in dem einsamen Bergdorf, über die Freundschaft der beiden sollte Marie sich eigentlich freuen. Doch sie erkennt das Zerstörerische, das hinter Raffaels stahlblauen Augen lauert.

    Als Moritz eines Tages aufgeregt von der Neuen in der Schule berichtet, passiert es: Johanna weitet das Band zwischen Moritz und Raffael zu einem fatalen Dreieck, dessen scharfe Kanten keinen unverwundet lassen. Sechzehn Jahre später hat die Vergangenheit die drei plötzlich wieder im Griff, und alles, was so lange ungesagt war, bricht sich Bahn – mit unberechenbarer Wucht.


    Mareike Fallwickl erzählt von Schatten und Licht, Verzweiflung und Sehnsucht, Verrat und Vergebung. Ihr packendes Debüt bringt alle Facetten der Freundschaft zum Leuchten, die Leidenschaft, die Sanftheit – und die Liebe, in ihrer heilsamen, aber auch funkelnd grausamen Pracht.


    Meine Meinung



    Ich hab ja einige Zeit gezögert, das Buch zu lesen. Zum einen gehe ich solcher Thematik aus dem Weg und zum anderen waren die Rezensionen dazu auch in der Art, dass ich nicht wusste, wie ich damit klarkommen werden.

    Das hat sich beim Lesen aber dann schnell in Luft aufgelöst, denn es entwickelt sich anfangs in ruhigen Bahnen, auch wenn man natürlich merkt, dass da einiges unter der Oberfläche brodelt.


    Im Heute wohnt Moritz zusammen mit seiner Freundin, die ein Kind erwartet. Es geht ihm gut, er fühlt sich glücklich und freut sich auf das Baby. Dann steht Raffael vor der Tür, sein bester Freund, den er 16 Jahre lang nicht gesehen hat.


    Den Aufbau fand ich sehr genial. Die Autorin springt zwar zwischen den Zeit von früher, noch früher und der Gegenwart hin und her, leitet die Kapitel aber mir Jahreszahlen ein, so dass man sehr schnell spannt, bei wem man sich befindet und welches Alter derjenige hat.

    Überrascht hat mich dabei, dass vieles aus der Perspektive von Marie erzählt wird, der Mutter von Moritz. Ich hatte gedacht, dass sich die Geschichte auf die drei Freunde konzentriert und das war ein sehr genialer Schachzug. Man erlebt Moritz sozusagen von Geburt an, wie er aufgewachsen ist bis heute, als werdender Vater und hat damit durch die Auszüge aus seinem Leben einen perfekten Blick auf seine Persönlichkeit.


    Genial fand ich auch wie Mareike Fallwickl aufzeigt, wie sehr alles ineinander greift. Jede Beziehung, jeder Kontakt mit anderen hat Auswirkungen und beeinflusst, mal mehr, mal weniger. Das tragische hier ist, dass so viele hier eigentlich Hilferufe aussenden, die leider nie "gesehen" werden. Auch, dass so wenig miteinander gesprochen wird, also über Probleme oder bestimmte Vorfälle, die in einem nagen, grade auch mit nahestehenden Personen, zeigt sehr deutlich, woran die Menschen krank werden und es so schwer fällt, zu leben.


    Äußerst beeindruckt hat mich auch der Schreibstil. Er ist besonders, durchsetzt mit Metaphern, aber doch flüssig zu lesen und mit einer ganz besonderen Poesie, die mitschwingt. Mit einem sehr klaren Blick werden die Details hart aber ehrlich vor Augen geführt, andererseits aber mit vielen subtilen Schwingungen unterlegt, die mir ein sehr gutes Gespür zu jedem einzelnen gegeben haben.


    Nicht nur aus Maries Perspektive wird erzählt, sondern auch von Moritz und Johanna. Raffael erlebt man interessanterweise nur über die Sichtweisen der anderen und obwohl er dabei weniger greifbar scheint, entsteht ein sehr gutes Bild aus den Eindrücken der anderen, das aber auch noch einiges für Spekulationen offenlässt.

    Jeder von ihnen ist vorbelastet, jeder von ihnen kämpft um Liebe, um Freundschaft und das "gesehen werden", das Gefühl gebraucht zu werden, verstanden zu werden, akzeptiert zu werden - mit unterschiedlichen Mustern, aus denen es sehr schwer fällt, auszubrechen.


    "... Irgendwann wirst du erkennen, dass manche Menschen nur leuchten, indem sie andere ins Dunkle schubsen."

    Zitat Seite 302


    Ein besonderer Aspekt ist auch, das Moritz schon von klein auf die Menschen "in Farben sieht" (daher auch der Buchtitel). Vielleicht mag man es mit "Auren" gleichsetzen, aber ich möchte das gar nicht so in ein bestimmtes Raster packen. Dass er anders ist als andere merkt er dann doch relativ bald in seiner Kindheit und kann damit gut umgehen, hatte ich den Eindruck. Es war jedenfalls eine sehr schöne, originelle Idee, die für Moritz in vielen Situationen hilfreich war, andere einzuschätzen und ein Gefühl für die andere Person zu bekommen.

    Es geht um Abhängigkeiten, die hier ein beängstigendes Ausmaß annehmen und aus denen jeder von ihnen kaum auszubrechen weiß.


    Ich hatte überhaupt keine Vorstellung, auf was ich mich hier einlasse und bin sehr positiv überrascht. Es ist rundum gelungen, vom Aufbau, vom Schreibstil, den Charakteren, der Entwicklung und war ein sehr intensives Leseerlebnis.


    Das Ende war mir dann fast einen Tick zu einfach, war aber ein guter Abschluss und zeigt vor allem, dass die Chancen für Veränderungen immer möglich sind. Dennoch hätte ich mir da noch einen gewissen Kick erwartet, deshalb der halbe Stern Abzug - ansonsten war es wirklich mega gut!


    Mein Fazit: 4.5 Sterne


    Weltenwanderer

  • Moritz und Raffael waren Freunde, seit sie sich ihre Mütter das erste Mal auf dem Spielplatz in ihrem Heimatdorf getroffen haben. Jahrelang waren die Beiden unzertrennlich, dann haben sie sich aus den Augen verloren. Plötzlich steht Raffael wieder vor Moritz' Tür. Der Besuch seines alten Freundes bringt Moritz zurück in die gemeinsame Vergangenheit und reißt alte Wunden wieder auf.


    Zuerst freut sich Marie, als sie eine andere junge Mutter kennenlernt. Endlich eine Freundin für sie und einen Spielgefährten für Moritz. Sie ist einsam in dem kleinen Ort, in dem sie nur die Zugezogene ist, während ihr Mann noch fürs Studium in der Stadt geblieben ist. Vielleicht übersieht sie deshalb die kleinen Hinweise, dass Raffael nicht der ideale Freund für Moritz ist. Irgendwann kann sie aber die blauen Flecken oder kleine Wunden oder das veränderte Verhalten von Moritz oder die Beschwerden der Schule nicht mehr ignorieren. Aber jeder Versuch, die beiden Jungen zu trennen, scheitert.


    Mareike Fallwickl erzählt die Geschichte mit vielen Rückblenden. Ein Ereignis in der Gegenwart verbindet sie mit dem Gegenstück aus Moritz' Vergangenheit. Bei jeder dieser Rückblenden änderte Jedes Ereignis hat meine Sicht auf den jeweiligen Charakter verändert und bei den meisten von ihnen hat es bis zur letzten Seite gedauert, bis ich ein endgültiges Bild von der jeweiligen Person hatte.


    Der erwachsene Moritz war die Ausnahme. Ich habe ihn von Anfang an als schwach empfunden. Auch wenn er in der Zeit, in der er keinen Kontakt zu Raffael hatte, mehr zu sich gefunden hatte, ist er sofort wieder in die alte Rolle als sein Schatten verfallen, sobald er Raffael in seine Wohnung gelassen hat. Auch wenn seine und Maries Erinnerungen Erklärungen für sein Verhalten liefern, hätte er viele Möglichkeiten gehabt, sich von seinem Freund zu lösen. Stattdessen wird er wieder zu dem jungen Mann der er war, als er Raffael das letzte Mal gesehen hat, und übersieht alle Anzeichen, dass etwas an seinem Verhalten und seiner Geschichte nicht stimmt.


    Die ersten Wechsel zwischen Gegenwart und Vergangenheit waren interessant. Die Rückblicke zeigten eine Dynamik zwischen den Charakteren auf, die vieles in der Gegenwart erklärten. Leider wurde irgendwann nichts Neues mehr erzählt, selbst nicht, als es mit Johanna eine neue Variante im Spiel zwischen Moritz und Raffael gab. Vielmehr greift die Autorin mit diesem Handlungsstrang nur ein Thema auf, das schon oft erzählt worden war.


    Der Titel bezieht sich auf Moritz' Fähigkeit, eine farbige Aura zu sehen, die einen Menschen umgibt. Aber wie viele andere Handlungsfäden blieb er offen. Auch wenn es viele interessante Ansätze gab und die Autorin es schaffte, Spannung aufzubauen, haben mich diese losen Fäden doch ein wenig unzufrieden zurückgelassen.

    :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertung1von5: :bewertungHalb: